AD(H)S - Hilfe zur Selbsthilfe. Helga Simchen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Helga Simchen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Медицина
Год издания: 0
isbn: 9783170355996
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ist. Wie können Studierende mit AD(H)S oder Berufstätige erfolgreicher sein, welche Berufe sind bei AD(H)S zu empfehlen, welche Sportarten und welche Therapien, und was bewirken die Medikamente? Diese Fragen beantwortet das vorliegende Buch.

      Erfolgreiches Handeln setzt spezielle Kenntnisse und aktive Mitarbeit voraus. Es gilt, die jeweils individuell wichtigsten Lernmethoden für sich herauszufinden, um sie dann fest in den Alltag zu integrieren. Wie man am besten gehirngerecht lernt und welche Strategien dabei erfolgreich sind zur Verbesserung von Leistung und Verhalten, darüber wird ausführlich informiert. Weil Erfolge der Motor für motivierte Mitarbeit sind, kann jeder mit den im Buch beschriebenen problemorientierten Selbsthilfe-Strategien unabhängig von einem Therapeuten sofort beginnen, um kostbare Zeit nicht ungenutzt verstreichen zu lassen.

      Erfolgreich sein mit AD(H)S bedeutet auch, im Leistungs- und Verhaltensbereich das Niveau zu erreichen, über das man verfügen könnte, wenn man kein AD(H)S hätte. Dazu sollte man wissen, was AD(H)S überhaupt ist und was man konkret selbst tun kann, seine bereits vorhandenen Defizite erfolgreich anzugehen. Da es immer noch zu wenig Lern- und Verhaltenstherapeuten für AD(H)S gibt und keine noch so gute Therapie jederzeit immer und über Jahrzehnte zur Verfügung stehen wird, ist es von größtem Wert, über eine Anleitung zur Selbsthilfe zu verfügen, die – wenn man sie verstanden hat – auch gut umsetzen kann. Das Buch soll Anleitung zum Handeln sein und informieren, was man trotz seiner AD(H)S-Problematik in Eigeninitiative alles tun kann, um den eigenen Ansprüchen und den Anforderungen seines sozialen Umfeldes gerecht zu werden. Denn AD(H)S, als eine genetisch bedingte andere Art der Vernetzung der Nervenbahnen im Gehirn, wächst sich nicht aus. Störende Symptome lassen sich reduzieren, je früher man mit einem regelmäßigen Lern- und Verhaltenstraining beginnt. Vieles kann dabei allein oder mit Hilfe eines Coachs erreicht werden. Die dafür notwendigen Informationen sind Inhalt dieses Buches. Es ist sowohl für Anfänger und Einsteiger in die AD(H)S-Problematik als auch für AD(H)S-erfahrene Betroffene, Eltern, Erzieher und Therapeuten gedacht. Auch Lehrer werden angesprochen, denn die Schule ist für Kinder und Jugendliche mit AD(H)S das wichtigste Bewährungsfeld und nicht selten für sie eine mit negativem Dauerstress besetzte Institution. Während der Schulzeit gerät bei den meisten Betroffenen ihr Selbstwertgefühl in eine Negativspirale. Ein weiteres Anliegen des Buches ist die Information über mögliche Zusammenhänge von AD(H)S und Leserechtschreib- und Rechenschwäche, Essstörungen und Hochbegabung, um diesen Betroffenen neue therapeutische Möglichkeiten aufzuzeigen, die bisher zu wenig genutzt wurden.

      In den letzten 15 Jahren habe ich über die gesamte AD(H)S-Problematik bundesweit und im Ausland viele Vorträge gehalten. Deren Inhalt und die Erfahrungen aus einer fast 30-jährigen anfangs wissenschaftlichen, seit 1995 praktischen Tätigkeit sind inhaltliche Bestandteile dieses Buches. Nach Aufgabe meiner Praxis im Mainz hatten es besonders meine jugendlichen und erwachsenen Patienten schwer, einen Therapeuten zu finden. Für sie schrieb ich noch einmal auf, was ich ihnen als ihr Therapeut immer wieder versucht habe zu vermitteln. Nun wünsche ich mir, dass dieses Buch für alle AD(H)S-Betroffenen zur konkreten Hilfe wird, um bei ihrem täglichen Bemühen selbstbewusst, mit sich zufrieden und mit guter Lebensqualität ihre persönlichen Ziele verwirklichen zu können.

      Helga Simchen, Klein-Winternheim, im April 2020

      Kinder mit AD(H)S gleichen Edelsteinen, die wie Diamanten strahlen können, wenn sie rechtzeitig einen Schliff und eine passende Fassung bekommen. Sie müssen lernen, ständig an ihrer Ausstrahlung zu arbeiten, um nicht zu verblassen.

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      Anders sein und viele Fähigkeiten haben – das ist AD(H)S

      1.1 Menschen mit AD(H)S haben besondere Fähigkeiten, über die sie meist nicht jederzeit verfügen können

      Menschen mit AD(H)S faszinieren durch die Vielfalt ihrer Symptomatik, von der sie selbst auch profitieren können, wenn sie frühzeitig lernen, richtig damit umgehen. Sie können aber auch stark unter dieser Symptomatik leiden, wenn sie sich ihr hilflos ausliefern. Das Krankheitsbild AD(H)S erfordert einen hohen Anspruch an Diagnostik und Therapie. Seine neurobiologischen Ursachen und die Zusammenhänge von AD(H)S bedingten Funktionsstörungen und deren Symptomatik kennen, sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Behandlung. Ohne Mitarbeit der Betroffenen gelingt eine AD(H)S-Therapie auf Dauer nicht. Das erfordert die Kenntnis ihrer Besonderheiten, denn die Betroffenen sind sehr feinfühlig, sehr kritisch, sie hinterfragen alles und erwarten eine gründliche und verständliche Information, um zu verstehen, warum gerade sie diese Probleme haben und was sie dagegen tun können. Sie spüren ganz genau, ob sie verstanden und ihre Beschwerden ernst genommen werden. Sie erwarten Hilfsangebote, die sie auch akzeptieren können.

      Deshalb empfiehlt es sich, die Betroffenen beim ärztlichen oder psychologischen Erstkontakt nicht nur über ihre Problematik zu befragen, sondern auch ihre positiven Eigenschaften und ihre besonderen Fähigkeiten zu erkunden, um diese als Ressourcen für die angestrebte Therapie einzusetzen. Über viele positive Fähigkeiten verfügen alle AD(H)S-Betroffenen, die als »strategische Stützpfeiler« therapeutisch zu benutzen sind. Deshalb immer nach diesen sehr wertvollen Fähigkeiten suchen und Beispiele für deren praktische Anwendung gemeinsam erarbeiten und notieren.

      Menschen mit AD(H)S besitzen viele positive Fähigkeiten, die sie sich möglichst erhalten sollten:

      • Kreativ sein, alles hinterfragen und »mehrdimensionales« Denken

      • Sehr interessiert an allem Neuen und wissbegierig sein

      • Über eine ausgeprägte Phantasie mit viel Kreativität zu verfügen

      • Sie haben einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn und dulden keine Ungerechtigkeit

      • Ihre Fähigkeit, Situationen und Menschen schnell zu durchschauen

      • Von einer Sache fasziniert, können sie konzentriert, ausdauernd und »bärenstark« arbeiten, sie »hyperfokussieren«, dann sind sie vorübergehend konzentrierter als andere, aber eben nur vorübergehend, solange die Sache für sie neu und interessant ist

      • Sie haben ein gutes visuelles Gedächtnis mit einem außergewöhnlichen bildhaften Vorstellungsvermögen

      • Bei motivierter Tätigkeit profitieren sie von ihrem flexiblen Verstand und können viele neue Ideen entwickeln, auf die andere nicht so schnell kommen

      • Sie sind sehr sozial, sofort hilfsbereit und spüren, wenn jemand in Not ist

      Diese positiven Fähigkeiten sollten Ärzte bzw. Psychologen zeitig erkennen und fördern, damit sie erhalten bleiben und als Grundlage für die aufzubauende therapeutische Beziehung dienen. Im weiteren Verlauf der Anamneseerhebung sollten folgende Fragen gestellt werden, deren inhaltliche Beantwortung wichtig für Planung und Verlauf einer späteren Therapie sind.

      Denn folgende persönliche Gegebenheiten beeinflussen den Behandlungserfolg wesentlich, wenn die Betroffenen z. B.:

      • Ihre AD(H)S-bedingten Besonderheiten kennen, sowohl positive als auch negative

      • Ein mögliches Schulversagen vermeiden und dabei ihr Selbstvertrauen einigermaßen erhalten konnten

      • Rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wurden

      • Einen kompetenten Therapeuten fanden, der ihnen zeigte, wie sie ihre Probleme lösen konnten, der sie zur Mitarbeit anleitete und dazu motivierte. Denn ohne eigene Mitarbeit ist kein dauerhafter Erfolg möglich

      • Eltern oder Partner haben, die über Geduld, Verständnis, ausreichend Kraft und Toleranz verfügen

      • Einen guten Coach haben, der ihnen bei der Bewältigung von Alltagsaufgaben hilft und ihnen Anleitung zur Einhaltung von Struktur, Regeln und Ritualen im Tagesablauf gibt

      • Über ein Selbstwertgefühl und eine soziale Kompetenz verfügen, die noch nicht so stark gelitten haben oder besser, noch altersentsprechend vorhanden sind

      • Bisher noch keine Therapieabbrüche hatten

      • Einen Beruf