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Автор: Markus Kompa
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783864896224
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kompromittiert, wenn man nicht die Distanz hält. Wenn ich Ihr heutiges intimes Gespräch mit Bogk richtig deute, kann ich mir vorstellen, was er von Ihnen wollte.«

      »Wollten wir den Wahlkampf nicht außen vor lassen?«

      »Natürlich, verzeihen Sie einem alten, vergesslichen Mann. Allerdings gibt es eine Sache, die mich bei diesem Wahlkampf doch ein bisschen umtreibt. Der BND war bislang über neue Parteigründungen stets ausgesprochen gut informiert. Diese ganzen Neugründungen waren ja überwiegend im rechten Spektrum angesiedelt. Sie wissen sicher, dass schon BND-Gründer General Gehlen mit Gestalten aus der NPD, dann der DVU und den Vorturnern der späteren Republikaner gut befreundet war. Der BND wusste immer schon lange vorher, was läuft, auch wenn die Beobachtung von Parteien im Inland offiziell nicht unserem Auftrag entspricht. Aber dass diese AEP gegründet wurde und dann so atemberaubend schnell durchgestartet ist, das hat uns schon überrascht.«

      »Tja, wir beobachten sie noch nicht, jedenfalls nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln. Aber ich gebe Ihnen recht. Die Partei ist irgendwie anders, auch wenn sie letztlich das gleiche Wählerspektrum bedient wie die rechten Parteien. Allerdings appelliert sie auch an die bürgerlichen konservativen Wähler und bietet ihnen akademische Meinungsführer an. Sie ist halt auf eine andere Weise peinlich als diese konventionellen Rechtsparteien.«

      »Ihre Gelassenheit erstaunt mich. Ich beobachte das politische Geschehen ja nun schon etwas länger, und ich sage Ihnen, in diesem Geschäft passiert nichts irgendwie zufällig. Jedenfalls nichts, was langfristig funktioniert. Parteien vertreten Interessen. Und wenn plötzlich eine ganz neue Partei sehr viel Geld hat, dann stellt sich mir die Frage: Wer bezahlt die Zeche? Niemand hat etwas zu verschenken. Nicht in diesem Bereich.«

      »Solange kein Zweifel an der Verfassungstreue der neuen Partei aufkommt, werden wir uns wohl zurückhalten müssen. Etwas anderes wäre es, wenn sie Geld und Einfluss aus dem Ausland bekäme. Haben Sie etwa Anhaltspunkte für eine unlautere Einflussnahme?«

      »Nein. Aber sammelt der Verfassungsschutz wirklich keine Erkenntnisse über die Parteienfinanzierung? Ich wäre da von Berufs wegen an Ihrer Stelle sicher etwas neugieriger.«

      »Wenn ich solche Erkenntnisse sammeln würde, dann dürfte ich sie nicht ohne weiteres an den BND weitergeben, oder?«

      »Nein, gewiss nicht. Warten wir einmal ab, wie lange die AEP sich hält. Langfristig werden sich die Wähler aus dem bürgerlichen und dem nationalistischen Lager nicht allein mit dem Thema Euro zufriedengeben. Und spätestens wenn sie nicht mehr nur auf gemeinsame Gegner eindreschen, sondern sich inhaltlich auch auf allgemeinpolitische Positionen einigen müssen, wird der kleinste gemeinsame Nenner immer geringer werden.«

      »So wird es wohl kommen. Wie es aussieht, sind die ganzen Querulanten aus den anderen Parteien bei der AEP eingetreten. Noch eint die der Wahlkampf, aber das wird sich bald geben. Bei der nächsten Bundestagswahl werden wir von denen nicht mehr allzu viel sehen.«

      »Ellen, es gibt da noch etwas anderes, von dem ich Sie informell vorab in Kenntnis setzen möchte. Irion hatte dem Verfassungsschutz dreihundert Millionen Euro für den Ausbau der Telekommunikationsüberwachung in Aussicht gestellt. Nach der Snowden-Sache wird das möglicherweise offiziell nicht mehr durchsetzbar sein.«

      »Offiziell?«

      »Ich habe mit Bogk und Irion vorbesprochen, dass wir formal den Etat nicht dem Verfassungsschutz, sondern dem BND geben. Der BND war stets populärer als der Verfassungsschutz, die Notwendigkeit der Auslandsbeobachtung wird von den Leuten verstanden. Wir planen daher, dass die entsprechenden Stellen offiziell unter das Dach des BND kommen, tatsächlich aber Ihrem Haus zur Verfügung stehen. Könnten Sie sich vorstellen, mit dieser – sagen wir Coverstory – zu leben?«

      »Als Verliererin in einem Budget-Streit? Nun ja, realistisch gesehen, wird mir kaum etwas anderes übrigbleiben.«

      »Wie schmeckt Ihnen unser Bœuf Stroganoff, Ellen?«

      »Vorzüglich, Jens! Wo bleibt die Panna cotta?«

      Gegen Nachmittag erreichte der Radfahrer die Stadt Wittenberg. Jörg tat der Hintern weh, seit Jahren hatte er auf keinem Fahrrad mehr gesessen. Zwar war es der kampferprobte Soldat gewohnt, tagelang ohne Duschen auszukommen, doch das Freibad, das er zufällig passierte, bot eine gute Gelegenheit, wieder für einen Moment in die Zivilisation zurückzukehren. Und da er schon mal dabei war, nutzte er begeistert das um diese Uhrzeit noch relativ leere Becken, um ein paar Runden zu ziehen. Zweihundert Meter am Stück zu tauchen, war für ihn kein Problem. Vor Jahren hatte er einen Kampfschwimmerlehrgang absolviert. Professionelle Kampfschwimmer mussten mindestens drei Minuten lang ohne Luft auskommen. Jörg schaffte trotz seines Ehrgeizes gerade einmal zwei. Doch die hatten ausgereicht, um vor zwei Jahren bei einem Manöver in Texas in einem See das gegnerische Team durch Tauchen auszutricksen. Jörgs Viererteam hatte dort im gigantischen Sperrgebiet der US-Army geübt, wie man sich möglichst unbemerkt im Gelände bewegt. Tagelang waren die als Gäste akkreditierten deutschen Teams auf sich gestellt und verfolgten verdeckt gegnerische Einheiten, um sich gegenseitig mit Farbpatronen zu beschießen. Diese Zeit hatte Jörg als die Schönste seines Lebens in Erinnerung. Abenteuer pur in einer atemberaubenden Landschaft, die allerdings nicht ganz ungefährlich war. In einer Nacht hatte sich ein Kojote dem Schlafplatz genähert. Da die Männer bei der Übung keine scharfe Munition mit sich führen durften, drohte ein Nahkampf. Weitere Kojoten heulten auf. Während die anderen das Tier zu verscheuchen versuchten, zielte Team Leader Frank mit einer Pistole zwischen die Augen des Tiers – was bei Farbmunition nahezu sinnlos war. Als der Kojote zum Sprung ansetzte, zerfetzte ein Blattschuss die Nacht. Das Rudel verzog sich verschreckt. Frank hatte heimlich eine Walther P99 DAO mit scharfer Munition eingeschmuggelt. Das war ein eindeutiger Verstoß gegen die Regeln, doch Franks Maßnahme hatte sich als richtig erwiesen. Ein Nahkampf mit den Kojoten wäre kaum ohne Verletzung ausgegangen, medizinische Unterstützung wäre erst nach Stunden zu erwarten gewesen. Frank standen seine Kameraden näher als weltfremde Juristen an ihren Schreibtischen, die um 15:55 Uhr ihre Akten einpackten. Und seine Kampfgefährten sahen das ganz genauso. Auch in Afghanistan hatte Frank seine nicht registrierte Waffe mit dabei. Wenn einer seiner Männer im Einsatz getötet worden wäre, hätte der Schuldige den Ort des Geschehens nicht lebend verlassen. So sah es der Ehrenkodex der Männer vor. Da sich die Kugel nicht den Dienstwaffen des KSK zuordnen lassen würde, wären die Soldaten bei einer eigenmächtigen Exekution nahezu entlastet. Denn warum sollte ein Soldat eine zusätzliche, private Waffe mit sich führen? Was diese Frage betraf, dachte Jörg gelegentlich an den Zwischenfall im Bahnhof von Bad Kleinen, wo ein RAF-Terrorist nach einem tödlichen Schuss auf einen GSG-9-Mann unter mysteriösen Umständen an einem Kopfschuss verstarb. Die tödliche Kugel stammte nicht aus einer Polizeiwaffe.

      In Afghanistan hatten die Männer erst recht zu schweigen gelernt. Mit den federführenden Partnern der US-Army und den US-Marines hatten sie an fragwürdigen Operationen teilgenommen, über die sie ihren Vorgesetzten allenfalls mündlich berichteten. Einmal hatte es Streit gegeben, weil Jörg sich geweigert hatte, einen Zivilisten zu erschießen, der zur falschen Zeit am falschen Ort aufgetaucht war. Der kommandierende US-Kollege hatte das als Risiko bewertet und sich über Jörgs »Verantwortungslosigkeit« beklagt. Obwohl sich KSK-Leute normalerweise nie beschwerten, hatte das Pochen auf »soldatische Tugenden« Jörg beim KSK durchaus Respekt eingebracht, auch die Vorgesetzten deckten seine Entscheidung. Mit dem Töten bewaffneter Gegner hatte Jörg hingegen kein Problem. Die meisten Soldaten und Polizisten, die im Dienst Menschen töteten, wurden dadurch traumatisiert und quittierten langfristig den Dienst. Auch im Krieg schossen die meisten Soldaten absichtlich über die Köpfe der Gegner hinweg. Nur zehn Prozent aller Soldaten konnten wirklich kaltblütig Menschen umlegen. Frank und Jörg gehörten zweifellos zu ihnen. Im Kampf gegen den Terror gab es unappetitliche Dinge, über die Politiker ungern sprachen. Das KSK war keine Pfadfindertruppe und befasste sich auch nicht mit Verkehrskontrollen. Die Härten des Kriegs hatte Jörg sehr wohl erfahren. Er hatte Zivilisten sterben sehen, selbst einige afghanische Kämpfer aus kurzer Distanz erschossen und Kameraden verloren. Der Tag, an dem es Frank erwischte, war der schlimmste seines Lebens gewesen. Dennoch hatte er schon eine Stunde nach der Todesnachricht am nächsten Einsatz teilgenommen. Er war Soldat. Er hatte zu funktionieren, und er funktionierte. Tage nach Franks Tod fand man ein paar