Ich bin kein Typ für One-Night-Stands. Ich habe mich schon oft gefragt, wieso das so ist. Nicht, dass ich es nie ausprobiert hätte … aber daher weiß ich eben auch, dass ich das Gefühl danach nicht mag. Selbst wenn es von vornherein klar ist, dass es eine einmalige Sache ist und darum keinerlei Erwartungshaltungen im Spiel sind, geht es mir hinterher schlecht. Das liegt nicht daran, dass ich Sex und Gefühl nicht trennen kann oder will. Ich kann schon sehr spontan Lust auf jemanden entwickeln, auch wenn ich ihn gerade erst kennen gelernt habe. Und Sex mit jemand ziemlich Fremdem ist unbestritten etwas besonders Aufregendes. Fremde Hände, die einen auf eine fremde Art anfassen, fremde Küsse, fremder Atem, fremde Haut. Das ist sexy. Absolut.
Der Punkt ist bei mir aber: Wenn ich jemanden sexy genug finde, um ihn in mein Höschen zu lassen, dann finde ich ihn meistens auch sexy genug, um ihn wiedersehen zu wollen. Es sei denn natürlich, die Nummer war vollkommen gruselig, aber das ist mir irgendwie noch nicht passiert. Wenn ich loslege, dann weil ich denjenigen wirklich gut finde. Und das ist dann auch schon der Grund. Denn wenn ich jemanden gut finde, dann kann ich gar nicht anders, als mir mehr zu wünschen als ein wenig horizontalen Tango und dann ein verlegenes »Hm ja, war nett mit dir, man sieht sich …«. Dann will ich den wiedersehen und noch mehr davon haben. Und wenn das dann nicht passiert, habe ich grundsätzlich das Gefühl, mich zu billig hergegeben zu haben. Für etwas, das gar keine Bedeutung hatte. Nur rein-raus, das war’s. Für mich ist Sex aber grundsätzlich mehr als rein-raus, mehr als mechanische Reibung primärer Geschlechtsorgane zum Zwecke der Orgasmusgewinnung. Orgasmusgewinnung kann ich auch ohne Kerl. Mit meinem neuen dänisch-amerikanischen Designerstück geht das ratz-fatz. Eine Werbepause reicht. Aber wenn da ein anderer Mensch beteiligt ist, dann ist das für mich immer auch ein wenig seelisches Nacktmachen. Der sieht, wie ich ohne Kleidung aussehe. Der fühlt, wie sich meine Haut anfühlt. Überall. Der schaut mir in die Augen, während seine Finger und andere Teile von ihm in mir drinstecken und er hört und spürt, wie sich mein Atem und mein Puls beschleunigen. Der ist dabei, wenn ich komme. Herrjeh, so etwas ist ungeheuer intim! Also, für mich. Das mal eben so zu erledigen und dann trennt man sich und sieht sich im Leben nie wieder … das hat bei mir immer einen schalen Beigeschmack gehabt. Ich bin mir immer irgendwie benutzt vorgekommen. Was blödsinnig ist, denn ich hatte es ja immer gewollt und hatte auch immer Spaß dabei und meistens auch einen Orgasmus. Woher also dieses Benutztgefühl? Ich weiß es nicht. Es fühlt sich immer an, als hätte ich im Verhältnis sehr viel mehr von mir weggegeben als ich zurückbekommen hätte.
Und weil das so ist, hat Stefan mit den Skinny Jeans von mir auch einen Korb gekriegt, auch wenn er so eine schicke verwuschelte Frisur hatte, in der ich gern mal meine Finger versenkt hätte. Naja. Man kann nicht alles haben.
Jule meinte am nächsten Tag, ich wäre selbst schuld gewesen, dass da nichts gegangen wäre. Sie hätte wirklich für jeden Geschmack etwas gehabt, aber mir sei ja nicht zu helfen. Nee, ist mir vielleicht auch nicht. Aber ihre Würstchen im Schlafrock vom Buffet, die waren lecker.
Fr. 21.09.12
Tom ist verheiratet. Gestern hat er es mir geschrieben. Also, noch. Noch ist er verheiratet. Seine Frau will die Scheidung. Warum, das hat er mir nicht gesagt. Das erzählt er mir ein anderes Mal, hat er gesagt.
Ehemänner, die in ihrer Ehe nicht glücklich sind, die von ihren Frauen vernachlässigt werden und deshalb die dringend benötigte Zuwendung woanders suchen, sind ein übles Klischee. Deshalb wollte ich eigentlich auch spontan den Mailwechsel abbrechen, als ich das las. Aber ich dachte mir, was soll’s, ich kenne ihn eigentlich gar nicht, also kann er mir nicht weh tun. Mal sehen, was er noch so an Stereotypen raushaut.
Er schrieb, er wäre nie gern treu gewesen und hätte seine Frau mehrmals betrogen. Das wird ja immer besser, schoss es mir durch den Kopf. Na gut, wieso sollte der Typ auch anders sein als andere Typen. Ob Tilo mich auch heimlich betrogen hat? Irgendwie traute ich ihm das nicht zu. Gemein, ich weiß.
Tom sagt, er wisse letztlich nicht, was ihn dazu treibt. Er sagt, er sei irgendwie immer auf der Suche nach etwas. Innerlich. Das hätte nie aufgehört. Auch wenn er nach der Heirat gehofft hatte, es würde aufhören. Er hätte aus Liebe geheiratet und Liebe wäre auch nie das Problem gewesen. Er wäre das Problem gewesen und etwas, das er nicht benennen könne. Und seine Untreue sei auch nicht der Grund, wieso seine Frau die Trennung will. Sie wisse nichts von seinen Affären. Glaubt er, dachte ich bei mir und rollte mit den Augen.
Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ok, wir schreiben uns nur und ich bin nicht sein moralischer Zeigefinger, aber ständig fremd zu gehen …
Ich habe mir schon oft Gedanken gemacht über das Thema Treue. Es ist nicht so, als hätte ich in meinen Beziehungen nie daran gedacht, untreu zu sein … ich war oft unzufrieden, gerade in sexueller Hinsicht. Ich weiß nicht, ob da vielleicht etwas nicht stimmt mit mir … zumindest in der Hinsicht konnte ich Tom gut verstehen. Dieses Gefühl, dass da irgendwie noch mehr sein müsse … auch ich habe das schon oft gehabt. Bei mir hält diese erste Lust auf den neuen Partner, dieser erste Liebesrausch, eine Weile an und dann kommt da sehr schnell Langeweile auf. Fieses Wort, aber trifft leider zu. Einer meiner Exfreunde meinte mal, ich sei frigide und mit mir stimme etwas nicht, ich solle das mal behandeln lassen. Da hatten wir bereits mehrere Monate keinen Sex gehabt, weil meine Lust auf ihn vollkommen eingeschlafen war. Und herrjeh, was hatte ich mir Vorwürfe gemacht. Fast hätte ich ihm die Mär von der frigiden Frau schon abgekauft und mich in Therapie begeben. Aber da lernte ich dann Tilo kennen und hatte plötzlich wieder Lust und alles ging von vorne los.
Aber: Wenn meine Lust auch ein ziemlich flüchtiges Geschöpf ist, so war mir doch nie ernsthaft in den Sinn gekommen, meine Männer anders »abzuarbeiten« als nacheinander. Nicht nebeneinander. Das verträgt sich einfach nicht damit, dass ich – ich erwähnte es ja bereits – schlicht und einfach zu faul zum Lügen bin. Dieser ganze Stress, unter den man sich setzt, wenn man sich Ausreden und Geschichten einfallen lässt und ständig darauf achten muss, dass sie stimmen und sich nichts widerspricht … nein, danke. Im Übrigen glaube ich, dass die Lügerei das ist, was das Fremdgehen wirklich schlimm macht. Ok, man hat dann auch Sex mit einem anderen Menschen als dem Partner. Man teilt sein Intimstes mit jemand anderem als dem, der dachte, er sei der einzige. Das wiegt sicher auch etwas. Aber wirklich verletzend sind doch vielmehr diese ganzen Lügengeschichten drum herum, oder nicht? Am Ende weiß es der halbe Bekanntenkreis und zerreißt sich entsprechend das Maul, nur man selbst erfährt es natürlich zuletzt. Man war dumm genug, zu vertrauen. Das ist es. Dumm, so fühlt man sich. Wie der letzte Idiot, der den Knall nicht gehört hat.
Also sollte man nicht fremdgehen. Und was macht man dann mit der Lust auf andere Menschen? Denn hey, mir kann keiner erzählen, dass er die nicht kennt. Nicht in der ersten Verliebtheitsphase, das ist klar, aber irgendwann schleicht sie sich wieder ein. Ich halte das nebenbei für völlig normal. Dieses Konzept der Monogamie hat in meinen Augen ein perverser Menschenfeind erfunden. Naja, ein Frauenfeind wohl eher. Denn sein wir doch mal ehrlich: Männer