Als Nächstes auf der Liste stand der Fahrradanhänger seiner Mutter, den sie oft für Picknicks mitgenommen hatten. Es war die Ausführung mit zwei Rädern, die mit einer Anhängerdeichsel an der Hinterradachse befestigt wurde. Die flache Ladefläche bot genug Platz für eine große blaue, verschließbare Camping-Box. Graham entfernte den Staub, rollte den Anhänger auf der Suche nach ungewöhnlichen Geräuschen durch die Garage und ölte alle beweglichen Teile.
Er kuppelte den Anhänger an sein Fahrrad und bemerkte aus dem Augenwinkel, dass Bang mit dem Daumen im Mund in der Tür stand. »Kannst reinkommen, Kumpel«, sagte er in fröhlichem Ton und winkte dem Jungen. Graham wusste, dass sich der kleine Kerl noch nicht an ihn gewöhnt hatte und Zeit brauchen würde, um Vertrauen zu fassen.
»Bang, kannst du Fahrrad fahren?«
Bangs Gesicht leuchtete auf wie eine Wunderkerze. »Ja, kann ich. Ich habe ein Fahrrad zu Hause. Oft fahre ich mit meiner Mama. Manchmal fahren wir sogar mit dem Fahrrad zur Schule, und …« Sein kleines Gesicht fiel zusammen und erinnerte Graham an den Anblick seines eigenen Gesichts an diesem Morgen im Spiegel. Eine glückliche Erinnerung, die in einer Nanosekunde zu etwas wurde, dass einen am Boden zerstört zurückließ. Die guten Erinnerungen wurden durch den Schmerz ihrer neuen Realität ersetzt.
»Nun, das ist großartig«, sagte Graham und ignorierte die Verzweiflung, die sich deutlich auf dem kleinen Gesicht abzeichnete. Er hoffte, dass die Trauer schneller nachließ, wenn sie sich nicht darauf einließen. »Na, dann los, komm. Mal sehen, wie du das hinbekommst.« Er winkte Bang zu sich und zog die rosa Monstrosität hervor. Graham sah, wie der Junge kritisch das Fahrrad beäugte. Mit einem Blick, der töten konnte, schaltete der Junge sichtbar auf Abwehr.
»Hör zu, ich weiß, dass es rosa ist, aber es ist alles, was wir im Augenblick haben«, sagte Graham. »Wenn wir ein Rad finden, das besser zu einem Jungen passt, tauschen wir es aus.« Er lehnte das Rad in Bangs Richtung und hoffte, der Junge würde es nehmen.
Keine Reaktion.
»Bang, ich habe keine Zeit für so etwas. Wenn du das Fahrrad nimmst, suchen wir dir so schnell es geht ein besseres. Ich verspreche es.«
Dann, in einer abrupten Kehrtwendung, nickte Bang nur mit dem Kopf und packte den Lenker.
»Zum Ausprobieren musst du hier in der Garage eine Runde drehen, dann sehen wir, ob wir etwas anders einstellen müssen«, sagte Graham.
Bang sah begierig aus, Graham zu zeigen, wie gut er fahren konnte. Er sprang auf das Rad und fing an, gekonnt im Kreis durch den Raum zu zirkeln. Dann fiel Graham auf, dass Bang keinen Helm trug. Mist, den wird der Junge nie aufsetzen, dachte er mit einem Seitenblick auf den Barbie-Helm. Wahrscheinlich passt er ihm sowieso nicht, der Junge hat einen großen Schädel. Graham griff in den Schrank mit den Sportsachen und zog den Helm seiner Mutter heraus, der zum Glück olivgrün war.
»He, Bang, halt mal kurz an. Mal sehen, ob dir der hier passt«, sagte er. Als das kleine Fahrrad mit quietschenden Reifen vor ihm zum Stehen kam, erkannte Graham, dass der Junge nicht nur gut, sondern es auch sehr gerne Rad fuhr. Nachdem er den Helm so eingestellt hatte, dass er gut saß, ließ er Bang ein paar weitere Übungsrunden drehen. Der Junge kann was, dachte er. Das ist gut, zumindest, solange er nicht unvorsichtig wird.
Graham stellte noch den Sattel richtig ein und kümmerte sich dann um die weiteren Aufgaben. »Als Nächstes müssen wir packen. Wir haben nur wenig Platz, aber wir werden so viel mitnehmen wie wir können. Essen, Schlafsäcke, Munition, ein Erste-Hilfe-Set.«
Die beiden arbeiteten Seite an Seite und stopften so viel in den kleinen Anhänger, wie sie konnten. Obenauf befestigten sie mit Spanngurten die Schlafsäcke. Graham wusste, dass es noch einige andere Dinge gab, die er besser mitnehmen sollte, aber es war einfach nicht genug Platz.
Er holte das Taschenmesser seines Vaters und steckte es in die Tasche seiner Jeans. Dann fiel ihm noch ein kleineres Taschenmesser ins Auge, sein eigenes aus Kindertagen. Er gab es Bang. »Nimm es, mein Junge. Aber es ist für wichtige Dinge, nicht zum Spielen, verstehst du?«
Der Junge erwiderte seinen Blick mit einem ernsten Gesicht, nickte und steckte das Messer in seine Hosentasche. Graham hoffte, dass er Bang das Messer anvertrauen konnte, wohl wissend, dass der Junge eines Tages in einem Anflug von Langeweile seinen Daumen über die Klinge ziehen würde, mit einer dünnen, roten Schnittwunde als Ergebnis, so wie er selbst es als Kind getan hatte und sein Vater vor ihm. Der Zufall wollte es, dass Graham dem Jungen diese grausige Tradition weitergab.
Erneut kamen Erinnerungen in Graham hoch. Er atmete tief durch und zog sich ins Haus zurück. Dort sammelte er etwas Geschirr und einige Stücken Seife ein, dazu das Erste-Hilfe-Set und den Duschvorhang, damit sie sich gegen den ständigen Nieselregen schützen konnten. Das Wichtigste war im großen Kleiderschrank seines Vaters. Er öffnete den darin befindlichen Waffentresor und nahm zwei der M1 Garand und eine Ruger-Pistole an sich. Die Gewehre packte er in eine Tragetasche, und die Pistole steckte er in das Holster seines Vaters, das er sich um die Hüfte schnallte. Die Waffe zu tragen fühlte sich unbehaglich an, aber wie bei dem Gewehr würde er sich bald daran gewöhnen.
Er ging zurück in die Küche, um die Karte zu holen, auf der er und sein Vater den besten Weg aus der Stadt eingezeichnet hatten. Sein Urgroßvater hatte die Blockhütte als einfache Jagdunterkunft in den Zwanzigerjahren gebaut. Über viele Jahre diente sie als Jagdhütte im Winter und als Ferienhaus für die ganze Familie im Sommer. Jedes Jahr hatten sie mehrere Wochen dort verbracht. Jetzt, da außer ihm niemand aus der Familie mehr da war, gehörte sie Graham allein.
Beinahe bei jedem Besuch war die Blockhütte ausgebaut worden. Sein Großvater hatte einen Schlafraum mit angeschlossenem Badezimmer gebaut. Als Nächstes kamen fließendes Wasser und Strom hinzu. Im vergangenen Jahr hatten sie eine Komposttoilette im Haus installiert, eine große Verbesserung gegenüber der alten Außentoilette. Erst vor Kurzem hatten sie den alten Ofen mit einem neuen, effizienteren ersetzt, den sein Vater auf Craigslist gefunden hatte. Das schwere gusseiserne Ding hineinzuwuchten hatte für jede Menge Ächzen und Stöhnen und tagelangen Muskelkater gesorgt, aber es war die Mühe wert gewesen.
Das Gebäude, schon von Grund auf sehr stabil konstruiert, war im Laufe der Jahre immer wieder repariert und ausgebaut worden. Einmal, Graham war noch ein Teenager gewesen, hatte er geholfen, die Balken neu zu verfugen und verfaulte Bretter zu ersetzen. Ein anderes Mal hatten sein Vater und er die Dachschindeln aus Zedernholz erneuert. Graham hatte immer vermutet, dass sein Vater diese Arbeiten auch organisiert hatte, um ihn während der Sommermonate von Ärger fernzuhalten.
Es erwies sich als schlichtweg unmöglich für Graham, seinen Erinnerungen zu entkommen.
Nachdem die gesamte Ausrüstung einschließlich ihrer persönlichen Rucksäcke gepackt war, überlegte Graham, welchen Weg es zu nehmen galt, um heil durch die Stadt zu gelangen. Er hatte vor, die Route spontan zu wählen und sich nicht auf eine bestimmte Strecke festzulegen. Sicherheit war oberstes Gebot. In der alten Zeit hätte man den Highway vorbei an Seattle genommen und wäre dann in Richtung Nordosten gefahren. Aber jetzt war es sicherer, sich auf den kleinen, wenig befahrenen Nebenstraßen vorzuarbeiten.
Graham war überzeugt, dass die Fahrräder ihre beste Option waren, um den Verrückten namens Campos zu umgehen. Da er in den letzten Tagen nicht unterwegs gewesen war, hatte er keine Ahnung, mit welchen Bedingungen sie zu kämpfen haben würden. Die Raubtiere konnten ein ernstes Problem werden, soviel war klar. Graham wusste auch, dass die Highways von verlassenen Autos übersät waren. Vielleicht konnten sie eines wieder flottmachen. Das Beste war aber immer noch, sich vorsichtig und abwartend zu bewegen. Sobald