Jack Donegan riß den Hahn seines Colts zurück und stieß die Waffe vor.
Da peitschte ein Schuß quer durch den Raum.
Der Colt wurde dem Rancher aus der Hand gerissen und fiel polternd auf die Dielen.
Jack Donegan warf den Kopf herum und sah drüben am anderen Ende der Theke einen Mann stehen. Er war groß, hatte breite Schultern, schwarzes Haar, tiefblaue Augen und ein eckiges wettergebräuntes Gesicht. Sein Hut war schwarz, staubbedeckt und ungekniffen. Unter seiner schwarzen Jacke trug er ein rotes Hemd und eine schwarze lederne Weste. Seine Beine steckten in engen Lewishosen, die in halbhohe enge weiche Stiefel ausliefen. In der Linken hielt er einen schweren Buntline-Revolver, aus dessen Mündung noch ein dünner Rauchfaden kroch.
Jack legte den Kopf auf die Seite und kam langsam näher. Seine Schritte dröhnten auf den Dielen. »Wer sind Sie, Mann?«
»Ich bin Wyatt Earp und werde Sie mit nach Wichita nehmen.«
Der Name ließ ein Raunen durch den Schankraum gehen. Wyatt Earp! Dieser Mann da wollte Wyatt Earp sein? Der gefürchtete Constabler aus Missouri, den sie jetzt unten in der großen Treiberstadt Wichita zum Hilfsmarshal gemacht hatten? Das wäre doch ziemlich merkwürdig. Jedermann in Kansas kannte den Namen dieses Mannes, und Wyatt Earp sollte noch so jung sein? War der Mann da eigentlich jung? Seine straffe, aufrechte Gestalt und sein Gesicht wirkten so. Aber in seinen Augen lag der Ernst des reifen Mannes.
Donegan stand steif und reglos da wie ein Baum. Aus engen Augen starrte er auf den Fremden. »Sie sind Wyatt Earp?«
»Ja.« Der Mann kam auf Donegan zu. Mit ruhigen Bewegungen nahm er dem Rancher die beiden Colts aus den gekreuzten Waffengurten und legte sie auf einen Tisch. »Kommen Sie, Donegan. Es geht gleich los.«
Der Rancher blickte in das ernste, kühle Gesicht des Fremden. »Wyatt Earp? – Wo ist der Stern?«
Der Mann griff in die Hosentaschen und hielt Donegan den blinkenden Marshalstern entgegen. »Hier – und nun los. Ich hab’ nicht viel Zeit.«
Donegan sah sich in der Runde um. Sein Blick ging von einem zum anderen. Es war also ernst. Sie hatten ihn überrumpelt. Ihn, den heimlichen Herrn von Chelsea. Den Mann, dem seit Jahren niemand zu widersprechen gewagt hatte.
*
Er war überrumpelt worden, dieser Jack Donegan. Nie und nimmer wäre er freiwillig mit nach Wichita geritten, wenn der Marshal ihn nicht überrumpelt hätte. Später konnte Donegan es nie begreifen, daß er so still und brav vor Wyatt Earp her durch die Stadt nach Wichita geritten war.
Wortlos blieb der Marshal hinter ihm.
Vielleicht war es das Überraschungsmoment gewesen, das ihn erledigt hatte.
Ja, er hatte damals unten am Arkansas Jonny Ray getötet. Aus Eifersucht. Er ahnte, daß der blonde Junge die größten Chancen bei dem Mädchen hatte. Deswegen hatte er ihn getötet. Doch, es hatte schon damals in ihm gesteckt, was jetzt zum Vorschein gekommen war: Er war ein Verbrecher. Kaltblütig hatte er den Freund erschossen. Kaltblütig hatte er Tommy Coogans Unglück miterlebt. Er war dabei, als Tom verurteilt und in Ketten abgeführt worden war. All die Jahre über hatte er geschwiegen. Er war in den Besitz der Ranch gekommen – und er hatte Mabel geheiratet. Die schöne Mabel Gennan, um derentwillen die Freundschaft der vier Männer zerstört worden war und Jonny hatte sterben müssen. Reich und auch hart war er geworden, der Rancher Jack Donegan. Hart und gefürchtet.
*
Wyatt Earp führte ihn ins Marshal-Office.
Jim Rooster, der Marshal von Wichita, war ein alter Mann. Er nahm den Kneifer von der Nase, als er draußen seinen Hilfsmarshal vom Pferd steigen sah, stand auf, kam zur Tür und blickte den beiden Reitern mit verwunderten Blicken entgegen. »Wen bringen Sie denn da, Wyatt?«
»Jack Donegan, Mr. Rooster. Er hat zwei Menschen getötet.«
Donegan wurde in den Gefängnistrakt geführt. Wortlos ließ er sich in die Zelle sperren.
Wyatt verließ das Office, nachdem er die Ablieferung des Mörders Donegan unterschrieben hatte. Er stiefelte hinüber auf die Werkstatt von Brian Jenkins zu, begrüßte den pausbäckigen, stämmigen Schmied und fragte, ob er seinen Falben zum Beschlagen bringen könnte. Als das geregelt war, ging er in Joe Fenners Saloon und trank einen Brandy.
*
In einer gewaltigen Staubwolke rollte inzwischen der vierspännige Wagen der Arkansas-Post durch die Hauptstraße. Gleich bei der City Hall brachte der ledergesichtige Kutscher die Pferde mit einem lauten »Hoooo!« zum Stehen.
Nur ein einzelner Reisender stieg aus. Ein Mann mit schmalen, fallenden Schultern; er war mittelgroß, Mitte der Fünfzig, hatte weißes Haar und trug einen schwarzen, eleganten St. Louis-Anzug. In der Rechten hielt er eine Reisetasche.
Sein bartloses ernstes Gesicht wurde von kühlen grauen Augen beherrscht. Jetzt blinzelte er ein wenig und blickte zum Marshal-Office hinüber. Scharf beobachtete er den Mann, der drüben in der Tür stand. Langsam setzte sich der Ankömmling in Bewegung und überquerte die Straße.
Der alte Jim Rooster sah den Mann kommen, riß die Augen auf, nahm den Hut vom Kopf und stürmte die Vorbautreppe hinunter.
»Richter Gennan! Sehe ich richtig?«
»Goldrichtig, Rooster!« Der Richter reichte dem Marshal die Hand.
»Was führt Sie denn hierher ins alte Kansas? Sie leben doch schon fast zehn Jahre oben in Sheridan, nicht wahr?«
Gennan nickte. Er hatte es nicht nötig, viele Worte darüber zu verlieren: Er war der bekannteste Richter Wyomings geworden. Damals, vor zehn Jahren, als seine Tochter Mabel gegen den Willen des Vaters den Cowboy Jack Donegan heiratete, da zog er weg aus Kansas. In dem großen freien Rinderstaat Wyoming hatte er eine neue Heimat gefunden. Irgend etwas hatte ihn nach dem Urteil der Geschworenen über Tom Coogan verstört, irgend etwas Unnennbares. Vielleicht war es die dunkle Ahnung von der Unschuld des Cowboys, der leider einen sehr schuldbewußten Eindruck machte.
Nach dem Prozeß bemerkte Gennan, wie sich Donegan um Mabel bemühte, und zwar in einer Art bemühte, die dem Richter sehr mißfiel. Er machte den jungen Mann darauf aufmerksam. Es half nichts, Jack setzte sich auf seine rücksichtslose Art durch.
Gennan hatte seine Zustimmung zu der Ehe nicht gegeben. Und als Mabel den Cowboy heiratete, gab der Richter sein Amt auf und zog fort. Es war nicht der Stand des Schwiegersohnes, der ihn kümmerte. Es war der Mann selbst. Und Gennan hätte nicht einmal sagen können, was es eigentlich war. Dieser Jack Donegan war ihm in tiefster Seele zuwider. Wenn er sprach, wenn seine rauhe, klirrende Stimme an sein Ohr drang, fröstelte ihn. Und als Mabel den Mann nahm, war in John Gennan etwas zerbrochen.
Deshalb war er gegangen.
»Gennan!« sagte Rooster jetzt. »Wie freue ich mich, daß ich Sie mal wiedersehe! Ich werde gleich mal nach meinem Deputy schicken; er wird sich die Kehle ausspülen, hat einen langen Ritt hinter sich.«
Gennan nahm den Arm des Marshals. »Nein, lassen Sie den Mann nur ausruhen, ich habe nicht allzuviel Zeit. Wir können einen Augenblick miteinander schwatzen.«
»Aber Wyatt Earp ist ein eiserner Knochen; er würde mich gern eine Stunde hier ver…«
Gennan hatte den Kopf zur Seite gewendet und blickte den Alten fest an. »Wyatt Earp?«
»Ja, kennen Sie ihn?«
»Nein, aber ich habe von ihm gehört. Ist er hier bei Ihnen?«
»Er ist mein Deputy«, sagte Rooster stolz. »Ich hab’ dafür gesorgt, daß er hierher in die Banditenstadt kommt.« Der Alte wischte sich über die Stirn. »Wissen Sie, Richter – Wichita ist zehn Jahre älter geworden. Es ist längst nicht mehr so gemütlich hier wie damals.«
Gennan winkte ab. »Damals war unten in Texas noch Krieg, Rooster. Ich fand es gar nicht so gemütlich hier.«
»Wyatt hat