Jetzo zuerst; erlies ihm dann, in den reiferen Jahren,
Selber, nach freier Gewalt, wie die fromme Sitt’ es erheischet,[20]
Sorgend für ihn mit Mutterhuld, die liebende Gattinn:
Denn er werd’ als Jäger berühmt, und gepriesen als Vater
Eines mächtigen Volk’s, das weithin herrscht in den Wüsten!“
Als die Stimme verscholl, da sah mit frohem Erstaunen
Hagar die rieselnde Quelle vor sich: ein Wunder der Allmacht,
Ihr zur Rettung gewährt. Sie labte sogleich den Erzeugten;
Füllete dann den Schlauch, und sie wallten fort auf des Lebens
Wechselndem Pfad, geschirmt von des Herrn allmächtiger Rechten;
Denn alljegliches wurd’ erfüllt nach den Worten des Engels.
Sieh’, jetzt naht’, ein Tag für Abraham, wo er, im Glauben
Vor dem Herrn geprüft, der Zukunft herrliches Vorbild
Weis’ in seinem Geschlecht, zur Rettung der sündigen Menschheit!
„Abraham, höre!“ so rief ihm der Herr, und mit inniger Demuth
Sprach er sogleich: „Hier bin ich; gebiethe mir nur: ich gehorche!“
„Wohl, denn,“ fuhr der Ewige fort, „so nimm den Erzeugten
Isaak, welchen du liebst, und opf’re ihn mir auf dem Altar
Von geschichtetem Holz, auf dem Berg’ in Morrias Gefilden.“[21]
Abraham stand, erschüttert im Geist’, und ihm bebten die Glieder
All’ im plötzlichen Schreck; doch bald bezwang er des Herzens
Odemberaubendes Weh’; er warf mit hehrem Vertrauen
Sich auf die Knie’, und bethete leise die Wege des Herrn an.
Jetzo, nach schlafloser Nacht, erweckt’ er am dämmernden Morgen
Isaak mit Vorsicht, daß ihn die liebende Mutter nicht höre;
Ließ auch das Saumthier schnell von zwei verschwiegenen Knechten
Satteln; es dann mit gespaltenem Holz zu dem Opfer, beladen,
Und begab mit dem Sohn’ und den beiden Knechten, verstummend,
Sich auf die Reis’ in Morrias Gefild zu dem winkenden Ziel hin.
Dort an dem Fuße des Berg’s, nach drei erschöpfenden Tagen
Angelangt, ließ er die Knechte zurück mit dem weidenden Saumthier;
Lud das gespaltene Holz auf die Schultern des Sohnes; ergriff dann
Schnell das Geräth’: in der Linken die Gluth, in der Rechten das Messer
Tragend, und stieg mit dem Sohn’ aufwärts zu den ragenden Höhen.
Immer schwieg er noch still; da begann, tiefathmend im Aufgang
Unter der Last, der fromm- und mildgesinnete Jüngling:
„Vater!“ Und er: „Ich höre, mein Sohn!“ „Wohl seh’ ich das Messer,
Sehe die Gluth,“ fuhr jener noch fort, „doch nirgend ein Opfer?“
Abraham hielt sich die Brust mit der Rechten, und sagte beklommen:
„Still, mein Sohn: das wird sich der Herr schon selber erlesen!“
Und sie erstiegen die Höh’n Morria, des heiligen Berges.
Dort errichtete nun, mit Thränen im Auge, der Vater
Einen Altar von dem Holz’, und der Sohn — errathend der Thränen
Quell’, und, lesend im Auge des Vaters des Ewigen Rathschluß,
Both nun tief, wie ein Lamm verstummend, das auf der Schlachtbank
Liegt, und ergeben dem Willen des Herrn, die Hände den Banden,
Daß er, den Opfern gleich, gebunden, lieg’ auf dem Holz dort.
Schauernd ruhten die Lüft’ umher; durch Wolken verhüllet
War das hehre Gezelt des bläulichen Himmels; die Fluren
Bebten verstummt, und feierlich schwiegen die Hain’ und die Wälder,
Als der erhabene Augenblick des Opfers genaht war.
Abraham griff nach dem Stahl’, erhob ihn... da scholl aus den Wolken
Plötzlich der herzerschütternde Laut auf Abraham nieder:
„Halte das Messer zurück. Genug ist gethan: denn bewähret
Hat sich dein Glaub’ an mich in demuthvoller Ergebung,
Weil du aus Liebe zu mir den eigenen Sohn nicht verschontest.
Dunkel liegen die Wege des Herrn vor Sterblicher Augen;
Nicht verschonet er einst des eigenen Sohnes, nur Er kann
Sühnen unendliche Schuld vor dem Richterstuhle des einen,
Wahren, unendlichen Gott’s, und erretten die sündige Menschheit.
Zahllos, wie an dem Strande des Meers gehäufet der Sand liegt,
Und an dem Himmels-Gewölb die funkelnden Sterne sich weisen,
Sollen aus dir die Enkeln blüh’n, und Großes vollbringen;
Doch in dem Einen allein ihr Heil die Völker erlangen.“
Also der Herr. Da beugte sich Abraham bethend zum Boden,
Und, ersehend im Strauch den am Horn gefangenen Widder,
Opfert’ er ihn dem Herrn auf dem erst errichteten Altar;
Faßte den Sohn an der Hand, und kehrte mit ihm in das Zelt heim.
Sara erreichte ihr Lebensziel in Arba[22], dem Städtchen
Canaans. Dort erschien jetzt Abraham, sie, auf dem Boden
Sitzend im Schmerz, zu beweinen durch sieben Tage der Trauer.
Dann begrub er die theuere Leich’ an dem Felsen des Haines
Machpela, bei Hebron, den er von dem Volk der Chetiten
Kaufte zum Eigenthum, und zum Grabe für sich und die Seinen.[23]
Doch schon fühlt’ er, gebeugt, des jahrebelasteten Alters
Schwindende Kraft stets mehr, und sann für den Sohn der Verheißung,
Isaak, die liebliche Braut, mit väterlichsorgender Weisheit
Selbst auf Jegliches achtend, zu frei’n. O seliges Bündniß,
Wenn in der Rosenzeit des blühendentfalteten Lebens,
Von dem liebenden Herzen gedrängt, der treffliche Jüngling
Sich die Hold’ erkies’t im Schmucke der Schönheit und Unschuld,
Und sie auf immer dann zu glücklicher Ehe sich einen!
Also gedacht’ er, für ihn Rebekka, die Enkelinn Nachors,
Seines Bruders, zu frei’n, in Chaldäas blühender Landschaft,
Die er als Knabe geliebt.[24] Er rief in geheim Elieser,
Seines Gehöft’s Verwalter, herbei, und sprach zu ihm also:
„Redlicher, horch: du zieh’st in den reichen Gefilden Chaldäas
Eilig