»Wir müssen ihn begraben, und danach werden wir deine Mutter beerdigen«, sagte Graham mit strenger Stimme. »Aber dazu brauche ich deine Hilfe.«
Er ließ den Arm des Jungen los, und Bang griff nach dem Laken, in das der Tote gewickelt war. Graham nahm einen tiefen Atemzug.
»In Ordnung, Dad, los gehts«, sagte er und brachte seine Arme unter den leblosen Körper, der bereits zu erstarren begann. Er ließ sich leichter heben, als erwartet. Graham hielt seinen Vater fest an seine Brust gedrückt.
»Komm«, sagte er zu dem Jungen. Vielleicht half es, ihm etwas zu tun geben, damit er beschäftigt war. Bang folgte ihm nach draußen. Im Garten hielt Graham für einen Moment inne und vergrub sein Gesicht an der Schulter seines Vaters. »Es tut mir so leid, Dad«, sagte er und wünschte, er könnte seinem Vater ein würdevolleres letztes Geleit geben.
Der spätnachmittägliche Himmel war grau und deutete darauf hin, dass noch mehr Regen zu erwarten war. Graham legte seinen Vater am Rand des Grabes ab, sprang in die Grube und sah nach oben zu Bang. Der Junge hatte sich tatsächlich beruhigt. Vielleicht, weil er etwas zu tun hatte, vielleicht, weil er benommen war von den vielen Toten. Was auch immer der Grund sein mochte, Graham war dankbar dafür.
»Okay, hilf mir, ihn hier hinein zu bekommen«, sagte Graham, während er darum rang, seine eigenen Gefühle zurückzuhalten. »Versuche, ihn ein wenig mit zu schieben.«
Graham zog seinen verstorbenen Vater zu sich heran. Der Junge half, so gut er konnte, auch wenn er wenig auszurichten vermochte. Zu schnell kam der Körper herunter, sodass es eher in einem kontrollierten Fall endete. Graham überwältigten die Tränen. Er richtete seinen Vater ordentlich im Grab aus und kletterte wieder heraus. Sobald er oben war, bemerkte er, dass der Junge weg war. Er sah sich im ganzen Garten um, aber das Kind war spurlos verschwunden.
»Scheiße!«, rief Graham, gefolgt von: »He, Bang!«
Graham rannte zur Hintertür des Hauses, mit dem Gedanken, dass Bang vielleicht zu seiner toten Mutter zurückgelaufen war. Er schaute durch die Glastür, aber es war kein Junge zu sehen. Dann hörte er einen Schrei und Hundegebell. Beides kam von der Vorderseite des Hauses.
Graham griff nach seinem Gewehr und rannte um das Haus herum, wo er Bang die Straße hinunterstürzen sah, einen Pitbull auf den Fersen. Er brüllte und rannte geradewegs auf den Hund zu, was genug war, um ihn abzulenken und die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Graham zielte und feuerte. Der Hund war sofort tot.
Graham zögerte keine Sekunde, denn der Tumult würde andere Raubtiere anlocken. Er schnappte sich Bang unter den Arm, rannte mit dem schreiend um sich tretenden Jungen zurück auf das Grundstück und schlug das Tor hinter sich zu. Dann setzte er Bang auf dem Gras ab und kniete sich vor ihn.
»Schon gut, schon gut, sei leise! Es ist vorbei. Der Hund ist tot«, sagte Graham. Er fühlte sich schuldig, dass er das Kind zwingen musste, ruhig zu sein. Graham ging zum Tor, um nach weiteren Hunden Ausschau zu halten. Für den Moment war alles ruhig.
»Du musst still sein, oder die anderen bösartigen Hunde finden uns«, sagte er und streichelte dem Jungen über den Kopf, der versuchte, sein Weinen zu unterdrücken. »Alles in Ordnung mit dir? Hat er dich gebissen?«
Bang schüttelte den Kopf. Graham nahm ein Taschentuch und trocknete ihm das Gesicht. Die Brust des kleinen Jungen bebte vor Erregung, während er versuchte, sein Schluchzen zurückzuhalten.
»Ich weiß, das alles ist furchtbar, aber du darfst nicht weglaufen. Deine Mama wollte, dass du bei mir bleibst, dass ich für dich sorge. Ich habe es ihr versprochen. Bitte, tu das nie wieder. Na komm, lass uns das zu Ende bringen.« Graham stand auf und ging zurück zu den Gräbern, das Gewehr in der Hand und den Blick auf die Straße gerichtet. Wenn sie Glück hatten, würden die Raubtiere den Hundekadaver interessanter finden als ihn oder den Jungen.
»Wir müssen leise sein hier draußen, okay?«
Langsam, mit etwas Abstand, folgte ihm der Junge.
Graham kniete sich an den Rand des Grabes, das für seinen Vater bestimmt war. Nach einem kurzen Moment der Andacht stand er auf und nahm die Schaufel in die Hand. Als Bang zu ihm lief, gab Graham ihm eine kleinere Schaufel.
»Hier, die ist für dich«, sagte er, aber der Junge fing an zu zittern und weinte wieder. »Gut«, murmelte Graham frustriert. »Dann setz dich einfach da hin.«
Widerwillig nahm er eine Schaufel voll Erde und hob sie langsam über das offene Grab. Er begann bei den Füßen seines Vaters und ließ die Erde vorsichtig hineinrieseln. Er schüttete eine weitere Schaufel Erde hinein, dann noch eine und noch eine. Aber als es an der Zeit war, das Gesicht seines Vaters zu bedecken, zögerte er. Er weinte nicht, aber tiefe Trauer durchdrang ihn.
Das Nächste, was er wahrnahm, war ein erneuter Aufschrei des Jungen und das Knurren eines Hundes dicht hinter ihnen. Graham blickte auf und sah noch zwei weitere Hunde auf sie zukommen. Er griff nach Bang und riss ihn zur Seite, während der Hund in die Jacke des Jungen biss. Er schleuderte den Jungen hinter sich an den Rand des Grabes. Bang schrie laut und versuchte, auf allen vieren vom Grab wegzukriechen. Graham schwang die Schaufel wie eine Kriegsaxt und erwischte den Kampfhund mit voller Wucht am Schädel. Dann nahm er sein Gewehr und jagte dem betäubten Tier eine Kugel in den Schädel.
»Haut ab!«, schrie er die beiden anderen an.
Mit gefletschten Zähnen und nach unten geneigtem Kopf kam der nächste Hund auf ihn zu. Der dritte versuchte, ihn zu umgehen, um sich den Jungen zu schnappen. Graham schoss dem Hund, der auf ihn zukam, direkt in die Stirn. Er war so nahe, dass Graham den feinen Nebel aus Blutspritzern auf seinem Gesicht spürte.
Der letzte Hund versuchte, Graham mit einem überraschenden Satz zuvorzukommen. Aber es war zu spät für ihn. Mit dem Gewehrkolben schlug der Mann den Hund zur Seite, was ihm gerade genug Zeit verschaffte, einen Schuss abzufeuern. Er traf den Hund an der Hüfte. Ein letztes Mal legte er das Gewehr an und zog den Abzug.
Nichts passierte. Er hatte keine Munition mehr, genau in dem Moment, in dem ein rasendes, verwundetes Biest auf ihn zukam. Er warf das Gewehr beiseite und nahm wieder die Schaufel, rutschte dabei im Schlamm aus und schlug der Länge nach hin. Der verletzte Hund verbiss sich wütend in seinem Hosenbein.
Graham schwang die Schaufel mit aller Macht. Dann war eine Art metallener Gong und ein kurzes Aufjaulen zu hören. Aber er spürte noch immer, wie der Hund an seiner Hose riss. Wieder und wieder schlug er mit der Schaufel zu, bis endlich nichts mehr zu hören war. Graham rappelte sich auf.
Bang starrte auf das tote Tier. Das Knurren hatte aufgehört, aber der Junge schrie weiter aus Leibeskräften. Er war völlig außer sich. Graham ließ die Schaufel fallen und packte ihn an den Schultern. »Du musst leise sein, oder es kommen noch mehr«, zischte er ihm ins Ohr. Er ließ den Jungen stehen und füllte das Grab seines Vaters auf, so schnell er konnte. Die ganze Zeit sah er sich hektisch um.
Die Kadaver der Hunde warf er in eine Schubkarre. Dann kniete er sich wieder neben das Grab seines Vaters. Obwohl Graham nie ein religiöser Mensch gewesen war, hoffte er, dass alle seine Lieben an einem besseren Ort waren. Es zerriss schier sein Herz, als er die aufgehäufte Erde mit seinen rauen Händen ebnete.
»Es ist so schwer, sich zu verabschieden, Dad. Ich weiß nicht, wie ich ohne dich weitermachen soll.« Dann erinnerte er sich daran, was sein Vater von ihm erwartete. Er stand auf, griff nach seinem Gewehr und brachte den schluchzenden Jungen ins Haus.
Sie mussten noch die Mutter des Jungen beerdigen, und die Abenddämmerung kam schnell. Graham wusste, dass er sich beeilen musste. Bang rannte sofort zu ihr. Das würde nicht leicht werden, soviel stand fest.
Mit einem Lappen säuberte er das Gewehr rasch vom Schlamm und lud nach. »Wir müssen sie jetzt begraben«, sagte Graham, als er fertig war.
»Nein!«, heulte der Junge.
»Wir können sie nicht hier liegenlassen.