73
Auch kann eine Vergütung regelmäßig nicht erwartet werden, wenn Dienste höherer Art geschuldet werden, aber nach jüngster Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch, wenn eine deutlich herausgehobene Vergütung gezahlt wird.124 Dienste höherer Art schulden leitende Angestellte und Chefärzte.125 Von einer deutlich herausgehobenen Vergütung geht das Bundesarbeitsgericht nunmehr aus, wenn das Entgelt des Arbeitnehmers die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung überschreitet. Diese Personengruppe gehört zu den Besserverdienern, die letztlich nach der Erfüllung ihrer Arbeitsaufgaben und nicht eines Stundensolls beurteilt und ein besonderes Entgelt für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Arbeit objektiv in der Regel nicht erwartet werden kann. Etwas anderes gilt hier nur bei Vorliegen besonderer Umstände, d.h. wenn sich z.B. der Arbeitgeber zur gesonderten Vergütung von Mehrarbeit ausdrücklich bereit erklärt hat.126
74
Sonstige außertarifliche Angestellte haben grundsätzlich einen Anspruch auf Überstundenvergütung von ausdrücklich oder konkludent angeordneten Überstunden oder sich aus den Umständen ergebenden Überstunden, die der Arbeitgeber kennt und duldet oder wenn er dem Arbeitnehmer eine Arbeit zuweist, die in der regelmäßigen Arbeitszeit nicht erledigt werden kann.127 Eine Ausnahme hiervon gilt nur bei der Vereinbarung wirksamer Abgeltungsklauseln im Arbeitsvertrag.
b) Abgeltungsklauseln in Arbeitsverträgen
75
In AT-Arbeitsverträgen finden sich in der Regel Vereinbarungen, wonach Überstunden mit dem vereinbarten Gehalt (pauschal) abgegolten sein sollen. Denn der AT-Status wird regelmäßig mit einem Verzicht auf tarifliche Ansprüche wie z.B. eine Überstundenvergütung und feste Arbeitszeiten verbunden.
76
Pauschale Abgeltungsklauseln sind intransparent und damit unwirksam.128 Solche Klauseln über den Ausschluss einer Überstundenvergütung wie auch dessen Gewährung unterliegen der Transparenz- und Inhaltskontrolle.129 Sie genügen dem Transparenzgebot nur dann, wenn sich aus dem Arbeitsvertrag selbst ergibt, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr erfasst werden sollen.130 Der Angestellte soll bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls „auf ihn zukommt“ und welche Arbeitsleistung er für die vereinbarte Vergütung maximal erbringen muss.131 Die gesetzliche Begrenzung des § 3 Arbeitszeitgesetz genügt hierfür nicht.132
77
Eine weitere Schranke für eine Pauschalabgeltung ergibt sich bei beidseitiger Tarifbindung dann, wenn die Vergütung des AT-Angestellten durch die Nichtzahlung von Mehrarbeitsvergütung den Mindestabstand nicht mehr wahrt.133 Wird daher die außertarifliche Vergütung bzw. der Gehaltsabstand zur Vergütung der höchsten Tarifgruppe durch Mehrarbeit faktisch unterschritten, dass er trotz AT-Stellung unter das Tarifstunden-Niveau sinkt, wird eine Klage auf gesonderte Vergütung der Mehrarbeit gem. § 612 BGB erfolgreich sein.134
78
Sieht der Arbeitsvertrag die Abgeltung einer bestimmten Anzahl von Überstunden vor, wird zu differenzieren sein. Wird die Pauschalabgeltung mit einer Verpflichtung zur Leistung von Überstanden kombiniert, unterliegt diese auch der Angemessenheitskontrolle. Der Vorbehalt des Arbeitgebers, Mehrarbeit anordnen zu dürfen berechtigt ihn, zu einem Eingriff in das Äquivalenzverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung,135 der angemessen sein muss. Grundsätzlich dürfte eine pauschale Abgeltung von bis zu 10 % der Arbeitszeit zulässig sein; die Grenze kann bei einer Beschränkung auf bestimmte Fallkonstellationen auch höher, maximal bei 25 % liegen.136 Sieht der Arbeitsvertrag hingegen keine einseitige Anordnungsbefugnis von Überstunden für den Arbeitgeber vor, dürfte nur eine Transparenzkontrolle stattfinden.137
79
Nicht einheitlich beurteilt wird auch, in welchem Umfang eine objektive Vergütungserwartung bei einer unwirksamen Pauschalabgeltungsklausel eines AT-Angestellten besteht. Das Landesarbeitsgericht Köln ging davon aus, dass eine Vergütung nur für die gesetzliche Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinausgehende Mehrarbeit zu erwarten war.138
c) Höhe der Vergütung
80
Für Über- und Mehrarbeit ist die übliche Vergütung zu zahlen (§ 612 Abs. 2 BGB).139 Die übliche Vergütung ist diejenige, die in gleichen oder ähnlichen Gewerben oder Berufen am gleichen Ort für vergleichbare Tätigkeit für Überstunden gezahlte Vergütung, wobei die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind.140 Entscheidend sind auch stets die Umstände des Einzelfalls. Maßgebend ist die Vergütung im vergleichbaren Wirtschaftsbereich.
81
Für organisierte Arbeitnehmer ist im Regelfall die tarifliche Vergütung und für die AT-Angestellten die Vergütung unter Wahrung des tariflichen Mindestabstands die übliche Vergütung. Sie bestimmt sich daher in der tariflich geforderten Differenz (prozentualer oder angemessener Abstand oder absoluter Betrag) zur höchsten Tarifgruppe.141 Ob dies auch für nicht organisierte AT-Angestellte gilt, ist im Schrifttum strittig. Nach einer Auffassung soll dies nur dann gelten, wenn es zusätzliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Arbeitgeber auch hier stets den tariflichen Maßstab anlegt.142 Die Höhe der üblichen Vergütung hat das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu treffen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Eines Rückgriffs auf eine ergänzende Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) durch Beurteilung des allgemeinen Lohnniveaus im Wirtschaftsgebiet oder gar durch einseitige Leistungsbestimmung (§§ 315, 316 BGB) bedarf es daher regelmäßig nicht.143
d) Darlegungs- und Beweislast
82
Die Darlegungs- und Beweislast für den Mehrarbeitsvergütungsanspruch liegt beim Arbeitnehmer. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Arbeitnehmer im Einzelnen darzulegen, wie viele Stunden an welchen Tagen und zu welchen Tageszeiten er über die übliche Arbeitszeit hinaus gearbeitet hat. Zudem hat er darzulegen, dass die Mehrarbeit zur Erledigung der ihm obliegenden Arbeitsaufgaben erforderlich gewesen ist.144 Hieran scheitern in der Praxis viele Klagen. Anschließend muss zunächst der Arbeitgeber dem Vortrag des Arbeitnehmers substantiiert entgegentreten.145 Auf dieser Grundlage werden die streitigen Tatsachen ermittelt und der Arbeitnehmer hat dann im Einzelnen Beweis für die geleisteten Stunden anzutreten.146
9. Mehrvergütung für höherwertige Tätigkeit
83
Neben der quantitativen Mehrarbeit deckt § 612 Abs. 1 BGB auch den Fall der qualitativen Mehrleitung ab. Ob eine solche vorliegt, hängt davon ab, ob die vorübergehende oder vertretungsweise vorgenommene Tätigkeit von der vereinbarten Tätigkeit und damit der arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede mit umfasst wird. Erbringt ein AT-Angestellter höherwertigere Leistungen als die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung, hängt eine gesonderte Vergütung davon ab, ob die Leistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten war.
84
Diese objektive Vergütungserwartung ist bei einer qualitativen Mehrleistung im Tarifbereich gegeben, wenn im betreffenden Wirtschaftszweig