AD(H)S - Hilfe zur Selbsthilfe. Helga Simchen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helga Simchen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783170355996
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praktizieren

      • Ihre Lern- und Arbeitsbedingungen akzeptieren und sie eine berufliche Perspektive haben

      • Möglichst nicht ständig einer zu starken Reizüberflutung ausgesetzt sind

      • Sich bemühen, erst zu überlegen, bevor sie etwas sagen und sehr kritisch gegenüber Menschen sind, die sich ihnen als Freunde anbieten

      • Sich nicht ausnutzen lassen, »nein« sagen und sich abgrenzen können

      Bei der Diagnosestellung gilt es die Schwere des Betroffenseins zu erfassen, denn sie bestimmt Art und Dauer der Therapie. In der Praxis kann das AD(H)S mit keinem einzelnen Test oder einzig und allein mit Hilfe einer Punkteskala diagnostiziert werden. Die wichtigsten Kriterien müssen immer erfüllt sein, die zur Standardisierung der Diagnostik konkret in den wissenschaftlichen Leitlinien benannt sind und dort auch immer wieder aktualisiert werden. So hat das 2013 erschienene Diagnostische und Statistische Manual der Amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (DSM V) das Alter, vor dem die ersten AD(H)S-Symptome vorhanden sein müssen, um ein AD(H)S bestimmen zu können, vom 7. auf das 12. Lebensjahr verlegt. Für die AD(H)S-Diagnose bei Erwachsenen müssen ab dem 17. Lebensjahr nur noch 5 statt 6 von 9 Kriterien, sowohl für den Unaufmerksamkeits-Subtyp als auch für den Subtyp mit Hyperaktivität/Impulsivität, vorhanden sein.

      Wichtige Bestandteile der AD(H)S-Diagnostik sind:

      • die aktuelle Problematik, die Stärke der Beeinträchtigung und den Leidensdruck erfassen

      • die Lebensgeschichte der Betroffenen und ihrer Familie in Bezug auf AD(H)S erfragen

      • die vom Therapeuten selbst gemachte aktuelle Beobachtung des Verhaltens und der Leistungsfähigkeit notieren

      • den Verlauf von Kindheit und Schulzeit erfragen

      • die Auswertung der Schulzeugnisse

      • die neurologische Untersuchung

      • die psychometrische Testung, einschließlich der intellektuellen Ausstattung

      • das Vorhandensein von reaktiven Fehlentwicklungen, Wahrnehmungs- und Teilleistungsstörungen, sowie weitere Begleit- und Folgeerkrankungen nicht übersehen

      Die zehn wichtigsten Symptome – ein Kind mit ausgeprägter AD(H)S-Symptomatik:

      • ist unaufmerksam und leicht ablenkbar

      • ist hyperaktiv und in der Reaktion zu schnell oder verträumt und zu langsam

      • ist impulsiv, es handelt ohne nachzudenken

      • ist vergesslich mit schlechtem Kurzzeitgedächtnis

      • wirkt zerstreut, hat eine geringe Eigenorganisation

      • kann Regeln nur schwer einhalten

      • hat eine schlechte Arbeitsorganisation

      • ist stimmungslabil, zeigt eine »Achterbahn« seiner Gefühle

      • leidet unter seinem Selbstwertgefühl, traut sich wenig zu

      • ist in seinem Sozialverhalten nicht altersgerecht entwickelt

      Das Erscheinungsbild des AD(H)S kann sehr unterschiedlich sein und trotz seiner vielen positiven Seiten können die negativen Symptome überwiegen. Diese verursachen einen Leidensdruck und beeinträchtigen die altersgerechte Entwicklung von Selbstwertgefühl und Sozialverhalten auf Dauer. Die Kernsymptome, wie auffällige innere oder äußere Unruhe, beeinträchtigte Konzentration und Daueraufmerksamkeit, schlechte Merkfähigkeit, hohe Ablenkbarkeit verbunden mit unüberlegtem Handeln, sollten immer nachweisbar sein. Das alles verbunden mit zu großem Energiepotential oder Antriebsschwäche, Zurückgezogenheit, Überempfindlichkeit, zu langsamen und verträumten Handeln, Kraftlosigkeit, Selbstbeschuldigung und Versagensängsten kann AD(H)S sein, je nach Erscheinungsform. Die wesentlichen neurobiologischen Ursachen sind jedoch bei allen gleich. Die Verschiedenheit in der Symptomatik ist genetisch bedingt und erfordert in einigen Bereichen auch eine unterschiedliche Herangehensweise, wodurch Diagnosestellung und Behandlung manchmal schwierig sind und nicht nach einem Schema erfolgen können!

      Zwischen den beiden Haupttypen des ADS mit und ohne Hyperaktivität – ADHS und ADS – gibt es viele Zwischenformen (Subtypen) mit unterschiedlicher Symptomatik.

      Die typische Symptomatik beim ADS mit Hyperaktivität (ADHS) wird dominiert von Unruhe, Unbeständigkeit, Mangel an Konzentration und Flexibilität bei der richtigen Auswahl von Handlungsmustern und Impulsivität. Diese Verhaltensauffälligkeiten haben neurobiologische Ursachen, deren Behandlung auch neurobiologisch orientiert erfolgen sollte.

      Worunter leiden Menschen mit ADHS und was würden sie gern ändern?

      • Ihre ständige Unruhe und den nicht zu unterdrückenden Bewegungsdrang

      • Ihre deutliche Beeinträchtigung von Konzentration und Daueraufmerksamkeit

      • Ihre hohe Ablenkbarkeit und Vergesslichkeit

      • Ihre Schwäche, Verhalten, Kraft und Sprechen angemessen steuern zu können

      • Ihre zu spontanen und überschießenden Reaktionen, sowohl verbaler als auch körperlicher Art, die sie selbst schwer bremsen und kontrollieren können

      • Ihre Unfähigkeit, in kritischen Situationen schnell und sozial angepasst zu reagieren

      • Weder zügig anfangen, noch das Angefangene auch zu beenden

      • Ihre emotionale Labilität mit veränderter Eigenwahrnehmung (»Ich war das nicht, die anderen haben Schuld«)

      • Ihren Drang, vieles gleichzeitig zu machen, keine Prioritäten zu setzen

      • Ihr schnelles Arbeitstempo bei fehlendem Zeitgefühl

      • Ihre verzögerte Entwicklung in der Wahrnehmungsverarbeitung, bei der sozialen Reife und den motorischen Funktionen

      Das ist eine ganze Reihe von möglichen Problemen, die aber längst nicht immer alle vorhanden sein müssen. Erst aus der Summe der genannten Symptome und vor allem aus der gründlichen ärztlichen Untersuchung mit mehreren Patientenkontakten kann die Diagnose gestellt werden. Wobei die wichtigen Symptome, wie Hyperaktivität, Konzentrationsschwäche und Ablenkbarkeit nicht immer beim ersten Kontakt sichtbar vorhanden sein müssen, denn wenn alles neu und interessant für den Betroffenen ist, kann er kurzzeitig hochkonzentriert sein.

      Kinder und Jugendliche ohne Hyperaktivität, auch »hypoaktiv« oder wissenschaftlich als »ADS vom unaufmerksamen Typ« bezeichnet, leiden vorwiegend unter Lernschwierigkeiten und sozialer Ausgrenzung, weniger unter nach außen hin auffallender und somit störender Hyperaktivität.

      Diese Betroffenen leiden jedoch meist mehr als die Hyperaktiven, ihre häufigsten und typischen Symptome sind:

      • Sie sind im Denken und Reagieren zu langsam, wirken manchmal regelrecht umstellungserschwert

      • Sie können Handlungsabläufe und kognitive Fähigkeiten nur zeitlich verzögert abrufen

      • Sie haben immer zu viele Gedanken und zu viele visuelle Bilder im Kopf

      • Sie träumen vor sich hin und »klinken« sich aus dem aktuellen Geschehen aus, dadurch bekommen sie weniger vom sozialen Umfeld (Unterricht! Vorlesung!) mit

      • Sie merken sich Nebensächlichkeiten oft sehr gut, besonders wenn diese emotional eingebunden sind

      • Sie sind leicht ablenkbar, erfassen und behalten Wichtiges nicht

      • Sie sind sehr empfindlich, schnell gekränkt und weinen leicht

      • Stress blockiert ihr Handeln und Denken

      • Sie sind innerlich und