AFTERTASTE - Jenseits des guten Geschmacks. Andrew Post. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Andrew Post
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958353251
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gibt es zwar nichts auszusetzen, aber du weißt schon, worauf ich hinauswill.

      Ich habe ein Mädchen kennengelernt, das ein paar Semester über mir war, und mich heillos verliebt, wie es halt oft passiert, wenn man auf dem College ist. Unheimlich toll, dieses Mädchen. Nein, falsches Wort: Frau. Sie war eine richtige Frau – klug, humorvoll mit einer Schwäche für Spaghetti-Western und Baseball. Ich dachte, mit ihr hätte ich voll ins Schwarze getroffen. Wir sind zusammengezogen und haben wie viele junge Leute, die zum ersten Mal auf eigenen Füßen stehen, die Vorzüge von Kreditkarten entdeckt. Wenn du meinen Rat dazu hören willst: Zerreiß jedes Angebot, das du in deinem Briefkasten findest. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe uns in eine finanzielle Notlage gebracht.

      Als ich die Schule schmeißen wollte, war Jane – so hieß sie – dagegen. Sie hatte ihren Abschluss schon in der Tasche und fand, dass ich es bis zum Ende durchziehen sollte.« Er hält inne. »Na ja, sei's drum, einen Berg Rechnungen bezahlen zu müssen, während man sich zum Koch ausbilden lässt, ist arg teuer, und …«

      »Was ist dann geschehen? Hast du dir Geld von irgendwelchen zwielichtigen Typen geliehen und dich von ihnen umbringen lassen?«

      Zilch lacht, weil sein Gedankenfluss nur kurz ins Stocken geraten war. »Nichts da, ich wurde von einem Minivan überfahren, kannst du dir das vorstellen? Andererseits habe ich die rote Fußgängerampel wohl vor lauter Grübeln übersehen, also stimmt es doch: Es war nicht meine Schuld, wenn du mich fragst. Man musste mich vom Asphalt kratzen.

      Bevor ich dann … die nächste Runde gedreht habe, wenn du verstehst, was ich meine, wurde ich als ›moralisch bankrott‹ abgestempelt, bekam aber, weil ich als Mensch nicht völlig gescheitert war, niemanden vergewaltigt, anderweitig belästigt oder getötet hatte – Schulterklopfer dafür, bitte –, so eine Art Strafaufschub unter der Aufsicht der Confab.«

      »Moment, wie ging es mit der Freundin weiter, die du erwähnt …«

      Er fällt ihr schnell ins Wort: »Zunächst ist mir die Arbeit für die Confab so leicht gefallen wie einem Beinlosen das Fahrradfahren. Ich habe jeden ihrer Aufträge vermasselt. Wenn ich diese oder jene Lusus naturae einfangen sollte, ist es letztlich darauf hinausgelaufen, dass ich es erst beim zweiten oder dritten Anlauf geschafft habe. Die Viecher haben mich immerzu mit verblüffender Leichtigkeit plattgemacht.

      Nach und nach habe ich begriffen, dass ich meine Fähigkeiten nutzen muss. Ich wusste kaum was vom Monsterjagen, also dachte ich: Warum setzt du nicht deine Kochkünste ein? Jedes Lebewesen muss Nahrung zu sich nehmen. Dass diese Ungeheuer, auf die ich angesetzt werde, nicht aus Fleisch und Blut bestehen, kommt selten vor, und alles aus Fleisch und Blut muss essen, richtig? Finde von Fall zu Fall heraus, was die Katzenminze ist, dann kannst du die Katze schnappen.«

      »Wie zum Beispiel?«

      »Also, Schneemenschen lieben Erdnusskrokant, eine Banshee kriegt nie genug von Rosinen, und der Chupacabra – wen wundert's? – steht total auf Ziegen, ironischerweise vor allem in Butter statt Olivenöl angebraten. Ein bisschen unnützes Wissen für dich.

      Leider bin ich so gestrickt, dass mir schnell langweilig wird. Als ich noch lebte, habe ich es nie länger als ein Jahr ausgehalten, wenn ich irgendwo gejobbt habe, sei es in einem Restaurant oder bei einem Catering-Service. Darum habe ich ein paarmal versucht, einfach abzuhauen, doch dann haben sie mich rausgeholt. Klappe zu, Affe tot. Zurück blieb nur eine Leiche, an der nichts darauf schließen ließ, dass ich je in ihr gesteckt hatte. Man könnte Satanisten dafür verantwortlich machen. Grabschändung für schwarze Rituale oder so. Keine Spuren.

      Schlussendlich habe ich eingesehen, dass ich der Verpflichtung nicht entkommen und mich deshalb ebenso gut ins Zeug legen kann, um das Beste daraus zu machen. Klar, von Zeit zu Zeit vergeige ich's immer noch und lasse mich manchmal zu einem weiteren Fluchtversuch hinreißen, einfach damit die Confab auf Zack bleibt, bemühe mich aber im Großen und Ganzen schon, so gut ich kann.« Er schmunzelt. »Davon abgesehen, was soll ich sonst machen?«

      »Schneemenschen? Banshees?« Galavance hat beide Hände aufs Lenkrad gelegt. Zilch weiß nach diesem Morgen, dass sie hoch konzentriert ist, wenn sie so fährt. Weil der Feierabendverkehr erst in ein paar Stunden anfängt, braucht er sich weniger Sorgen darum zu machen, sie könne jeden Augenblick ausrasten. Das geschieht jedoch nicht, denn sie tut sich lediglich schwer damit, das Gesagte zu verarbeiten. Zilch erinnert sich daran, wie er sich fast in die Hose gemacht hat, als man ihm mitteilte, er müsse Yetis, Monsterkraken, dreiköpfigen Hunden, Pilzmutanten, Dämonen, hautlosen Kletten und weiß der Teufel wem sonst nicht nur die Stirn bieten, sondern sie jagen. Galavance trägt es hingegen mit Fassung und nickt sogar. Auch wenn sie ihre Brauen derart zusammengezogen hat, dass sie bestimmt fast nichts mehr sehen kann, verkraftet sie es anscheinend ganz gut.

      »Warum … Genauer gesagt, aus welchem Grund …«

      Das war sie also, die große Offenbarung. Der Bruch des strengsten Verbots, das die Confab verhängt hat. Nach der Nummer jedoch, die Ovid mit Jane bei Zilch abgezogen hat, und weil er sich hinterher nicht auf das Thema einlassen wollte, können ihn seine Auftraggeber am Arsch lecken.

      »Es steht ihnen frei: Entweder töte ich sie, oder sie lassen sich fangen und dort hinbringen, wo sie kein solches Aufsehen erregen. Das ist so etwas wie Zwangsumsiedlung. Ich denke dabei immer an Herrchen und Frauchen, die ihren Wauwau mit in den Park nehmen, wo er mit vielen anderen Wauwaus spielen kann, aber das ist nur meine Theorie.«

      »Du weißt also nicht genau, was aus ihnen wird?«

      »Sag es ruhig, falls du den Witz schon kennst, aber die Confab behandelt mich wie einen Champignon: Ich werde im Dunkeln gehalten und mit Mist gefüttert.«

      »Aber die Ungeheuer … So nennt ihr die Wesen doch, nicht wahr?«

      »Lusus naturae

      »Okay, also diese Lusus-Wesen, warum dürfen die Menschen nichts über sie erfahren? Warum die Geheimnistuerei?«

      »Soweit man es mir erklärt hat – und denk daran, ich bin ein Champignon –, tauchen die Viecher wie aus dem Nichts auf. Auf sie lässt sich die Champignon-Metapher auch münzen, denn sie wissen im Grund nicht, woher sie kommen oder wie sie überhaupt entstanden sind, gar nichts. Die Confab will nicht, dass die normalen Leute von den Lusus hören, weil … na ja, als ich meinen ersten Dämonen sah, wurde ich fast bekloppt. Ehrlich, und ich habe zu Lebzeiten einige schreckliche Dinge gesehen, also kaum auszudenken, wie es sich auf breiter Ebene auswirken würde.« Er holt tief Luft. »Denk nur an deinen Großvater. Immerhin bist du hier aus der Gegend und eine Weiße, weshalb ich damit rechne, dass sich deine Angehörigen nicht großartig von meinen unterscheiden, sondern niemanden mögen, der eine andere Hautfarbe hat.«

      Galavance macht einen leicht beschämten Eindruck, nickt aber zaghaft.

      »Jetzt stell dir vor, was passiert, wenn du einen Schwarzen zum Weihnachtsessen mitbringen würdest. Oma und Opa sind gekommen, alle haben sich feingemacht und so weiter, doch du marschierst mit einem Dunkelhäutigen hinein. Gut? Jetzt kannst du dir denken, wie dein Großvater reagiert, der zwar lieb, aber ein verkappter Rassist ist. Du verstehst schon, oder? Ruf dir den Mann vor Augen, der wie jeder Mensch auf der Welt in streng geordneten Bahnen denkt, und dann den Schwarzen, so gern du ihn auch hast, als Monster mit Krallen und Insektenaugen, einem sehnigen Körper sowie einem Knochenschwanz mit Stachelspitze.«

      »Jesus«, stöhnt Galavance, die offensichtlich genau sehen kann, was Zilch ihrer Fantasie vorgibt.

      »Genau, aus dem Grund lässt die Confab nicht zu, dass irgendjemand Wind davon kriegt. Mag sein, dass es eine Handvoll verständnisvoller Menschen dort draußen gibt, die damit klarkämen, doch die Mehrheit würde sich wie Hinterwäldler verhalten, wenn so jemand in ihr Haus käme. Der erste Gedanke wäre: Wo ist die Flinte, und wie schnell kann ich sie mir greifen? Das ist insofern eine Schande, als Lusus naturae keiner Fliege was zuleide tun wollen. Sie begreifen nicht, was sie hier verloren haben, und wollen einfach nur in Ruhe gelassen werden.«

      »Das ist mir sogar wirklich mal passiert«, erwidert Galavance.

      »Welcher