Mit diesem allem halte man zusammen, was Euseb568 halb zugesteht und halb vertuscht, dass nämlich um den Anfang der Verfolgung an zwei Orten, in der kappadocischen Landschaft Melitene und in Syrien, Aufstände ausbrachen. Die Reihenfolge der Ereignisse ist bei diesem Schriftsteller nie ganz zuverlässig, allein wir sind hier auf ihn beschränkt. Er hat die Publikation des Edikts, dann den Anfang der Verfolgung in Nikomedien, und zwar im kaiserlichen Palast, erzählt und den standhaften Tod der christlichen Pagen und Kammerherrn geschildert; darauf ist von den Feuersbrünsten im Palast und den bei diesem Anlass getöteten Christen sowie von der Ausgrabung der hingerichteten Pagen die Rede; und nun heisst es weiter: »Da nicht lange hernach andere in der Gegend, die Melitene heisst, und wiederum andere in Syrien das Herrschertum an sich zu reissen suchten, so erging ein kaiserliches Gebot, dass überall die Vorsteher der Gemeinden verhaftet und gefesselt werden sollten.« Mit Recht oder Unrecht schrieb man also diesen Usurpationsversuchen einen christlichen Ursprung zu und griff deshalb auf die Bischöfe; die unmittelbaren Täter aber müssen zum Teil Soldaten gewesen sein, ohne welche in dieser Zeit keine Usurpation denkbar ist, und zwar, wenn es Christen waren, abgedankte Soldaten. Man kann nun einwenden, diese Usurpationen seien wohl erst aus der Verzweiflung wegen der bereits befohlenen Verfolgung hervorgegangen, allein mit derselben Wahrscheinlichkeit liesse sich auch behaupten, dass die Kaiser von einer Gärung unter abgedankten Soldaten bereits Kunde gehabt haben müssten. Wenn sich die Aussage Eusebs auf Zeiten und Ereignisse bezöge, die uns nur wissenschaftlich interessant und sonst gleichgültig wären, so würde die Kritik ohne Schwierigkeit zugeben, dass die Kaiser hier eine schon gerüstete politische Gegnerschaft vorfanden und bekämpften.
Endlich ist der Inhalt des Ediktes selber, soweit man ihn kennt, nicht direkt auf Vertilgung, sondern auf eine durchgehende Degradation der Christen berechnet, wodurch man sie zum Übertritt bewegen wollte. Ihre gottesdienstlichen Versammlungen sollten verboten sein, ihre Kirchen niedergerissen, ihre heiligen Schriften verbrannt werden; diejenigen, welche Ehrenstellen und Würden besässen, sollten dieselben verlieren; gegen Christen jeden Standes sollte bei gerichtlichen Untersuchungen die Folter angewandt werden dürfen; die Wohltaten des gemeinen Rechtes sollten ihnen entzogen sein, die christlichen Sklaven aber, solange sie Christen blieben, nie freigelassen werden können569. Das waren ungefähr die Vorschriften, welche den 24. Februar des Jahres 303 zunächst in Nikomedien, der damaligen Residenz des Diocletian und des Galerius, und dann im ganzen Reiche durch öffentlichen Anschlag bekanntgemacht wurden.
Schon am Tage zuvor, auf welchen das Fest der Terminalien fiel, hatte in Nikomedien selbst die Verfolgung begonnen, indem der Gardepräfekt in Begleitung von Offizieren und Beamten die grosse Kirche durch seine Prätorianer plündern und demolieren liess570.
Nach der Publikation des Ediktes fiel als erstes Opfer ein angesehener Christ, der dasselbe abriss und zerfetzte, mit dem spöttischen Bemerken, es seien wieder einmal Goten- und Sarmatensiege angeschlagen gewesen. Er wurde verbrannt. Ein solcher Trotz wäre übrigens ganz sinnlos, wenn man nicht annehmen will, dass noch in jenem kritischen Augenblicke eine geheime Hoffnung auf allgemeinen Widerstand vorhanden war.
Das Nächste, was erwähnt wird, ist die grausame Tortur und Hinrichtung mehrerer Palastbeamten und Pagen, von welchen Petrus, Dorotheus und Gorgonius mit Namen genannt werden. Euseb sagt zwar nur ganz kurz, sie hätten um ihrer Frömmigkeit willen gelitten, allein von dieser Seite hätte sich das Gesetz mit ihrer Degradation begnügt. Woher nun diese Grausamkeit gegen solche, die bisher trotz ihres bekannten Christentums von den Kaisern »wie Kinder des Hauses« waren behandelt worden? Die Kaiser glaubten offenbar einem Komplott auf der Spur zu sein.
Zwischenhinein kömmt zweimal im Palast zu Nikomedien Feuer aus. Nach Lactantius hätte Galerius es anlegen lassen, um die Schuld auf die Christen zu schieben, welche diese Missetat mit den Eunuchen des Hofes abgeredet haben sollten, und Diocletian, der sich immer so klug dünkte, hätte wirklich den wahren Sachverhalt nicht gemerkt, sondern sich sogleich einer grenzenlosen Wut gegen die Christen überlassen. Hierüber ist mit einem Tendenzschriftsteller unmöglich zu rechten; wer aber die Geschichte Diocletians studiert, wird ihm den Verstand zutrauen, vorkommendenfalls einen so plumpen Betrug zu durchblicken. Das Feuer war in demjenigen Teile des Palastes ausgebrochen, wo Diocletian selbst wohnte, Galerius aber wäre der letzte gewesen, der ihm das Haus über dem Kopf angezündet hätte. Die höchste Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass bedrohte christliche Hofleute die Schuldigen571 waren, mochte auch ihre Absicht nur etwa auf superstitiöse Einschüchterung, nicht auf Tötung des Oberkaisers gerichtet sein. Auf die ungeschickteste Weise hat Constantin, der damals in Nikomedien weilte, bei späterm feierlichem Anlass572 jedermann zu disculpieren gesucht, indem er behauptete, der Blitz habe den Palast entzündet, als ob ein Blitzstrahl nicht deutlich von jeder andern Brandursache zu unterscheiden wäre. Die beiden Herrscher waren freilich von der Schuld der Christen überzeugt, und die Kriminaluntersuchung im Palaste nahm einen sehr blutigen Gang. »Da wurden auch die mächtigsten Eunuchen getötet, die einst den Palast und den Kaiser beherrscht hatten.« Es wäre nicht zu verwundern, wenn unter dem Eindruck dieser Erbitterung jetzt erst das allgemeine Edikt in vollster Schärfe wäre gehandhabt und durch weitere Befehle ergänzt worden.
Bald darauf erfolgten die schon erwähnten christlichen Aufstände im Orient, welche das zweite Edikt, den Verhaftsbefehl gegen alle Vorsteher der Gemeinden, hervorriefen.
Vielleicht empfindet der Leser ob dieser Untersuchung einigen Widerwillen. Sollte es nicht überaus unbillig sein, aus der Verfolgung auf eine