Im Winter hatte er mit acht Männern oft tagelang die zerklüfteten Berge nach den Dieben durchstreift. Damals waren es immer nur wenige Tiere gewesen, die die Rustler erbeuten konnten. Dann, als sie wieder einmal in den Bergen waren, wurde der Cowboy Jeffries Beverston mit einem Gewehrschuß aus dem Hinterhalt aus dem Sattel geschossen.
Beverston war einer seiner besten Männer gewesen, der vor allem groß im Spurenlesen war. Das hatte er ja auch an jenem Tag bewiesen, als er die Männer der Moon-Ranch so weit auf der Spur der Rustler vorwärts gebracht hatte.
Der Schuß oben in dem zerklüfteten Gestein der Red Hills hatte dem Rancher bewiesen, daß die Rustler da ihre Vorposten gelassen hatten.
Noch zwei volle Tage hatten die Männer die Felsrisse durchstreift, aber weder den Mordschützen noch eines ihrer Rinder finden können.
Damals konnte die Alarmnachricht meist erst nach zwei vollen Tagen auf der Ranch eintreffen, da an den einzelnen Abschnitten der sehr großen Weide immer nur höchstens zwei Wach-Reiter standen. Die verfolgten dann im Morgengrauen, wenn sie irgendwo ein Rudel Rinder vermißten, die Spur.
Immer hatte die Spur in die Berge geführt.
Und immer war sie auf dem steinigen Boden bald verschwunden.
Und immer hatten die Reiter es nach zwei Tagen aufgeben müssen.
Bis auf Bill Hogeeter. Der ja einmal fast achtzig Rinder zurückgebracht hatte. Er hatte sie in einem versteckt liegenden Felsenkessel hinter einer Steilwand entdeckt.
Aber die Rustler würden sich hüten, dieses Versteck noch einmal zu benutzen. Die Berge boten ihnen ja genug Schlupfwinkel. Zwanzig Rinder waren nicht allzuschwer da oben zu verbergen. Achtzig allerdings mußten ihnen schon größere Schwierigkeiten machen.
Und nun hatten sie in einer Nacht die ganze Herde am neuen Vorwerk weggetrieben.
Hollister ließ Hal Patterson die Cowboys zusammenholen. Am Abend konnten sie alle auf der Ranch eingetroffen sein.
Dann lag die Weide allerdings unbewacht da.
Aber im nächsten Morgengrauen könnten sich die Männer auf den Ritt in die Berge machen.
Fast zweihundert Rinder hatten direkt unten am Vorwerk gestanden. Die konnten sich nicht zwischen den engen Felsschluchten oben in Luft auflösen. Eine so große Anzahl von Tieren mußte auch auf felsigem Boden Spuren hinterlassen, ganz davon abgesehen, daß die Herde den Rustlern auch erhebliche Schwierigkeiten beim Treiben im Gebirge machen würde.
Wo war Bill Hogeeter?
Joe McIntire zuckte die Schultern auf die Frage des Ranchers.
Susan, die jetzt hinter dem Rancher stand, sagte schnell. »Er ist im Hole am Rock Creek...«
Hollister sah sie verblüfft an.
Das Mädchen wurde flammendrot und blickte zu Boden.
»Woher weißt du das denn?« fragte Hollister.
Mary biß die Lippen aufeinander und ballte die Hände krampfhaft zusammen.
Susan stotterte: »Ich... ich hörte... Ich...«
»Er hat es mir gesagt!« Es war Mary, die diese Worte laut herausgeprustet hatte.
»Dir?«
»Ja, mir! Ich habe ihn gefragt, zufällig, heute morgen. Weil er wieder einmal ein so finsteres Gesicht machte. Ich hab’ ihn gefragt, ob er vielleicht vorhabe, in die Hölle zu reiten?«
Der Rancher biß die Zähne zusammen. Er spürte, daß Mary jetzt gelogen hatte.
Die beiden Frauen gingen zurück ins Haus.
Hinter der Tür blieb Mary stehen und lehnte sich gegen die Füllung. Sie sagte nichts.
Susan spürte die Blicke der Schwester im Rücken. Langsam wandte sie sich um. »Ach, Mary!« Tränen standen in ihren Augen.
Marys Gesicht war hart.
Susan kam auf sie zu und legte ihr die Arme um den Hals. »Mary, ich... ich bin so dumm!«
»Ich weiß!« versetzte die jüngere Schwester.
Susan wich zurück. »Was weißt du?«
Marys Augen brannten, in ihren Tiefen schimmerte es feindselig. »Ich weiß alles. Ich habe dich mit ihm gesehen. Du hast mit ihm gesprochen, auf der Veranda.
Er stand unten im Hof, und du saßest in
einem der Sessel. Es war fast Mitternacht...«
Susan biß sich auf die Unterlippe. »Ja, es ist wahr. Du hast recht.«
»Recht?« zischte Mary feindselig. »Ich habe es ganz einfach gesehen, weil ich nämlich nicht schlafen konnte und unten in der Wohnstube war...«
»In der dunklen Wohnstube?« fragte Susan verblüfft.
»Ja, denn ich habe mich geschämt, Licht zu machen, als ich sah, mit wem du dich unterhieltest.«
»So?«
»Ja. Und ich weiß, daß du schon öfter mit ihm gesprochen hast, seit jenem Abend, da er dich vor Calleger gerettet hat. Seitdem hat er wohl ein Recht auf dich, was?«
Da schlug Susan der Schwester ins Gesicht.
Ein roter Fleck brannte auf Marys linker Wange.
»Du bist gemein...«
Der Rancher kam herein. Er sah Susan weinend vor Mary stehen. Betroffen eilte er auf sie zu. »Kind! Was hast du, Kind? Bitte, komm, setz dich, du sollst doch nicht... Komm!«
Mary sah mit harten Augen zu, wie der Vater die Schwester zum Sofa führte und dort behutsam niedersetzte.
»Was ist, Susan? Bitte, sag es mir.«
Die Tür zur Veranda fiel zu.
Mary war gegangen.
»Sag es mir, Susan!« drängte Pat Hollister.
Das Mädchen hob die tränenverschleierten Augen. »Ich liebe ihn, Vater...«
Der Rancher schluckte. Dann nickte er nur und sagte dumpf: »Ja...«
*
Spät am Abend trafen die Cowboys auf der Ranch ein. Sie rüsteten sofort für den morgigen Ritt.
Joe McIntire rief mit heiserer Stimme Befehle über den Hof.
Der Rancher stand am Fenster und blickte hinaus. Es waren nicht die gestohlenen Rinder, die ihm das Herz schwer machten, es war etwas ganz anderes. Und der Mann, um den sich seine Gedanken drehten, kam nicht zurück.
Erst in der Frühe des kommenden Morgens kam er.
Müde, mit zerschundenem Gesicht und auf einem völlig ausgepumpten Gaul.
Der Rancher, der in der Nacht kein Auge geschlossen hatte, lief ihm entgegen. »Bill! Wo kommen Sie her?«
Auch McIntire schoß heran. Er hatte auf einem Strohbündel in der offenen Scheunentür geschlafen, weil es ihn in dieser schwülen Nacht nicht im Bunkhaus gehalten hatte.
Hogeeter rutschte aus dem Sattel. »Steve Coster ist auch tot...«, sagte er düster.
Der Rancher schluckte.
Heiser krächzte Joe McIntire: »Dann weißt du es also schon, Bill?«
»Yeah – ich weiß alles.«
»Hast du ihre Spur gefunden?«
»Ja – und wenn ich euch jetzt erzähle, wo die Rinder sind, schmeckt euch drei Tage kein Essen mehr.«
Mit starren Augen blickte der Rancher den Texaner an.
Der kleine McIntire tanzte unruhig von einem Fuß auf den anderen. »So sag doch endlich was! Hey, Frankie, bring eine Flasche aus meinem Schrank!«
Über