Drüben schrie ein Mann gellend auf.
Wyatt Earps harte Stimme scholl über die nächtliche Straße. »Geht zurück, Männer! Hier ist kein Durchkommen. Überall sitzen unsere Leute!«
Der alte Sheriff riß die Augen weit auf und sah, wie ein Schatten über die Straße huschte.
Gleich darauf blitzte es drüben auf. Viermal. Gewehrschüsse.
Schreie auf den Vorbauten und wütendes Schießen.
Zwei Querschläger heulten jaulend über die Mainstreet.
Noch zweimal blitzten drüben vor dem »Toten Sioux« Gewehrschüsse auf.
Zwei gurgelnde Schreie kamen weiter unten von den gegenüberliegenden Stepwalks.
Dann sah Lester den Schatten zurückhuschen zur Treppe.
Und sofort bellte der Buntline-Colt wieder auf.
Der alte Lester wischte sich über die Stirn und stieß tonlos hervor: »Damned, dieser Bursche hat den Teufel im Leib…«
*
Silk Cassedy stand hinter der Ecke eines vorspringenden Hauses und blickte in die dunkle Straße.
Drüben wimmerte ein Sterbender.
Vor ihm war das keuchende Hecheln eines Schwerverwundeten.
Da scholl es ihm aus nächster Nähe entgegen: »Cassedy! Gib’s auf! Ich habe dich allein stehen lassen, weil ich mir die Freude nicht trüben will, dich bei Tag sterben zu sehen…«
Silk schlug die Zähne knirschend aufeinander und schoß in rasender Wut seine Pistole leer.
Ein hartes Lachen drang an sein Ohr. »Bist ein schlechter Schütze, Freund! Schick deine Leute zurück! Wir machen sonst kurzen Prozeß.«
»Jonny! Bill!« schrie Cassedy mit sich überschlagender Stimme. »Ihr müßt doch in seiner Nähe sein! Durchlöchert ihn endlich, ihr Geier!«
Das klirrende Lachen des Constablers kam als Antwort zurück.
Silk lud seine Pistole wieder auf. »Bill!« kreischte er.
»Boß?« kam es nach einer Weile von der anderen Straßenseite zurück.
»Wo steckt ihr Hunde denn?«
»Hier!«
»Könnt ihr ihn denn nicht sehen?«
»Nein. Hier vor mir steckt ja auch einer mit dem Gewehr…«
»Knall ihn doch ab, du Ochse!« zeterte der Bandenchef.
Von drüben kam die Stimme des Constablers: »Bleib stehen, Bill. Ich sehe dich ganz genau, du lehnst neben der Tonne!«
Bill spürte plötzlich, daß seine Hände und Knie zitterten, daß der Schweiß ihm aus allen Poren rann. Er stand also wie eine lebende Zielscheibe da! Dieser verfluchte Polizeihelfer konnte ihn in jeder Sekunde abknallen.
Da gaben bei Bill Kennedy die Nerven nach. Er drehte sich um und rannte polternd über die Stepwalks zurück.
Cassedy hörte ihn laufen. »He! Bill!« kreischte er. »Bist du verrückt?«
Der Mann rannte weiter.
Da schoß Silk. Vier Kugeln schickte er zu seinem Kameraden hinüber.
Von zwei Kugeln tödlich getroffen, brach Bill Kennedy zusammen.
Die Leute Cassedys preßten die Zähne aufeinander und blickten schweigend dahin, wo ihr Kumpan stöhnend gegen ein Vorbaugitter sank.
In die Stille rief Wyatt Earp: »Komm raus, Cassedy! Mitten auf die Straße! Und schick die anderen weg!«
Es herrschte eine beklemmende Stille.
»Cassedy!« rief Wyatt wieder.
Howard Lester sah zu seinem Schrecken den Constabler aufrecht zur Straßenmitte gehen.
»Cassedy! Ich warte hier auf dich!«
Obgleich es nicht sehr hell war, konnte man die aufrechte Gestalt des Mannes auf der Straßenmitte deutlich erkennen.
Silk Cassedy lehnte hinter einem Mauervorsprung. Ganz langsam nahm er die rechte Pistole hoch, zielte und drückte dreimal ab.
Da sah er drüben den Colt des Constablers tief am Boden aufblitzen.
Eine der Kugeln riß einen Steinsplitter aus der Mauerecke und schleuderte ihn in das Gesicht des Banditen. Der scharfkantige Stein hatte eine klaffende Wunde auf der linken Wange gerissen.
Silk unterdrückte einen Schmerzensschrei.
Wyatt ging wieder zu der Treppe zurück. »Es ist also nicht vernünftig mit dir zu reden, Cassedy! Gut – du hast nur eine Chance: verschwinde. Das sichert dir für heute das Leben. Aber finden werde ich dich trotzdem.«
Der Bandit blickte sich um, ob ihn auch keiner seiner Leute sehen konnte und schlich dann in geduckter Haltung wie ein geprügelter Hund davon.
*
Tub Crooner hatte am anderen Ende der Stadt hinter dem Wagen mit den Petroleumkanistern gestanden.
Immer näher schlug die wabbernde Lohe von dem großen Feuer zu ihm heran. Da hatte sich ein teuflischer Gedanke in das enge Hirn dieses Mannes geschlichen.
Auf dem Wagen standen noch zwei Kanister.
Tub packte sie und zerrte sie vom Wagen. Ächzend schleppte er die beiden schweren Gefäße in einem Bogen zur Stadt. Über abschüssige Geröllpfade gelangte er mehr rutschend als gehend von Norden her an ein einzeln stehendes Gehöft.
Ein Hund schlug an.
Tub ging weiter.
Das nächste Haus stand noch hundert Yards entfernt.
Endlich hatte er es erreicht, setzte die Kanister ab, wischte sich über Stirn und Nacken und öffnete dann die Verschlüsse.
Der starke Petroleumgeruch drang ihm bald stechend in die Nase.
Der Mann nahm den ersten Kanister und leerte ihn auf der Veranda aus. Dabei war er gegen einen Korbsessel gestoßen und mit der Kanne polternd zu Boden gefallen.
Sofort wurde die Tür geöffnet. Ein Mann kam mit einem Gewehr heraus.
Der Bandit schoß eher.
Mit einem lauten Schrei stürzte der Getroffene in den Hausflur zurück. Die Kugel hatte ihn im Oberschenkel getroffen.
Tub raffte sich auf, riß ein Zündholz an und legte es auf die hölzernen Dielen.
Wie eine Stichflamme zuckte der Feuerstreif über die Veranda.
Tub sprang auf die Straße, nahm den zweiten Kanister und hastete weiter.
Das nächste Haus auf der anderen Straßenseite wurde begossen und angezündet.
Tub hattte sich noch einen halben Kanister aufbewahrt; er wollte hinunter zur City Hall.
Etwa dreißig Yards vor dem Marktplatz bemerkte er plötzlich eine dunkle Gestalt in der Mitte der Gasse. Steif und unbeweglich stand sie da.
Wyatt Earp!
Tub erkannte ihn sofort, trotz der Entfernung und trotz der Dunkelheit. Er ließ den Kanister fallen. Das Petroleum schwappte aus der Öffnung gegen seine Beine.
Der Bandit riß den Colt heraus.
Da zuckte es drüben bei dem Constabler orangerot auf.
Tub stand noch eine Sekunde starr da und knickte dann nach vorn in die Knie.
Die Kugel des anderen hatte sein Herz tödlich gestreift.
Der Brandstifter lag mitten in der Gasse neben dem umgestürzten Kanister.
Das Petroleum rann in sein verzerrtes Gesicht.
*