»Doch, Sie können…« Und dann erklärte er ihm und den beiden anderen seinen Plan.
Der Tag hatte in der Stadt begonnen.
Hier und da verließ einer der Bürger sein Haus und ging an seine Arbeit.
Frauen eilten zum Store, standen an den Ecken unter den Vorbauten und sprachen miteinander.
Die Sonne warf flammendrote Feuerbündel vom Osten her in die breite Mainstreet.
Schreiende Kinder liefen in eine der Nebengassen, wo in einem großen Holzbau die Schule untergebracht war.
Silverlake war erwacht.
Aber noch lag das Schlimmste vor der Stadt.
*
Ein Mann ritt auf einem gescheckten Pferd von Westen her in die
Mainstreet.
Es war ein mittelgroßer sehniger Mann mit schlankem Körper und langen Armen.
Er war ganz in schwarzes Kalbsleder gekleidet.
Das weiße Hemd mit der dünnen Seidenschleife stach hart gegen den Anzug ab.
Auch der Hut des Reiters war schwarz.
Er trug einen patronengespickten Kreuzgurt, der an den Seiten zwei tief über den Oberschenkeln hängende Colthalfter hielt.
Die Griffe der daraus hervorlugenden Revolver waren mit Perlmutt beschlagen.
Der Mann hatte ein wächsernes, fast weißes Gesicht, harte graue Augen und strähniges Blondhaar. Seine Nase war kurz und scharf. Sein Mund dünnlippig und hart.
Vor Careys Mietstall hielt er an, stützte sich mit dem rechten Ellbogen auf das Sattelhorn und blickte den Mietstallbesitzer, der vor dem Tor stand, aus engen Augenschlitzen an.
Carey hatte ein verdammt unbehagliches Gefühl unter diesem Blick.
»Morning«, sagte er unsicher.
»Morning.«
»Sie sind fremd hier?«
»Scheint so.«
»Aus Bluewater?«
»No.«
Carey nickte und kratzte sich das Kinn.
»Wollen Sie den Gaul unterstellen?«
»No.«
»Aha.«
Der Fremde hatte plötzlich ein unangenehmes Grinsen um die Mundwinkel.
Carey hüstelte. »Sie kommen aus den Bergen?«
»No.«
Heavens! War das ein wortkarger Bursche.
Carey überlegte, ob er sich umwenden solle, als er den Mann mit schnarrender Stimme nun sagen hörte:
»Ist das hier Silverlake?«
»Yeah.«
Der Mann nickte.
Carey meinte: »Suchen Sie vielleicht jemanden hier?« Und im nächsten Augenblick hätte er sich ohrfeigen können. Denn der Mann sah ganz so aus, als ob er jemanden suchte.
»No – das heißt, ich suche immer jemanden. Nämlich zum Pokern.«
»Zum Pokern? Ja, bisher hatten wir zwei große Saloons. Aber einer ist geschlossen.«
»Weshalb?« knurrte der Fremde.
»Weil der Besitzer erschossen worden ist.«
Der Fremde grinste.
»Interessante Stadt scheint mir. Und wie sieht es mit dem anderen Laden aus.«
»Er ist ab neun Uhr geöffnet. Aber auch da ist der Salooner erledigt worden, vor einigen Tagen…«
Der Fremde hob den Kopf und schob das eckige, etwas zu grobe Kinn vor.
»Ach –? Wirklich interessante Stadt.«
Carey wagte nicht mehr zu nicken.
Da fragte der Fremde: »Wie spät ist es jetzt?«
»Acht durch.«
Mit einer lässigen Bewegung rutschte der Mann im schwarzen Kalbslederanzug aus dem Sattel und warf dem Mietstallbesitzer die Zügelleinen seines Pferdes zu.
»Ich hole ihn bald wieder ab, Amigo.«
Carey nahm den Zügel und rührte sich nicht von der Stelle. Mit zusammengezogenen Brauen blickte er dem Fremden nach.
Der hielt auf Kellys Saloon zu.
Er sprang über die Vorbaustufen und kam sporenklirrend auf den Vorbau.
Dann rüttelte er an der Tür der Bar.
Doc Holliday stand dicht neben dem Türpfosten.
Forrestier saß auf dem Bett.
Der Marshal hatte das Haus vor wenigen Minuten verlassen.
»Wer mag das sein?« flüsterte Forrestier.
Holliday zog die Schultern hoch.
»Ich habe ihn noch nie in der Stadt gesehen«, flüsterte der Schmied.
Der Fremde rüttelte noch einmal mit einem gewaltigen Ruck an der Tür.
Um Hollidays Lippen spielte ein Lächeln.
Forrestier erhob sich und kam zu ihm.
Der Gambler legte die Finger auf die Lippen.
Draußen entfernten sich die Schritte.
»Er geht weiter«, sagte Forrestier.
Holliday nickte und verließ den Schankraum durch den Hofeingang.
Der Fremde ging mit harten sporenklirrenden Schritten über die Stepwalks weiter auf den nächsten Saloon zu.
*
Ceveller hatte in diesem Augenblick seinen Kopf noch an der Fensterscheibe.
Plötzlich zuckte er zusammen.
Seine Augen hafteten an der Gestalt des schwarzledernen Mannes, der da drüben ging.
Dann kam Leben in Cevellers Körper. Er fuhr herum und rannte zur Tür, riß sie auf und brüllte: »Miller!«
Der Mann drüben wirbelte in einer halben Pirouette herum und hatte in der rechten Hand einen seiner großen Revolver liegen.
Ceveller stand in der Tür seines Offices, den großen silbernen Fünfzack an der Brust.
Der Schwarzlederne stierte ihn entgeistert an. Er hatte die Lippen zusammengepreßt und öffnete sie jetzt langsam.
»Kid –?«
Ceveller warf die Arme hoch.
»Miller! Hallo, Mensch, ist das ein Ding!«
Der Schwarzlederne schob seinen Revolver ins Halfter und kam langsam in seinem staksigen Reitergang über die Straße auf das Office zu.
Ein paar Schritte vor den Vorbaustufen hielt er an. Er spreizte die Beine und hakte die Daumen seitlich in den Waffengurt.
»Kid Ceveller! Ist es die Möglichkeit. Du mit einem Stern.«
Der Verbrecher schob rasch den Finger auf den Mund und sah sich nach allen Seiten um.
Der Schwarzlederne hatte verstanden.
»Allright, du hast deinen Namen verloren. Verstehe. Wie heißt du denn jetzt?«
»Komm rein, ich erkläre dir alles!«
Miller betrat mit Ceveller das Office.
Ceveller schob ihm einen Stuhl hin, nahm eine Flasche Whisky aus dem Munitionsschrank und holte zwei Gläser, die er noch einmal mit seinem Halstuch durchwischte.