Vorhang zu!. André Storm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: André Storm
Издательство: Bookwire
Серия: Ben Pruss
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954415298
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Frau der Marke »Ich bin Germanistikstudentin, und das ist nur mein Nebenjob« Ben warmherzig lächelnd an.

      »Guten Abend«, sagte Ben. »Für mich sollen zwei Karten hinterlegt sein. Ben Pruss.« Die Dame nickte, ohne ihren Gesichtsausdruck zu variieren, tippte klackernd in die Tastatur und blickte in den Monitor. Sekunden später setzte sich ein Drucker neben dem Bildschirm sirrend in Bewegung. Routiniert riss sie die Karten an der Perforation ab und überreichte sie Ben. »Tisch 12. Mit den besten Grüßen von Herrn Möller. Sie möchten bitte in sein Büro kommen. Die Tür hier links, dann den Gang durch und die vorletzte Tür rechts.«

      »Vielen Dank«, sagte Ben und drehte sich zu Kai um. »Und du setzt dich so lange an die Bar. Übertreib es nicht. Der Abend ist noch lang, und ich will hier keinen schlechten Eindruck hinterlassen!« Er bemühte sich, streng auszusehen und eindringlich zu klingen.

      »Geht klar, Chef!« Kai hob zwei Finger an die Stirn zu einem unbeholfenen militärischen Gruß, drehte sich um und schlurfte in Richtung Bar. Ben bemerkte seinen betont vorsichtigen und achtsamen Gang, doch noch schwankte er nicht.

      Pedro Möllers Büro war ein dunkler Raum mit wenigen Büromöbeln, die in den siebziger Jahren als schick durchgegangen wären, heutzutage aber an eine muffige Amtsstube erinnerten. Kalter Zigarettenrauch hing in der Luft, und Ben hätte liebend gern ein Fenster geöffnet, um frische Luft hereinzulassen. Leider gab es in diesem Raum nur eines, das in den Saal zeigte. Von hier aus konnte Pedro Möller jederzeit die Show verfolgen.

      Er begrüßte ihn mit den Worten: »Ah, Herr Pruss. Sehr gut! Sie hätten Ihre Begleiterin gerne mit reinbringen dürfen.«

      »Äh, Begleiter«, antwortete Ben. »Ich habe meinen Assistenten mitgebracht. Herrn Siebert. Den kennen Sie ja. Der von heute Nachmittag.«

      »Richtig, klar!« Er zwinkerte Ben wissend zu. »Übrigens, wir duzen uns hier alle. Sie haben doch nichts dagegen?« Strahlend hielt er Ben seine ausgestreckte Hand entgegen.

      »Nein, gerne. Ich heiße Ben«, sagte Ben, der Duzen in Ordnung fand, sich in diesem Augenblick jedoch unbehaglich fühlte.

      »Pedro. Auf den Kuss verzichten wir aber!« Er kicherte heiser, dann schlugen sie quer über die Tischplatte hinweg ein. Er nahm einen Schlüssel vom Schreibtisch und warf ihn Ben zu, der ihn aus purer Überraschung auf den Boden fallen ließ, ohne auch nur im Ansatz seine Hände gehoben zu haben. »Na, tolle Reaktionen hast du ja nicht gerade«, sagte Pedro Möller mit einem gehässigen Lachen.

      Ben wunderte sich. Durch das Du schien er für Pedro Möller gleich zu einer Art Kumpel geworden zu sein. So ging es eben zu im Ruhrgebiet. Pedro setzte sich auf seinen ledernen Chefsessel und erklärte Ben, welche Türen der Schlüssel öffnen konnte. Der Künstlereingang hinterm Haus, alle Gemeinschaftsräume inklusive Saal und Keller gehörten dazu. Ausschließlich die Künstlergarderoben und Pedro Möllers Büro besaßen separate Schließvorrichtungen. »Der Schlüssel passt auch zu dem Raum, in dem du dich einrichten kannst, der ist im Gang auf der anderen Seite. Die Künstler bekommen immer zwei Schlüssel für ihre Garderobe. Dafür gibt es natürlich auch Universalschlüssel. Einen hat der Techniker, einer liegt hier bei mir im Safe. Mir wäre es lieb, wenn wir die Garderoben erst mal außen vor lassen könnten?«

      Ben nickte. Er hatte nicht vor, in einem Privatraum rumzuschnüffeln. Sein Mund wurde trocken, als ihm einfiel, dass dies durchaus zum Tätigkeitsprofil eines privaten Ermittlers gehörte.

      »Ach ja«, erklärte Pedro weiter: »Die Künstlerwohnungen haben natürlich auch eigene Schlüssel. Die sind auf jeden Fall tabu, es sei denn, es gibt einen ganz konkreten Verdacht gegen jemanden aus dem Ensemble, was ich allerdings bezweifle.«

      »Künstlerwohnungen?« Davon hatte Ben noch nie gehört.

      »Ja. Hinten in der Jakobistraße, vier Wohnungen in der Hausnummer 32. Das ist billiger, als die Künstler immer in ein Hotel einzubuchen. Es wohnen nicht alle da. Unser Moderator wohnt hier in der Nähe mit seiner Familie, und Elmar Neuenburg, der Jongleur, wohnt bei Freunden.«

      »Elmar? Hört sich nicht sehr nach Showbusiness an.«

      »Er nennt sich Giulio Elmo. Hat ein bisschen was von ’nem Italiener, kommt aber eigentlich aus dem Osten … Erzgebirge glaube ich. Ach, und noch was.« Er rollte in seinem Bürostuhl zum Drucker, der etwas abseits auf einem Sideboard stand, holte einige Blätter aus dem Papierschacht und hielt sie Ben hin. »Eine Liste aller Mitarbeiter. Künstler, Techniker, Küchenpersonal, Servicekräfte, Platzanweiser und Putzfrauen. Ach ja, einen Mann fürs Klo haben wir auch noch. Insgesamt fast dreißig Leute.«

      Dreißig Leute, dachte Ben mit Schrecken. Das Gefühl, einen dummen Fehler begangen zu haben, stieg erneut in ihm hoch. Er hatte keinen blassen Schimmer, was er machen sollte. Suchte man erst das Motiv oder erst einen Verdächtigen? Und welche der Varianten stellte man wie an?

      Pedro Möller bemerkte Bens nachdenkliche Miene und deutete sie prompt falsch. »Na? Schon voll drin im Fall, was?«, sagte er mit einem grunzenden Lacher.

      »Ja … immer. Voll drin!«

      »Ey, Kai, jetzt reicht’s aber!« Mit einer wütenden Geste nahm Ben seinem Freund, der an einem Barhocker in einer Ecke der Bar saß, ein halbvolles Glas aus der Hand. Er roch dran. Wodka Energy in einer Ich-will-schnellbesoffen-werden-Mischung. »Mann! Du kannst dich hier doch nicht volllaufen lassen.« Er stellte das Glas außer Reichweite von Kai auf die Theke.

      »Alter, bleib locker. Ich hab alles im Griff!« Die Worte kamen nicht mehr ganz flüssig über Kais Lippen. Er sah Ben milde lächelnd an. Ben kannte diesen Gesichtsausdruck. Er war in der Lage, ihn ebenso leicht zu deuten wie einen Stempelabdruck auf Kais Stirn mit dem Wort besoffen.

      »Schluss mit der Sauferei! Ich gehe eben zum Auto und bringe die Sachen weg.« Er hob die zusammengerollten Papiere in seiner Hand kurz an. »Und du wartest hier auf mich, gleich ist Einlass.«

      »Warte, ich komm mit. Wenn ich hier alleine bleibe, bestelle ich mir noch einen.« Kai rappelte sich hoch, sortierte mit ausgedehnten Gesten seine Kleidung und kontrollierte den Sitz der Bierflasche in der hinteren Hosentasche. »Hast’n Schlüssel gekriegt?«

      »Ja, hab ich hier.«

      »Dann lass doch durch die Hintertür gehen. Is kürzer.«

      Ben hielt diesen Vorschlag für gut, schließlich gehörte er ab sofort offiziell zum Team, selbst wenn er noch nicht mit seinen Kollegen bekannt gemacht worden war. Im Foyer überlegte er, welcher der richtige Weg sein mochte. Eine breite Treppe neben dem Ticketstand führte durch einen düsteren Gang mit roten Samtwänden zu den seitlichen Zugängen des Saals. Ben entschied, es dort zu versuchen. Obwohl sich das Foyer bereits mit Menschen in feinster Abendgarderobe füllte, war der Gang menschenleer. Die letzte Tür trug die Aufschrift Privat. Sie war nicht verschlossen und führte in einen weiteren langen und unbeleuchteten Gang. Nur das spärliche Licht, das durch die halbgeöffnete Tür fiel, ließ Ben erkennen, dass mehrere Türen nach rechts abzweigten und nur eine nach links. Ohne hinzusehen, patschte Kai mit der Hand an der Wand neben dem Türrahmen herum und fand den Lichtschalter. Acht Türen zählte Ben. Das mussten die Garderoben sein, dachte er und bemerkte ein etwa fünfzig Zentimeter hohes, knapp drei Meter langes Fenster in der linken Wand, welche hier nicht, wie in den öffentlichen Räumen, mit rotem Samt beklebt, sondern lediglich rot getüncht und mit zahlreichen Macken und Kratzern übersät war. Ben und Kai gingen einige Schritte in den Gang hinein und schauten durch das Fenster. Die Tür fiel hinter ihnen mit einem leisen Klacken ins Schloss. Genau wie durch das Fenster in Pedro Möllers Büro, konnte man von hier ins Innere des Vorführsaals sehen. Im kalten Licht der Arbeitsbeleuchtung, die noch kein bisschen Theaterstimmung aufkommen ließ, erkannte Ben einen Mann in schwarzem T-Shirt und schwarzer Hose, der auf einer Leiter balancierte und an einem Scheinwerfer werkelte. Kai lehnte sich mit der Stirn ans Fenster und hinterließ einen schmierigen Fleck.

      »Lass das! Du kannst hier doch nicht alles vollsauen.« Ben zog ihn unsanft zur Seite.

      »Der Typ hat mich angeguckt und voll nich gesehen. Das ist bestimmt so ’n Fenster, wo man von der anderen Seite nich durchgucken kann.« Kai gluckste und versuchte