Regina lächelte und nickte dankbar. Ein paar Minuten später saßen sie in der gemütlichen Privatküche und ließen sich den heißen Kaffee schmecken.
Es war schon seltsam, wie schnell sie zu der älteren Frau Vertrauen faßte, aber Regina merkte, wie ihr die Worte nur so heraussprudelten.
»Ich hab’s doch schon gleich gemerkt, daß der Wolfgang Ihnen net gleichgültig ist«, schmunzelte Ria, nachdem die Krankenschwester ihr alles erzählt hatte.
»Und was seine Mutter angeht, na ja, die hat halt so ihre Vorstellungen.«
Sie winkte ab.
»Darauf müssen S’ wirklich nix geben. Alles was zählt, ist doch, daß Sie und der Wolfgang sich verstehen.«
»Ich weiß«, nickte Regina Werneke. »Aber da gibt’s noch etwas, das mich zweifeln läßt, ob’s wirklich richtig ist, daß ich ihn liebe…«
Ria ahnte schon lange, daß die Mutter des jungen Mannes nicht das einzige Problem war, das die Krankenschwester sah. Sie hatte sich gleich bei Reginas Ankunft gewundert, warum so eine hübsche junge Frau ihren Urlaub allein verbrachte. Jetzt würde sie wohl eine Erklärung dafür bekommen, glaubte sie.
»Eine alte Geschichte«, sagte Regina, »die mich lange Zeit den Glauben an die Liebe hat verlieren lassen. Es gab da mal einen Mann, für den ich alles geopfert hätt’, sogar mein Leben, wenn’s erforderlich gewesen wär’. Doch leider hat er sich meiner Liebe net als würdig erwiesen. Als ich erfuhr, daß er mich hintergeht und mit anderen Frauen betrügt, da brach eine Welt für mich zusammen. Ich hab’ mich in meine Arbeit vergraben und wollt’ nie wieder etwas von einem Mann wissen. Doch dann traf ich Wolfgang, und alle Vorsätze waren vergessen. Aber wenn ich darüber nachdenk’, dann ist die alte Angst wieder da.«
Sie schaute die Pensionswirtin traurig an. Ria griff über den Tisch nach Reginas Hand und drückte sie fest.
»Bei Wolfgang brauchen S’ diese Angst net haben«, versicherte sie. »Und vor allem Regina, dürfen S’ net alle Männer über einen Kamm scheren. Sie sind jung, und die Liebe ist so etwas Wunderbares. Genießen S’ die Zeit mit ihm und warten S’ ab, wie sich alles weiter entwickelt.«
Die Krankenschwester lächelte.
Ja, das wollte sie tun. Den Tag genießen, nicht an morgen denken und die Vergangenheit für immer hinter sich lassen.
»Ich glaub’, das Gespräch hat mir sehr gutgetan«, sagte sie dankbar. »Jetzt fällt’s mir viel leichter zu glauben, daß es eine wunderschöne Zeit wird, die ich hier verbringe.«
Sie stand auf.
»Vielen Dank für den Kaffee. Jetzt setz’ ich mich in den Garten hinaus und schreib’ die Karten an meine Kolleginnen und an ein paar Freundinnen.«
»Wie war’s denn in der Kirche?« fragte Ria. »Haben Sie Hochwürden dort angetroffen?«
»Ja, und stellen Sie sich vor, morgen machen wir eine Bergtour zur Wendelsteinhütte.«
»Ach, das ist ja schön, daß es schon schnell geklappt hat«, freute sich die Wirtin mit ihr. »Dann ruh’n Sie sich heut’ mal schön aus und gehen S’ rechtzeitig schlafen. Morgen früh richt’ ich Ihnen ein kleines Frühstück her, aber Proviant brauchen S’ wohl net mitnehmen.«
»Genau«, lachte Regina. »Pfarrer Trenker sagte schon, daß Sie deswegen Bescheid wüßten. Seine Haushälterin packt ihm immer wohl reichlich ein.«
»Ja, ja, die gute Sophie«, schmunzelte Ria. »Sie ist halt eine Seele von Mensch und hat eben Angst um den Herrn Pfarrer.«
Sie hatte die Kaffeetassen abgeräumt.
»Wissen S’ was, Regina?« sagte sie. »Wie wär’s, wenn ich heut’ mittag was für uns koche? Dann können S’ den ganzen Tag faulenzen und brauchen sich um nix kümmern. Hätten S’ Lust? Oder sind S’ noch mit dem Wolfgang verabredet?«
»Nein, wir sehen uns erst übermorgen wieder. Er will mit mir auf den Tanzabend gehen.«
»Na schön, dann bleibt’s also dabei, wir essen zusammen.«
»Ja«, freute sich Regina. »Vielen Dank.«
*
Franziska Lechner hatte am späten Nachmittag das Haus verlassen und war zu einer Wiese gegangen, an deren Ende, zum Waldrand hin, wilde Brombeersträucher standen. Die Altbäuerin bereitete immer aus den tiefdunklen, herbschmeckenden Früchten einen leckeren Likör zu.
Während die Magd sich daran machte, den großen Korb zu füllen, dachte sie an die Ereignisse auf dem Hof zurück. Nachdem Wolfgang am Morgen einfach seine Arbeit vernachlässigt hatte und fortgefahren war, hatte seine Mutter ihre Launen an Franzi ausgelassen.
»Also, ich kann ja nix dafür, wenn dein Sohn dir auf der Nase herumtanzt«, hatte die Magd schließlich ärgerlich gesagt, als sie wieder mal wegen einer Nichtigkeit getadelt wurde.
Und dabei fühlte sie nicht nur den Ärger über die ungerechte Behandlung, sondern auch brennende Eifersucht, denn natürlich hatte sie gesehen, daß Wolfgang seinen Sonntagsanzug trug, und mit dem Instinkt einer liebenden Frau spürte sie, daß der Mann, dem ihre ganze Sehnsucht galt, auf dem Weg zu einer anderen war.
Franzi seufzte.
Warum bloß war ihr nicht dieses Glück beschieden?
Sie sah gut aus, war fleißig und konnte arbeiten für zwei. Wolfgang mußte doch schon längst gemerkt haben, was für eine Perle er da im Haus hatte. Ganz abgesehen von den kleinen Aufmerksamkeiten, die sie ihm immer wieder zukommen ließ.
Indes war sie nicht bereit, die Flinte vorschnell ins Korn zu werfen und baute dabei auf die Altbäuerin. Maria Burger, das wußte Franzi genau, würde sich das Madl, das ihr Sohn mit nach Hause brachte, sehr genau anschauen und dann ihr Urteil abgeben. Und vielleicht – wenn Mutter und Sohn endlich merkten, wer da so fleißig bei ihnen schaffte, vielleicht würden sie dann auch erkennen, daß sie, Franzi, die richtige Frau für Wolfgang war.
Sie war so in ihre Gedanken vertieft, daß sie den Traktor, der den Weg heraufkam, beinahe überhört hätte. Eher beiläufig sah sie auf und erkannte Tobias Brandner, den jungen Knecht vom Wendlhof. Er hatte sie schon von weitem gesehen und war von der Straße abgefahren.
Tobias stellte der hübschen Magd schon lange nach. Mehr als einmal hatte er ihr gesagt, wie sehr er sie liebe und, daß er alles für sie tun würde. Doch Franzi hatte sich seiner Liebesbezeugungen immer widersetzt.
Bis auf einmal vielleicht, als sie mit Tobias ausgelassen getanzt und geflirtet hatte. Aber nur, weil sie Wolfgang damit eifersüchtig machen wollte.
Auf dem Tanzabend war es. Der Knecht hatte sie mehrmals aufgefordert, doch Franzi hatte nur Augen für den jungen Bauern, der mit seiner Mutter an einem anderen Tisch saß. Einmal schaute er herüber und lächelte sie an. Franzis Herz stand lichterloh in Flammen, und sie glaubte schon, jetzt sei der Augenblick gekommen, in dem Wolfgang sie zum Tanz bitten würde. Doch statt dessen war er mit seiner Mutter auf die Tanzfläche gegangen, und Franzi hatte endlich Tobias’ Drängen nachgegeben.
Ganz dicht tanzten sie zusammen, und als Wolfgang wieder einmal herübersah, schlang Franzi ihre Arme um den Hals des Knechts und lachte ihn strahlend an.
Zu ihrer großen Enttäuschung deutete der junge Bauer diese Szene völlig falsch und fragte lachend herüber, ob sie sich gut amüsiere?
Aber seit diesem Abend war es mit Tobias Brandner noch ärger geworden. Bei jeder passenden Gelegenheit bat er sie um eine Rendezvous und ließ sich auch durch ihre hartnäckige Weigerung nicht davon abhalten, sie immer wieder zu fragen.
Der Knecht hatte angehalten und war vom Traktor heruntergesprungen.
»Grüß dich, Franzi«, rief er. »Schön, daß ich dich treff’. Gehst’ am Samstag auf den Tanzabend?«
»Weiß