Fjorgaar - Der rote Vogel. Dorothea Bruszies. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dorothea Bruszies
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783956690976
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sich ihrer Meinung nach niemand entziehen sollte.

      »Okay. Klingt gut«, kommentierte Ben ihre Ferienpläne lächelnd.

      »Ja, es ist wunderschön dort. Aber alleine werde ich mich bestimmt zu Tode langweilen.« Liz zögerte kurz. »Du könntest mitkommen?«

      »Wäre das deiner Tante denn recht?«

      »Die hat damit bestimmt kein Problem. Außerdem kennt sie dich ja.«

      Ben musste unwillkürlich daran denken, wie Liz’ Tante einmal versucht hatte, ihm schöne Augen zu machen. Der zwischen einem gequälten Grinsen und peinlicher Berührung schwankende Gesichtsausdruck seiner Freundin verriet, dass wohl auch ihr der Zwischenfall gerade in den Sinn gekommen war.

      »Und was ist mit Arne?«, fragte Ben.

      »Der geht doch zu seinen Eltern.«

      »Hm, stimmt ja. Aber doch nur für drei Tage?«

      Liz verschränkte energisch die Arme vor der Brust. Völlig aus dem Nichts heraus, wie es Ben vorkam, schien sie verärgert zu sein.

      »Es zwingt dich niemand dazu, mit mir nach Frankreich zu kommen!«

      »Habe ich das gesagt?«

      »Was auch immer.«

      »Liz. Komm schon. Ich werde dich da unten doch nicht alleine versauern lassen.«

      »Wer versauert wo?« Arne hatte seine Skizze fertiggestellt – kleine Ausschnitte des Kiesbodens, über den sie gerade gingen – und war nun wieder zu ihnen aufgeschlossen.

      »Liz und ich fahren für ein paar Tage nach Frankreich.«

      »Vielleicht«, fügte Liz hinzu, beschleunigte ihre Schritte und ließ die zwei jungen Männer ohne weitere Worte hinter sich zurück.

      »Was ist denn jetzt los?« Arne blickte zwischen Liz’ Rücken und Ben hin und her.

      Ben seufzte und zuckte mit den Schultern. Schon längst hatte er sich darauf eingestellt, Liz’ plötzliche Launen einfach auszusitzen. Und im häufigsten Fall beruhigte sie sich auch sehr schnell wieder.

      Die beiden jungen Männer gingen weiterhin in dieselbe Richtung wie ihre Freundin, hielten jedoch die bisherige Geschwindigkeit.

      Liz war inzwischen ein ganzes Stück vor ihnen bei einer Holzbank im Schatten einer Mauer angelangt und setzte sich. Dabei zog sie die Beine an den Körper und überkreuzte die Füße in einer Sitzposition, die Ben und Arne schon des Öfteren zu Beileidsbekundungen für ihre armen, geschundenen Gelenke verleitet hatte. Liz’ Reaktion bestand dann meistens darin, mit einem scheinbar unbeteiligten Gesichtsausdruck ihr rechtes Bein hinter den Kopf zu legen.

      Diese Foltermeisterin des eigenen Körpers wandte sich nun wieder in Richtung ihrer Freunde, die noch immer nicht bei ihr angekommen waren, und winkte ihnen zu. »Nun kommt schon. Warum auf einmal so langsam? Habt ihr einen Eimer voll Schnecken verschluckt?«

      Ben und Arne wechselten einen leidgeprüften Blick, um daraufhin schnelleren Schrittes zu Liz und der Bank zu gelangen.

      Einige Zeit saßen die drei Freunde schweigend nebeneinander, doch es war kein unangenehmes Schweigen. Ben streckte seine Beine weit von sich und ließ die Gedanken schweifen, ohne bei etwas Bestimmtem zu verweilen, und spürte eine angenehme Schläfrigkeit in sich aufsteigen.

      Die Mauer in ihrem Rücken hielt den Wind größtenteils fern, sodass die Wärme der Sonne ungestört walten konnte.

      Ben gestattete es seinen Augen, sich zu schließen.

      Die Geräusche von Arnes Bleistift, der mal sanft und dann wieder hart über Papier strich, entfernten sich, als sinke ein dämpfender Vorhang über Bens Ohren. Er driftete, schwebte in einer Welt zwischen bewusster und unbewusster Wahrnehmung, zeitlos, und für einen schemenhaften Augenblick glaubte er wieder, am Ufer des silbernen Sees aus seinen Träumen zu sein. Etwas berührte seine Wange wie eine herabfallende Feder und ein dunkler Schatten zog über ihn hinweg.

      Erschrocken riss Ben seine Augen auf. Inzwischen hatte sich der Wind etwas gedreht, spielte in den Blättern der immergrünen Sträucher neben ihm und verfing sich nun wieder in Liz’ Haar. Wenn auch sanfter als zuvor. Eine besonders freche Strähne gab dem Wind allzu übermütig nach und flog in das Gesicht der jungen Frau. Erst strich sie nur über die Backe, verirrte sich dann jedoch in Richtung Nase und rief ein lautes Niesen hervor.

      Ben räusperte sich, zwang sich wieder vollends in die Realität zurück. »Gesundheit«, sagte er und Liz grinste ihn an.

      »Danke, die habe ich.« Zum Glück schien sie Bens Aufschrecken nicht bemerkt oder zumindest nicht als seltsam eingestuft zu haben. Ansonsten hätte sie nicht davon abgelassen, ihn mit Fragen zu löchern.

      Und noch während Ben seine eigene Erleichterung wahrnahm, verbat er sich, über deren Ursprung auch nur einen weiteren Gedanken zu verlieren. Was hätte es auch gegeben, das ihn zum Grübeln hätte verleiten können?

      Auf Arnes Zeichenblock war inzwischen das Abbild einer Birke entstanden, auf deren Ästen sich kleine, zarte Wesen geschäftig bewegten. Ben konzentrierte sich darauf und musste unwillkürlich schmunzeln. Arnes Vorliebe für solche Spielereien war stark ausgeprägt und hatte schon die eine oder andere halbwahre Zeichnung hervorgebracht. Zumindest war sich Ben absolut sicher, keine nackte Frau auf dem Kopf zu beherbergen, wie ein Portrait von ihm weismachen wollte.

      Als Arne Bens Blick bemerkte, sah er von seiner Zeichnung auf. »Das sind Kobolde.«

      »Bist du sicher, dass sie es gerne sehen, wenn du sie zeichnest?«

      »Ich glaube, es gefällt ihnen. Der kleine hier wirft sich ganz schön in Pose.«

      »Ähm … ja. Kann man nichts dagegen sagen.« Tatsächlich hätte Ben einiges dagegen sagen können. Allem voran, dass er Arnes Motivwahl nicht nachvollziehen konnte. Doch da dies ohnehin bereits allgemein bekannt war, ließ er sich nur noch zu einem: »Sieht realistisch aus« hinreißen.

      Arne grinste sein schiefes Grinsen und zeichnete ungerührt weiter.

      ****

      Wenig später, zurück in Bens Wohnung, fand sich ein Thema, das Ben ebenso wenig diskutieren wollte wie … Anderes.

      Dieses Thema war Liz’ neuentdeckte Begeisterung für den Umweltschutz. Oder vielmehr für eine örtlich ansässige Umweltschutzgruppe und im Speziellen für ein gewisses männliches Mitglied jener Gruppe.

      Und auch wenn Ben den jungen Mann nur aus endlosen und grauenvoll langweiligen Erzählungen kannte, war er ihm vom ersten Wort an unsympathisch erschienen.

      Ein Pseudoaktivist, der versucht, besonders gefühlvoll zu erscheinen, indem er mit Bäumen kuschelt und arme Fröschlein über die Straße trägt.

      »Das könnte auch was für dich sein, Ben«, sagte Liz. Seit einigen Minuten balancierte sie nun schon ein und dasselbe Kuchenstück auf ihrer Gabel und führte es zwischen Mund und Teller hin und her. Sie war mehr mit Schwärmen beschäftigt denn mit Essen.

      Dies wiederrum bedeutete, dass Ben ihr schon seit einigen Minuten nicht mehr zugehört hatte. »Äh, was?«

      Liz legte ihre Gabel auf dem Teller ab und das Kuchenstück kippte unelegant zur Seite. »Hast du auch nur ein einziges meiner Worte gehört?«, fragte sie.

      »Das eine oder andere.« Ben zuckte mit den Schultern und korrigierte sich: »Nicht wirklich.«

      »Du bist schon den ganzen Tag irgendwie so seltsam.« Zielsicher steuerte Liz das Gespräch von einer Sache, über die Ben nicht sprechen wollte, zur anderen.

      »Irgendwie bin ich das so gar nicht«, stellte er klar und wurde in der Hoffnung enttäuscht, dass Liz auf seine Wortwahl reagieren könnte. Ben warf Arne einen hilfesuchenden Blick zu. Doch dieser war gerade dabei, den Kuchen mit einem Heißhunger zu verschlingen, als habe er seit Tagen keine Nahrung mehr zu sich genommen.

      Arne schob sich einen übergroßen Bissen in den Mund und hob seine linke