»Das seh’ ich aber anders«, beharrte seine Mutter. »An der Nasenspitze seh’ ich’s dir an, daß da was net in Ordnung ist.«
Die junge Magd schien derselben Meinung zu sein.
»Ist wohl sehr spät geworden gestern abend, was?« meinte sie. »Vielleicht war’s ein Bier zuviel.«
»Was ihr redet!« fuhr der junge Bauer auf. »So ein Schmarr’n!«
Seine Mutter fühlte sich bemüßigt, ihn in Schutz zu nehmen.
»Nein, getrunken hast’ doch nix. Das hätt’ ich ja wohl gerochen.«
Wolfgang stand auf und ging wortlos hinaus. Die Altbäuerin starrte ihm nachdenklich hinterher. So hatte sie ihren Sohn noch nie erlebt. Aber sie erinnerte sich dunkel an eine Zeit, in der es ihr ähnlich ergangen war…
Die Zeit der großen Liebe, als sie ihren Mann kennengelernt hatte!
Wie ein Blitz traf sie diese Erkenntnis. Damals war sie auch umeinand’ gelaufen, wie ein kopfloses Huhn und hat net recht gewußt, was sie mit sich anfangen sollte.
Und genauso verhielt sich jetzt der Bub!
Jetzt erinnerte sich Maria Burger auch an seine seltsame Bemerkung, gestern abend.
Wie hatte er doch gleich gesagt?
Den Wunsch nach einer Schwiegertochter könne er wohl bald erfüllen.
Die Bäuerin warf der Magd einen mißtrauischen Blick zu.
War es der Franzi etwa gelungen, was mit dem Wolfgang anzufangen?
Maria schüttelte unmerklich den Kopf. Nein, das hätte sie gemerkt. Eine Liebschaft hätten die beiden niemals vor ihr verheimlichen können. Es mußte sich gestern abend, als Wolfgang im Dorf drunten war, ereignet haben. Vielleicht hatte er da jemanden kennengelernt.
Oder ging das vielleicht schon länger, und ihm war es doch gelungen, es vor ihr zu verheimlichen?
Wieder schüttelte sie den Kopf.
Nein, nein, sie kannte ihren Sohn viel zu gut. Das hätte sie bemerkt, wenn’s da ein Madl gäb.
Jetzt allerdings war sie sich gar nicht mehr so sicher.
Franzi Lechner hatte ihr Frühstück beendet und räumte den Tisch ab. Die junge Magd war gestern abend zeitig in ihre Kammer gegangen, und wie jeden Abend wartete sie darauf, seine Schritte die Treppe heraufkommen zu hören, die Klinke, die heruntergedrückt wurde, die Tür, die er hinter sich schloß. Und jedesmal sehnte sie sich danach, es möge ihre Tür sein, die er öffnete und hinter sich zumachte.
Auch gestern hatte sie nicht einschlafen können, ehe Wolfgang nicht nach Hause gekommen war. Aber wie immer war sie auch da wieder enttäuscht worden.
Daß der junge Bauer sich heute morgen merkwürdig verhielt, war ihr natürlich auch aufgefallen. Aber Franzi konnte sich keinen Reim darauf machen. Auf keinen Fall dachte sie daran, daß er sich verliebt haben könnte.
*
Wolfgang war nach draußen gegangen und hatte sich in die hinterste Ecke der Scheune verkrochen. Dort hockte er sich einfach auf den Boden. Er wollte alleine sein, niemanden sehen oder hören. Einzig Hasso, der aus seiner Hütte getrottet kam, war bei ihm. Er hatte sich vor den Strohballen gelegt, an den der Bauer sich gelehnt hatte.
Gedankenverloren streichelte Wolfgang den Kopf des Hundes und seufzte tief.
Eigentlich müßte er jetzt auf den Traktor steigen und aufs Feld fahren. Aber er wußte genau, daß er nicht eine vernünftige Furche würde ziehen können. Unentwegt dachte er an Regina Werneke, und je mehr er das tat, um so klarer wurde ihm, daß dieser Zustand, in dem er sich befand, nicht von Dauer sein konnte. Es ging gar nicht anders, er mußte nach St. Johann fahren und mit ihr sprechen.
Der Bauer schaute auf die Uhr. Gerade mal sieben durch. Wahrscheinlich schlief sie noch. Aber so, wie er jetzt angezogen war, konnte er ihr ohnehin nicht unter die Augen treten.
Nach einer weiteren halben Stunde, die er in der Scheune verbrachte, raffte er sich auf und ging ins Haus hinüber. Seine Mutter schaute ihn verwundert an.
»Wolltest’ net aufs Feld fahren?« fragte sie.
»Das hat Zeit«, antwortete er knapp und ging die Treppe hinauf.
»Was hast’ denn jetzt vor?« rief seine Mutter, als er schon halb oben war.
»Mich umziehen«, rief er zurück.
Maria Burger stand kopfschüttelnd an der Treppe und starrte hinauf.
Was war bloß in den Bub gefahren?
Wolfgang kam nach zwanzig Minuten wieder herunter. Offenbar hatte er geduscht. Jetzt trug er den guten Anzug, der eigentlich für den sonntäglichen Kirchgang oder einen anderen festlichen Anlaß gedacht war.
Mitten in der Woche hatte er ihn noch nie angezogen!
»Also, jetzt sagst’ mir aber, wo du hinwillst!« verlangte die Altbäuerin
»Ich fahr’ ins Dorf«, erwiderte der Sohn. »Ich hab’ da was zu erledigen, bis zum Mittag bin ich wieder zurück.«
Maria hob schnuppernd die Nase.
Getrunken hatte er natürlich nicht, aber sie roch etwas anderes – den Duft seines Rasierwassers!
»Also, der Teufel soll mich holen, wenn da net ein Weibsbild dahintersteckt«, rief er aus.
Wolfgang hatte bisher immer Langmut bewiesen, doch jetzt platzte ihm der Kragen.
»Und wenn’s so wär’, dann ginge es dich nix an«, sagte er in einem Ton, den seine Mutter noch nie bei ihm gehört hatte.
Damit war er zur Tür hinaus. Maria Burger stand wie vom Donner gerührt in der Diele.
»Und dafür vernachlässigst deine Arbeit«, flüsterte sie den Tränen nahe. »Soweit ist’s also schon gekommen.«
Allerdings war die Ursache für ihre Tränen die Tatsache, daß Wolfgang sich beharrlich weigerte, ihr Auskunft über die Frau zu geben.
Der junge Bauer war unterdessen in sein Auto gestiegen und vom Hof gefahren. Er schaltete das Radio ein und sang aus vollem Halse den Schlager mit, der gerade gespielt wurde.
In der Pension Stubler erlitt er dann allerdings eine herbe Enttäuschung. Wolfgang hatte angenommen, Regina würde noch beim Frühstück sitzen, wenn er dort ankam, doch die Zimmerwirtin schüttelte bedauernd den Kopf.
»Die Frau Werneke ist schon vor einer ganzen Weile aus dem Haus gegangen«, sagte sie.
Der junge Mann sah sie verzweifelt an.
»Mensch, Ria, ich muß sie unbedingt sprechen«, flehte er sie an. »Hast’ keine Ahnung, wo ich Regina finden könnt’?«
»Mir scheint, da hat sich jemand verliebt«, lachte Ria hellauf.
»Ja«, nickte Wolfgang. »Aber behalt’s vorerst für dich.«
»Versprochen«, sagte sie. »Also, Regina, wollt’ ein paar Ansichtskarten kaufen, die sie ihren Arbeitskolleginnen schreiben will, und dann hat sie vorgehabt, die Kirche zu besichtigen. Versuch’ da dein Glück.«
Er hatte ihr erleichtert gedankt und war losgelaufen. Gerade als er die Straßenecke erreichte, sah er sie auf der anderen Seite stehen.
Wolfgang schmunzelte unwillkürlich, als er sah, wie Regina erst nach links und dann nach rechts schaute, ehe sie die Fahrbahn überquerte. Er hatte sich in eine Einfahrt gedrückt, so daß sie ihn nicht sofort sehen konnte. Erst als sie auf seiner Seite war, trat er wieder heraus.
»Ich hab’ den ganzen Morgen keinen klaren Gedanken fassen können«, gestand er, als sie jetzt zusammenstanden.
»Ich wußte nur, daß ich dich sehen mußte.«
Er