Vorhang zu!. André Storm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: André Storm
Издательство: Bookwire
Серия: Ben Pruss
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954415298
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und klatsche frenetisch am Ende der Darbietung, die die Pause einläutete.

      »Hunde sind so cool! Ich gehe mal pinkeln«, sagte er mit einer leichten Klatschbewegung, die kein Geräusch mehr verursachte, sondern eher von einer alkoholgeschwängerten Selbstvergessenheit und nachdrücklicher Begeisterung herrührte. »Also bis jetzt war ja nur diese Schlangentrulla da, die ich mal gerne massieren würde.« Er gluckste. »Bestimmt steht als Erstes diese Hundefrau bei dir auf der Matte und will eine beidseitige Ganzkörpermassage.« Bens Magen zog sich unwillkürlich zusammen. Egal, wer von den gesehen Künstlern bei ihm zur Massage auftauchen würde – er wollte keinen davon durchkneten. Er konnte sogar klipp und klar behaupten, das Letzte, was er jemals tun wollte, wäre, einen davon durchzukneten. Er war definitiv kein Masseur und wollte absolut auch nicht so tun, einer zu sein. Was hatte er sich nur dabei gedacht? Lächerlich!

      Kai seinerseits hatte insgesamt drei Biere während des ersten Teils der Show geschafft und jetzt war er wieder vollumfänglich betrunken. Seine Haltung konnte problemlos mit »deutlich schwankend« bezeichnet werden, als er umständlich von seinem Sessel aufstand und in den sanft beleuchteten Gang trat.

      »Ich komm mit.« Ben musste eigentlich nicht, aber er wollte Kai in seinem Zustand lieber nicht alleine unter die Menschheit lassen. »Mann, du bist ja komplett knülle«, sagte er, als Kai vor die noch besetzten Stühle des Nachbartisches rempelte und ihn ein junges Paar kritisch und leicht empört taxierte. »Denk dran, dass wir gleich noch diese After-Show Party haben.«

      »Kein Problem, Alter, bleib locker! Und außerdem …« Er holte tief und seufzend Luft. »Außerdem … hat mich heute meine Frau verlassen. Da kann ich mir das ja wohl mal ein bisschen schönsaufen, oder.« Er schwankte ein Stück vor Ben her, hielt plötzlich inne und lallte: »Wird aber gar nicht schöner …«

      Der zweite Teil der Show startete mit einer Nummer von Frank Pracht, in der er das Smartphone eines Gastes in einen durchsichtigen Haushaltsmixer steckte und es zum Vergnügen der Zuschauer »pürierte«, bis nur noch graues Pulver übrigblieb. Deutlich hörte man die Schadenfreude aus den Lachern heraus, denn der Handybesitzer schaute etwas konsterniert drein. Mit einem maliziösen Lächeln saugte Frank Pracht das Pulver mit einem Handstaubsauger auf, öffnete das Gerät und ließ den Zuschauer sein Handy aus dem Staubbeutel nehmen. Applaus!

      »Mit Sicherheit eingeweiht, der Zuschauer«, mutmaßte Kai knapp. Ben, der es besser wusste, sagte nichts.

      Danach folgten die Einradnummer von Franjo Hirsch, bei der zu Bens Freude der Sattel dranblieb, und eine weitere Einlage von Frank Pracht, bei der er unzählige Bettgestelle und Matratzen aus einem einzigen Umzugskarton produzierte, bis die ganze Bühne mit Betten vollgestellt war.

      Den Abschluss bildete eine atemberaubende Trapeznummer von Corina und Raves Pitu, die dem Publikum einige »Ohs« und »Ahs« entlockte.

      Beim anschließenden Finale rief Frank Pracht alle Künstler unter großem Beifall auf die Bühne. Bei den letzten beiden, Corina und Raves, hielt es das Publikum nicht mehr in den Sitzen. Mit begeisterten Standing Ovations und lautem Johlen schickten sie die Künstler in den wohlverdienten Feierabend.

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      Lily Polley schwitzte, obwohl sie in ihrer spärlichen Auftrittskleidung eher nackt als angezogen war. Sie wartete am linken Bühnenrand hinter dem Samtvorhang, bis ihre Kollegen in den Garderoben verschwunden waren. Erst als es Backstage still war, ging sie zu dem tragbaren Terrarium und legte die Netzpython, die sie für den Schlussapplaus um den Hals getragen hatte, behutsam hinein, griff unter das weiße Tuch auf dem Boden und entnahm ihm ein kleines Blechdöschen, das dort versteckt lag. Dann schloss sie den schweren, gläsernen Deckel, der hörbar an vier Stellen einrastete. Routinemäßig kontrollierte sie ebenfalls die beiden Transportboxen mit den Klapperschlangen und der Kobra. Seitdem sie regelmäßig Kokain nahm, gab sie sich Mühe, doppelt vorsichtig zu sein. Sie wusste, dass man ihr bei dem kleinsten Vorfall die Schlangen abnehmen würde, und sie traute sich selbst nicht über den Weg, wenn sie high war. Ihren Künstlerkollegen und Pedro Möller hatte sie erzählt, dass sie sich nach der Show in der düsteren Backstage-Atmosphäre in aller Ruhe ihren Schlangen widmen wolle – und es gab eine Zeit, in der das tatsächlich der Fall gewesen war. Nunmehr benötigte sie diesen privaten Moment, um auf der gläsernen Oberfläche eines der Terrarien zwei Linien Koks zu ziehen und sie sich durch einen abgeschnittenen Strohhalm in die Nase zu pfeifen.

      Schlagartig ging es ihr besser. Das Schwitzen ließ nach. Sie erlaubte es sich erst nach der Show zu schnupfen, vorher war das ein Tabu. Zu groß war ihre Sorge, dass einer ihrer Kollegen etwas mitbekommen könnte. Kokain galt in Künstlerkreisen durchaus als gesellschaftsfähig, doch wäre der Aufschrei sicher groß bei einer Frau, die drei extrem giftige Schlangen beaufsichtigte und eine weitere, die in der Lage war, ein junges Reh mit Haut, Haaren und Geweih zu verspeisen.

      Sie setzte sich entspannt, mit sanft geschlossenen Augen auf das Terrarium der Klapperschlangen. Für einen Moment verharrte sie so bewegungslos wie die beiden gelangweilten Schlangen hinter der dicken Glasscheibe. Sie atmete nicht. Sanfte Lichtblitze erschienen vor ihr in der Schwärze, und kein Laut drang an ihr Ohr. Sie war im Reinen mit sich und der Welt. Ihre hübschen Lippen zeigten ein zartes Lächeln, und ihre Atmung setzte wieder ein. Flach. Gleichmäßig. Ihr war klar, dass es nicht immer so weitergehen konnte. Bald brauchte sie den Stoff schon vor der Show. Hinzu kam, dass der Scheiß verdammt teuer war und ihr Körper nicht ewig die Zeichen wegstecken würde. Verdammtes Gift. Schon war die Reinheit des Momentes wieder verflogen.

      Sie schniefte als sie sich von der Kiste erhob. Die laufende Nase nach dem Kick war ihr zur Gewohnheit geworden. Die Kobra, die bis jetzt bewegungslos verharrt hatte, schien die Unruhe zu bemerken und richtete sich sanft auf. Sie wirkte interessiert, nicht angriffslustig. »Entspann dich, Leika«, sagte Lily Polley, hob das Terrarium mit einem leisen Ächzen hoch und stellte es auf einem Rollwagen ab, der an der hinteren, schwarz getünchten Mauer stand. Mit den zwei weiteren Transportboxen verfuhr sie ebenso, dann musste sie die Schlangen nur noch in das große Terrarium in den Keller hinunterbringen. Heute gab es leider keinen Feierabend. Heute stand ihr noch der Ensembleabend bevor, und dort musste sie sich blicken lassen. Das gehörte zum Spiel, das man hier spielte. Wenn sie als Letzte kam, hatten ohnehin alle schon einen intus, und keiner würde merken, dass sie high war. Verdammt, warum auch? Schließlich fühlte sie sich jetzt normaler als vorher.

      Sie trug jedes einzelne Terrarium nach unten vor die Kellertür und ging dann noch einmal zurück, um ihren Schlüsselbund zu holen. Für die erste Tür, die in einen schmalen, mit drei nackten Glühbirnen beleuchteten Kellergang mündete, reichte der Hauptschlüssel. Sie stutzte. Ihre koksgeschärften Sinne zeigten ihr, dass etwas nicht stimmte. Ihr Blick fiel auf den Schlüsselbund in ihrer Hand. Der Garderobenschlüssel fehlte. Merkwürdig. Sie hatte ihn garantiert nicht entfernt. Warum auch? Vielleicht saß Frank endlich mal nackt auf ihrer Couch und wartete auf sie. Sie grinste müde und dachte nicht weiter darüber nach. So geschärft die Sinne nach dem Koks auch sein mochten, sie ließen sich verdammt leicht ablenken. Sie stand vor der Tür, hinter der sich das große Terrarium befand. Hierfür gab es nur zwei Schlüssel. Einen hatte sie, den anderen Pedro Möller. Dieser gegenüber lag noch eine weitere Tür, hinter der sie gedämpfte Musik und Stimmengewirr ausmachen konnte. Dort war der sogenannte Lichtsaal. Ein im Stile des Varietés eingerichteter Saal mit Bar, Tanzfläche und moderner Ton- und Lichttechnik. Heute fand dort der Ensembleabend statt, und wie es sich anhörte, waren dort schon einige ihrer Kollegen versammelt. Um selbst in den Saal zu kommen, musste sie gleich den längeren Weg durch das Foyer nehmen, denn die gottverdammte Tür hatte von dieser Seite keine Klinke. Sie hörte gedämpftes Lachen.

      Nur eine halbe Stunde später sollte niemand mehr lachen – und die Party zu Ende sein.

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      »Mann Kai, steh gerade!«, motzte Ben. »Da kommt mein Klient.« Ben schaute den Bruchteil einer Sekunde mit strenger Mine in Kais Richtung, um dann wieder zur Tür zu blicken, durch die Pedro Möller gerade hereinkam und ihn anlächelte.

      Kai und Ben waren neben einigen Servicekräften und einem