Säulen der Therapie des AD(H)S sind:
• Erziehung im Elternhaus
• Leitlinien und wissenschaftlich fundierte Studien
• Der AD(H)S-Therapeut für Diagnose und Therapie
• Die Verhaltenstherapie
• Die Zusammenarbeit mit Kindergarten und Schule
• Bewegung und Sport
• Das soziale Umfeld mit Anleitung der Eltern
• Die medikamentöse Therapie
Grundsätzliche, für jeden AD(H)S-Betroffenen wichtige therapeutische Maßnahmen sind:
• Außenreize reduzieren, Schaffung einer entspannten und ruhigen Atmosphäre
• Alle möglichen Unterbrechungen von vornherein vermeiden
• Viele kurze Übungsphasen nach schriftlichem Zeitplan festlegen
• Atem- und Konzentrationsübungen (bspw. sich Ruhe befehlen, einige Male langsam und tief in den Bauch hineinatmen, die Augen dabei schließen und sich sagen: »Ich bin ganz ruhig!«, einige Male ruhig durchatmen, dann tief Luft holen und sich befehlen: »Und jetzt muss ich mich konzentrieren«)
• Aktives Abschalten aller Ablenkungsquellen: Kein Handy, keine Haustiere und kein laufendes Fernsehgerät im Zimmer, keine Freunde, die während der Arbeitszeit anrufen, keine Geschwister, die ständig gewollt oder ungewollt stören
• Arbeiten nach Zeitplan
• Kleine Abschnitte lernen, deren Inhalte sofort wiederholen (eine Buchseite oder ein Kapitel aus dem Fachbuch), sich den Inhalt bewusst einprägen, dann im Zimmer auf und abgehen und den Inhalt laut wiedergeben
• Wichtiges mit Textmarker unterstreichen
• Randnotizen machen oder Karteikarten anlegen
• Wenn möglich, sein gutes visuelles Gedächtnis nutzen
• Selbständig arbeiten, Lösungen möglichst allein finden, Selbsterarbeitetes prägt sich immer besser ein
• Schwierigkeitsgrad allmählich steigern
• Wichtiges gedanklich durch inneres Sprechen mehrfach wiederholen
• Lob und Ermutigung erhalten, keine Selbstbeschimpfung oder Ungeduld zulassen
• Dranbleiben, Aufgabe zu Ende führen, dann sich abfragen lassen
Jeder AD(H)Sler nimmt mit Hilfe seines weit verzweigten neuronalen Nervennetzes viel mehr Informationen auf als ein Nichtbetroffener. Deshalb hat er beim Lernen schnell das Gefühl: »Das kann ich!« und er wundert sich dann, dass ihm das Abrufen des Gelernten doch nicht so gelingt wie erwartet. Seine aufgenommenen Informationen kommen in dem dafür vorgesehenen Bereich des Langzeitgedächtnisses nur verzögert an und sind danach nicht wieder schnell genug abrufbar, wenn die dazu erforderlichen Gedächtnisbahnen noch unzureichend entwickelt sind.
Wiederholen und Abfragen aktiviert und verstärkt die Neubildung von Nervenbahnen und Nervenzellen. Regelmäßiges Lernen erhöht die Synapsendichte und verändert die Mikrostruktur der Nervenbahnen, sie werden dichter und leistungsfähiger. Ähnlich wie körperliches Training die Muskeln aufbaut und kräftigt oder regelmäßiges Üben das Beherrschen eines Musikinstrumentes ermöglicht.
• Ständiges Wiederholen trainiert die Gedächtnisbahnen, so dass sich das Gelernte automatisieren kann! Dazu eignen sich folgende Lernstrategien:
• Der Vokabeltest: Er überprüft konkret die Merkfähigkeit und damit auch einen Teilbereich der Therapie. Dazu überprüfen, wie viele Vokabeln noch verfügbar sind von denen, die am Vortag gelernt und beherrscht wurden
• Die Kontrolle der Daueraufmerksamkeit:
− Durch Wiedergabe von Textinhalten: Hierbei soll der Inhalt einer gelesenen Buchseite oder eines Kapitels aus dem Geschichts-, Erdkunde-, Bio- oder Chemiebuch wiedergegeben werden, um festzustellen, ob das Wichtigste auch verstanden und behalten wurde
− Durch Lösen von Rechenaufgaben: Besonders geeignet sind Minusaufgaben mit Zehnerüberschreitung, das Lernen des Einmaleins (auch des großen) und das Lösen von Textaufgaben
− Durch Auswendiglernen von Gedichten und Liedertexten
− Durch Nacherzählen von vorgelesenen oder erzählten Geschichten, von Filmen oder Fernsehsendungen
Lernen erfordert bei AD(H)S auch eine aktive Pausengestaltung, wenn möglich mit Verlassen des Zimmers und körperlicher Betätigung. Jonglieren, Tanzen oder andere sportliche Übungen, auch häusliche Aktivitäten wie das Ausräumen von Spül- oder Waschmaschine, den Hund kurz »Gassi« führen usw. sind Alternativen. Die Lernpausen gilt es individuell, je nach Veranlagung, zu gestalten, doch sind diese im Arbeitsplan zeitlich festzulegen und einzuhalten. Die Dauer der aktiven Lernphase sollte je nach Alter zwischen 10–60 Minuten betragen. Nach großen Lernabschnitten sind ca. 20–30 Minuten Pause erforderlich, damit das Gelernte im Langzeitgedächtnis abgespeichert werden kann. Danach heißt es wieder, sich erneut Konzentration zu befehlen, pünktlich anzufangen und sich zu motivieren, also die Vorteile eines positiven Lernerfolges fest im Blick zu haben.
Ich arbeite bei meinen Patienten zum Training von Konzentration, Daueraufmerksamkeit und Merkfähigkeit immer mit den Aufgaben, mit denen sie sich gerade aktuell in Schule oder Studium beschäftigen. Führt dieses Training zu einer Notenverbesserung, wird dessen Erfolg für alle sichtbar und messbar. Auf diese Weise verbessert sich das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit der Betroffenen am wirksamsten.
2.8 Gefühle besser steuern, aggressives Verhalten vermeiden
Wie bekomme ich meine Gefühlsausbrüche besser unter Kontrolle?
Zuerst folgende Empfehlung als Voraussetzung zum Einüben von motorischer Ruhe mit Hilfe eines Entspannungstrainings
Weitere wichtige Fähigkeiten zur Verbesserung der Gefühlssteuerung, die vielleicht in einem ersten Schritt mit Hilfe eines Therapeuten eingeübt werden sollten, der die Eltern oder den Coach anleitet, sollten mit folgenden Aufgaben dann zu Hause täglich, aber nacheinander trainiert werden:
• Andere Menschen differenziert wahrnehmen und ihre Körpersprache deuten
• Eigene Vorurteile und eingeschliffene Verhaltensweisen erkennen und verändern
• Angemessene Selbstbehauptung als positive Form der Aggression zulassen
• Ruhig und überlegt reagieren, andere erst ausreden lassen, dann nachdenken, sich beruhigen und sodann erst antworten
• Nicht alles persönlich nehmen und überbewerten
• Dem anderen und sich selbst Schwächen eingestehen
• Unter Stress geht schnell die Kontrolle über das, was gesagt wird verloren, da Stress die Kontrollfunktionen im Stirnhirn blockiert, gute Vorsätze und die innere Stimme werden ausgeblendet. Es folgen Reue und tausendfache Entschuldigungen. Deshalb ist es wichtig, das beim Streit im Zorn Gesagte nicht über zu bewerten und nicht sofort darauf zu reagieren, sondern besser alles zeitversetzt zu besprechen und richtigzustellen.
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