Vorhang zu!. André Storm. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: André Storm
Издательство: Bookwire
Серия: Ben Pruss
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783954415298
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Er schaute Ben empört an, der sein Verständnis zeigte, indem er einfach denselben Gesichtsausdruck annahm.

      »Was wurde denn an der Wasserversorgung manipuliert? Technische Ermüdungserscheinungen scheiden definitiv aus?« Ben freute sich, dass ihm dieses tolle Wort eingefallen war. Das machte was her.

      »Ganz ohne Zweifel. Jemand muss irgendwann in der Nacht eingedrungen sein und hat jeden Wasserhahn in den Gästetoiletten aufgedreht und die Abflüsse verstopft. Damen- und Herrentoilette zusammengenommen sind das zehn Wasserhähne, die stundenlang aufgedreht waren.«

      »Wer hat alles einen Schlüssel für das Varieté? Ich denke, es gab keine Einbruchspuren, richtig?«

      »Stimmt. Der Täter muss einen Schlüssel gehabt haben. Davon gibt es natürlich einige. Ich, meine Sekretärin, zwei der Techniker, das ganze Ensemble, der Choreograf, der Regisseur, die drei Putzfrauen, und wer weiß, wer sonst noch alles.«

      »Könnten Sie mir eine Liste davon zukommen lassen?« Wow, Ben fühlte, wie er in Fahrt kam. Zumindest hier, gemütlich im gepolsterten Bürostuhl, fing die Sache an, ihm Spaß zu machen.

      »Natürlich. Ich lasse das meine Sekretärin gleich morgen früh erledigen.« Er deutete zuerst auf Ben, dann auf sich. »Wenn wir uns einig werden. Ich hätte ja zumindest gedacht, dass die Polizei so eine Liste auch fordert, aber nichts. Als ich nachfragte, sagte der Kripotyp, dass es da zu viele Möglichkeiten gäbe, und sie sich deshalb nicht drum kümmern könnten.«

      »Wie hieß der denn?«

      »Das war ein Herr Schnieders. Kriminalinspektion 4.«

      »Ach klar, der Schnieders …« Ben zog die Stirn kraus und lächelte wissend. Er fand, es könne nicht schaden, Pedro Möller das Gefühl zu vermitteln, er würde den Herrn Schnieders von der Polizei kennen, was selbstverständlich nicht der Fall war.

      »Ach, Sie kennen den? … Ja, klar … Flitzpiepe!« Pedro Möller stieß ein krächzendes, kurzes Lachen aus. Er wirkte beeindruckt.

      Volltreffer!

      »Sie haben erwähnt, Herr Möller, dass es vorher schon Fälle von Sabotage gab. Was war das?« Ben verspürte den ungeheuren Drang, seine Beine auf die Tischplatte zu legen und sich eine Zigarre anzuzünden, doch er beherrschte sich – außerdem hatte er keine Zigarre im Haus.

      »Genau. Zwei weitere Vorfälle gab es, die aber weitaus weniger ins Gewicht fielen. Die haben wir mehr oder weniger abgehakt. Einmal waren alle Kabel aus unseren drei Kassencomputern verschwunden. Monitorkabel, Netzkabel alle weg. Da konnten wir uns relativ schnell helfen, weil wir die Praktikantin nach nebenan in den Elektroladen zum Einkaufen geschickt haben. Eine Woche später waren dann die Schlösser der Eingangstüren mit Sekundenkleber verklebt. Das hat unser Techniker auch schnell wieder im Griff gehabt.«

      »Mmmmh, mmmmh«, murmelte Ben nachdenklich, nickte und stellte fest, dass er die Augen zu schmalen Schlitzen geschlossen hatte. »Können Sie sich vorstellen, was für ein Motiv hinter der ganzen Sache steckt?«

      Pedro Möller runzelte die Stirn und dachte nach: »Tja, da will wohl ein Mitarbeiter dem Varieté was Schlechtes.«

      »Haben Sie da jemand bestimmtes im Blick?«

      »Absolut nicht. Ich bin mir nur sicher, dass es keiner von den Künstlern und aus der Technik ist. Wir kennen uns seit Jahren.«

      »Also eher jemand aus dem Service?«

      »Kommt mir eher schlüssig vor. In dem Bereich gibt es auch eine höhere Fluktuation«, antwortete Pedro Möller mit einem Schulterzucken.

      »Vielleicht wurde der von einem Mitbewerber angeheuert?«

      »Unwahrscheinlich. Hier in der Stadt gibt es noch ein Varieté, das einer Kette angeschlossen ist und nicht privat betrieben wird. Bei denen fallen die Kosten viel geringer aus, weil die ihre Künstler für zwei Jahre buchen und in die verschiedenen Städte schicken. Außerdem sitzen wir in einer so großen Stadt, die problemlos zwei Varietés verträgt.«

      »Dann eher was gegen Sie als Arbeitgeber?«

      »Das habe ich mir auch schon überlegt. Klar, man macht sich nicht immer nur Freunde bei den Mitarbeitern. Allerdings kenne ich niemanden, der mir da feindlich gesinnt sein würde und dem ich so dermaßen auf die Füße getreten hätte, dass er so weit geht.«

      »Okay.« Das gute alte, flaue Gefühl kehrte in Bens Magen zurück, und er überlegte, ob er die Sache nicht doch an dieser Stelle abbrechen sollte. Sein Blick fiel auf den Kalender, auf dem der 18. August rot eingerahmt war, und er erinnerte sich an seine Mietschulden. Dann sagte er: »Wie stellen Sie sich meinen Einsatz vor? Wenn jemand aus Ihrem Umfeld dahintersteckt, dann wird er vorsichtig werden, sobald ein Detektiv die Bühne betritt.« Er musste selbst über sein kleines Wortspiel lachen, doch Pedro Möller, der keine Miene verzog, schien den Witz nicht zu bemerken. Ben räusperte sich und fuhr fort: »Sie könnten mich als Zauberkünstler engagieren, der vor der Show die Gäste im Foyer unterhält.«

      Pedro Möller wiegte den Kopf hin und her und verzog skeptisch den Mund. »Halte ich mitten in der Spielzeit für keine gute Idee. Mit welcher Begründung sollte ich das den Kollegen erklären? Wir sind jeden Tag ausverkauft, trotzdem bleibt von den Einnahmen nicht sonderlich viel übrig. Außerdem müssten Sie ja immer nur kurz vor den Shows vor Ort sein.« Dann setzte er ein breites Lächeln auf. »Aber ich hab da schon eine andere Idee für Sie.«

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      »Als Masseur?«, fragte Ben entgeistert und hoffte inständig, sich verhört zu haben. Vielleicht hatte Pedro Möller ja doch Regisseur gesagt, oder wenigstens Chauffeur? Hautsache irgendein anderes Wort mit eur am Ende.

      »Genau! Dann wären Sie immer mittendrin im Spektakel. Wir hatten vor zwei, drei Jahren einen Choreographen im Team, der gleichzeitig Physiotherapeut war. Der hat sich gut um die Wehwehchen der Künstler gekümmert. Irgendwas haben die ja immer, bei zwei Shows am Tag.«

      »Sie sagen es, Herr Möller. Um die Wehwehchen der Künstler. Mein Hauptaugenmerk soll aber doch auf den Mitarbeitern rundherum liegen?«

      »Sehen Sie«, sagte Pedro Möller beifallheischend. »Und genau darin liegt die Stärke meines Plans. Sie bieten Ihre Dienste natürlich allen Mitarbeitern an. Gehen schön Klinkenputzen bei den Kollegen und stellen sich überall vor. So kommen Sie richtig schön mit jedem ins Gespräch. Da wird garantiert keiner misstrauisch.«

      Ben spürte, wie er misstrauisch wurde. »Und was wäre, wenn Sie mich einfach auch im Service einsetzen? Kasse oder so? Oder an der Bar«, versuchte er einen Kompromissvorschlag.

      »Schlecht. Ganz schlecht.« Pedro Möller schüttelte den Kopf. »Da müssen Sie ja richtig arbeiten. Und ins Gespräch kommen Sie mit den Leuten auch nicht. Das würde viel zu lange dauern … Lange Rede. Ich mache die Stelle einfach wieder frei für Sie. Sie bekommen einen Raum im Garderobenbereich und können von da aus schalten und walten, wie Sie wollen. Die alte Massageliege habe ich auch noch irgendwo in den Katakomben rumstehen. So machen wir’s und nicht anders.«

      Ben nickte und zog in einer Was-soll-man-machen-Geste die Schultern nach oben. Pedro Möllers Argumente waren schlüssig. Als Masseur hatte er wirklich einen guten Grund, jeden Mitarbeiter einzeln anzusprechen, und es würde auch kein Misstrauen erregen, wenn er zu allen möglichen Tageszeiten vor Ort war. Merkwürdigerweise fühlte er sich gleichzeitig erleichtert und aufgeregt. Erleichtert über die Tatsache, dass er nicht vor 400 Zuschauern auf einer großen Bühne zaubern musste. Und aufgeregt darüber, dass er kurz davor war, einen Job anzunehmen, von dem er überhaupt (aber überhaupt!) keinen blassen Schimmer hatte. Und das auch noch als verdeckter Ermittler, der seines Zeichens wiederum einen Job hatte, von dem er überhaupt (aber überhaupt!) keinen blassen Schimmer hatte.

      »Kennen Sie den?«, wollte Pedro Möller wissen.

      »Was? Wen?« Ben schwirrte der Kopf, und er meinte, ein leises Piepsen im Ohr zu vernehmen.

      »Frank Pracht. Unseren Zauberer.«