Übrigens ist der eben angezogene kapitalistische Vergleich für die Kriege des vorigen Jahrhunderts nicht gar so unpassend, wie er auf den ersten Anblick erscheinen könnte. Ihrer Form nach Kabinettskriege, waren diese Kriege ihrem Wesen nach Handelskriege, wie denn die handelspolitischen Gesichtspunkte, die den Ursprung und den Verlauf des Siebenjährigen Krieges bestimmt haben, schon angedeutet worden sind. Das Wesen dieser Kriege prägte aber auch der Art der Kriegführung ihren Stempel auf. Sie war sozusagen ein finanziell-kalkulatorisches .Geschäft. Man kannte ungefähr die Geldmittel, den Schatz, den Kredit seines Gegners; man kannte die Größe seines Heeres. Bedeutende Vermehrungen der finanziellen wie der militärischen Mittel waren im Augenblicke des Krieges ausgeschlossen. Das Soldatenmaterial war überall so ziemlich dasselbe; auch mußte es überall in gleicher Weise verwandt werden, das heißt mit großer Vorsicht, denn wenn das Heer zertrümmert wurde, so war kein neues zu beschaffen, und außer dem Heere gab es nichts. Nichts oder doch fast nichts. Denn kostbarer als der letzte Soldat war am Ende noch der letzte Taler, für den man einen neuen Soldaten werben konnte. So beruhte der Erfolg dieser Kriege wesentlich auf einem genauen und sicheren Voranschlage des Kriegsetats, und in diesem Zusammenhange tritt Friedrichs schon erwähntes Wort von dem letzten Taler als dem entscheidenden Faktor des Sieges erst in sein volles Licht. Es war für die damalige Zeit so richtig, daß es selbst dann galt, wenn dieser letzte Taler – wie in Friedrichs Falle – ein falscher Taler war. Nicht kraft seiner Siege hielt der König den Siebenjährigen Krieg durch, denn in den beiden letzten Jahren hat er überhaupt keine Schlachten geschlagen, und über die von 1758 bis 1760 gelieferten Schlachten sprechen seine Schriften in einer seine Anbeter beschämenden Bescheidenheit fast mit entschuldigenden Worten. Vielmehr: Er rettete sich und seine Krone durch die äußerste Erschöpfung des eigenen Landes, die fürchterliche Aussaugung Sachsens, die englischen Subsidien und die – Münzverschlechterung.
Fortsetzung des Dreißigjährigen Krieges in der Tat! Die Kipper und Wipper des siebzehnten Jahrhunderts feierten eine fröhliche Urständ, so sehr Friedrich für seine Person diese alte Fürstenindustrie verachtete. Er schämte sich ihrer wirklich und ließ seine falschen Münzen unter polnisch-sächsischem Stempel schlagen, wie denn die »polnischen Achtgroschenstücke« bis zur Einführung der deutschen Reichsmünze eine Plage der preußischen Bevölkerung geblieben sind, oder er kaufte ein paar Brüder von Gottes Gnaden wie den Fürsten von Anhalt-Bernburg, um mit ihrem landesväterlichen Antlitze seine Blechkappen und Grünjacken zu schmücken. Aber es half alles nichts, Geld, Geld und abermals Geld war nach Montecuccolis treffendem Worte nun einmal der Nerv der damaligen Kriegführung. Und es ist doch auch nicht zu übersehen, daß Friedrich nicht erst in der Not zu seiner »Industrie« griff, wie er sie verschämt nennt. Schon vor dem Ausbruch des Siebenjährigen Krieges schloß der König mit den drei Münzjuden Hertz Moses Gumpertz, Moses Isaak und Daniel Itzig einen Kontrakt wegen Ausprägung von Landesscheidemünze, um den Krieg mit geringerem Aufwände von edlem Metall im Auslande zu führen. Mit der wachsenden Not wurde das Geld nur immer schlechter, und deshalb hat sich vorwiegend an Veitel Ephraim, den letzten Münzjuden Friedrichs, der Fluch und der Haß des Volkes geheftet. Sehr unerfreulich war auch, daß Friedrich seine Söldner und seine Untertanen in schlechtem Gelde zahlte, aber selbst in gutem Gelde bezahlt sein wollte; auf diese Weise zog er alles gute Geld aus dem Lande, um es in schlechtes auszumünzen; erst als das gute Geld überhaupt verschwunden war, gestattete er im Jahre 1760, daß die königlichen Kassen »bloß aus Gnaden« auch schlechtes Geld annehmen dürften. Das stärkste Stück war aber, daß Friedrich die bei den Gerichten in gutem Gelde niedergelegten Summen einziehen und nach Beendigung der Prozesse den Parteien in schlechtem Gelde zurückzahlen ließ; wenn die in ihrem Vertrauen auf preußische Justiz so schmählich Geprellten darüber sich beschwerten, so mußten alle Instanzen sich anstellen, als verstünden sie die Beschwerden gar nicht. Busch, Sämtliche Schriften, 2, 408.
Nun ist klar, daß die Kriege des vorigen Jahrhunderts, wie sie jedes moralische Machtmittel verschmähten, auch keine moralischen Einwirkungen auf den Geist der Völker ausüben und keinen nationalen Geist erwecken konnten. Sie konnten es sowenig, wie die Gumpertz, Isaak, Itzig und Veitel Ephraim die Vorläufer der Lessing, Herder, Goethe und Schiller waren. Bei alledem müssen wir aber noch zwei Behauptungen prüfen, die neuerdings von patriotischen Geschichtsschreibern geltend gemacht worden sind, um dem Siebenjährigen Kriege, es koste was es wolle, den Charakter eines nationalen Volkskriegs zu retten. Da sollen zuerst die Freibataillone und namentlich die von Friedrich aufgebotene Landmiliz der erste Keim der späteren Landwehr gewesen sein. Man braucht sich aber nur einen Augenblick in Friedrichs Lage zu versetzen, um sofort zu erkennen, daß dem Könige nichts mehr am Herzen liegen mußte, als dem Kriege den Charakter eines Kabinetts- und Söldnerkrieges zu erhalten, daß ihm nichts verhaßter sein mußte als ein Aufgebot der Massen. Denn dann wäre er nicht nur militärisch der unendlich überlegenen Volkszahl der gegnerischen Mächte nicht entfernt gewachsen gewesen, sondern er hätte die bewaffneten Bauern seines eigenen Landes mehr fürchten müssen als alle Mächte der Welt. Und so vollständig ausgeschlossen nach der damaligen Kriegsverfassung ein Aufgebot der Massen eigentlich war, so hat Friedrich doch sorgfältig jeden Funken ausgetreten, der nach dieser Richtung hätte zünden können. Es kam ja vor, daß die Bauern hie und da zu ihren Heugabeln oder Sensen griffen, nicht aus Begeisterung für Friedrich und seine Junker, sondern um ihr bißchen Hab und Gut vor den Plünderungen, ihre Weiber und Kinder vor den Schändungen der ins Land gefallenen feindlichen Söldner zu schützen. Aber dann befahl der König sofort, die Landleute sollten sich bei ihrem Erbe halten und nicht in den Krieg mischen, sonst würde er sie als Rebellen behandeln, und den Bewohnern Ostfrieslands, die sich den eingedrungenen Franzosen widersetzt hatten und nun erst recht mitgenommen worden waren, antwortete er höhnisch auf ihre Klagen, er würde es geradeso wie die Franzosen gemacht haben. Selbst den Bürgern von Berlin mußte der Präsident Kircheisen bei schwerer Strafe verbieten, zu den Waffen zu greifen, als die Stadt im Jahre 1757 von den Österreichern zeitweilig besetzt wurde. Friedrich vermied mit der peinlichsten Sorgfalt alles, was dem Kriege einen »höheren«, einen »nationalen Lebensgehalt« hätte geben können, und das mußte er auch tun, wenn er sein Ziel nicht ein für allemal verloren geben wollte.
Daraus ergibt sich schon von selbst, daß es mit den Freibataillonen und der Landmiliz, die Friedrich im Siebenjährigen Kriege errichtete, eine ganz andere Bewandtnis gehabt haben muß, als neuere preußische Historiker behaupten. Diese Truppen kämpften nicht aus Begeisterung für König und Vaterland, sie waren nicht bessere Elemente als die gewöhnlichen Söldner, sondern gerade im Gegenteil: Sie bestanden aus dem Abhube des soldatischen Materials, den Friedrich überhaupt erst im äußersten Notfalle für militärische Zwecke benutzen mochte. In seinen Grundsätzen der Taktik sagt er »von denen Frey-Bataillons«, sie sollten beim Angriff auf verschanzte Stellungen in das erste Treffen gestellt werden und müßten gerade auf den Feind losgehen, »um dessen Feuer auf sich zu lenken und vielleicht eine Unordnung unter dessen Truppen zu veranlassen. Allemahl soll es hierbei feststehen, daß hinter die Frey-Bataillons reguläre Infanterie gestellt werde, die sie, durch die Furcht vor dem Bayonnett, zu einer hitzigen und nachdrücklichen Attaque zwinge«. Und Friedrich sagt weiter: »Bei den Affaires de Plaine« müssen die Frey-Bataillons zu äußerst an den Flügel,