Blasius Eggensteiner nickte hastig.
»Vielen Dank, Exzellenz, da sag’ ich net nein.«
»Na also«, nickte Ottfried Meerbauer zufrieden. »Dann lassen Sie uns mal hineingehen.«
Der rundliche Pfarrer folgte seinem Vorgesetzten, und der ärgerliche Gedanke an Sebastian Trenker wurde erst einmal in den hintersten Winkel seines Gedächtnisses verbannt.
Allerdings nicht vergessen!
*
Sie hatten das Dorf verlassen und sich einen einsamen Platz gesucht. In einem leichten Birkenwäldchen spazierten sie Hand in Hand.
Wolfgang Burger überlegte, wie er Regina klarmachen konnte, daß ihre Liebe vorerst geheim bleiben mußte.
Nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn seine Mutter etwas davon erfuhr. Sie war imstande, ins Dorf zu fahren und Regina einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Der junge Bauer wußte jetzt schon, daß sie diese Beziehung niemals gutheißen würde, und als Schwiegertochter kam die Krankenschwester schon gar nicht in Betracht.
Aber soweit war es ja noch nicht. Erst einmal mußten sie sich noch besser kennenlernen, ihre Liebe mußte sich festigen, dann konnte man weitersehen.
»Du bist also Bauer«, stellte Regina fest. »Die Frau Stubler hat’s mir gesagt.«
»Ja«, nickte er und erzählte dann von seinem Hof, dem Land, das dazugehörte und von dem Bergwald.
»Ria sagte auch, daß du dort ganz allein’ schaffst, nur zusammen mit deiner Mutter und einer Magd. Ist das net fürchterlich viel Arbeit?«
Wolfgang schmunzelte.
»Na ja, manchmal schon. Man muß es sich eben einteilen.«
Er sah sie an.
»Sag’ mal, da weißt du ja schon mehr über mich, als ich über dich«, stellte er fest.
Regina lächelte.
»Von Menschen, die mich interessieren, möcht’ ich halt’ alles wissen«, antwortete sie.
Er zog sie an sich und küßte sie wieder.
»Ich würd’ dir gern’ den Hof zeigen«, sagte er. »Und dich auch meiner Mutter vorstellen… nur…«
»Nur was?«
Er zuckte die Schultern. »Weißt’, meine Mutter hat eine ganz bestimmte Vorstellung von der Frau, die eines Tages ihre Stelle auf dem Hof einnehmen soll. Bisher hat sie alle meine Freundinnen sehr scharf unter die Lupe genommen.
Ich laß sie gewähren und denk’ mir nix weiter dabei, weil ehrlich gesagt, mir bisher noch keine begegnet ist, bei der es mir so ernsthaft war, wie bei dir. Ich will net, daß du gleich einen schlechten Eindruck von ihr hast, wenn sie dich in Augenschein nimmt, deshalb würd’ ich gern’ noch ein bissel warten, bis ich dich mit ihr bekannt mach’.«
Die hübsche Krankenschwester lächelte.
»Das hört sich ja fast so an, als wenn deine Mutter dir die Braut aussuchen will.«
»Am liebsten würd’ sie das auch«, seufzte der junge Mann. »Wenn’s nach ihr ginge, dann muß es eine aus dem Wachnertal sein, am besten aus einem reichen Haus, damit die Mitgift entsprechend ist.«
Er sah sie zweifelnd an.
»Jetzt denkst’ wohl, daß ich unter dem Pantoffel meiner Mutter steh’. Aber nach dem Tode meines Vaters bin ich alles, was ihr noch geblieben ist. Sie hat sehr unter dem Verlust gelitten und will mich gut versorgt wissen, bevor sie dem Vater nachfolgt. So hat sie sich jedenfalls erst gestern abend ausgedrückt. Ich laß sie halt, aber natürlich wird sie mir net in mein Leben dreinreden.«
Regina verstand, was er meinte. Auch ihre Eltern hatten sich immer darum gesorgt, was aus ihr einmal werden sollte. Den Beruf der Krankenschwester zu ergreifen, damit waren sie einverstanden gewesen – mit der Wahl ihrer männlichen Bekannten nicht immer.
Wolfgang legte seinen Arm um sie. Er hatte auf die Uhr geschaut und festgestellt, daß es beinahe schon Mittag war. Sie waren so in ihr Gespräch vertieft gewesen, daß sie gar nicht merkten, wie schnell die Zeit verging.
»Ich fürchte, wir müssen zurück«, sagte er. »Eigentlich hätt’ ich heut’ morgen auf dem Feld sein müssen. Aber ich wußte, daß ich net vernünftig hätt’ arbeiten können, ohne vorher mit dir gesprochen zu haben.«
»Du lieber Himmel, dann vernachlässigst du ja meinetwegen deine Arbeit!«
»Stimmt«, lachte er. »Und deshalb muß ich heut nachmittag doppelt so schnell sein.«
Als sie ins Dorf zurückgingen, sahen sie einen Mann auf einer Wiese, der das Gras mähte. Er bemerkte sie und schaute von seiner Arbeit auf.
»Grüß dich, Wolfgang«, rief Tobias Brandner erstaunt, als er den Bauern erkannte.
Wolfgang winkte zurück und tat, als hätten sie es eilig.
»Na, jetzt wird’s net mehr lang’ dauern, bis es im Dorf und im Tal herum ist, daß der Burgerbauer eine Freundin hat«, meinte er.
»Schlimm?« frage Regina.
»Naa«, schüttelte Wolfgang den Kopf. »Von mir aus können’s alle wissen. Außerdem hätten sie’s am Samstag ohnehin erfahren.«
Regina runzelte die Stirn.
»Wieso ausgerechnet am Samstag?« fragte sie.
»Weil dann der Tanzabend ist, und wir zwei Hübschen uns diesen Spaß net entgehen lassen werden!« erwiderte er und lächelte sie an.
*
Etwas vor dem Dorf verabschiedeten sie sich. Während Wolfgang einen Umweg machte und seinen Wagen holte, der auf dem Parkplatz des Hotels stand, ging Regina zur Pension zurück.
Sie schwankte zwischen himmelhochjauchzendem Glück und tiefer Nachdenklichkeit. Gestern abend noch hatte sie sich danach gesehnt, von diesem Mann in den Arm genommen und geküßt zu werden, und jetzt, nachdem es geschehen war, kamen ihr wieder Zweifel, ob es richtig war, daß sie sich darauf eingelassen hatte.
Wieder dachte sie an die herbe Enttäuschung, die sie hatte erleiden müssen, und wenn Wolfgang Burger mit jenem Mann von damals auch gar nichts gemein hatte, so kamen doch die alten Ängste zurück.
Schließlich war da auch noch seine Mutter, von der er erzählt hatte. Regina stellte sich eine Glucke vor, die ihr Junges eifersüchtig bewachte.
Und dann fiel ihr plötzlich die Bemerkung der Kollegin ein, am Abend vor ihrem Urlaubsantritt.
»Vielleicht findet sie ja den Mann fürs Leben.«
Sie hatte darüber gelacht, und jetzt war es geschehen.
Regina erreichte die Pension. Ria Stubler war damit beschäftigt, Eintragungen in das Melderegister zu machen. Am Morgen waren zwei Gäste abgereist, heute, im Laufe des Tages, wurden neue erwartet.
»Hallo, Regina«, begrüßte sie die Krankenschwester. »Der Wolfgang Burger war hier und hat nach Ihnen gefragt. Ich hab’ ihn zur Kirche hinübergeschickt. Hat er Sie noch angetroffen?«
Die junge Frau nickte. Ria wollte schon weiterplaudern, doch etwas in der Miene der Krankenschwester ließ sie stutzen.
»Ist etwas net in Ordnung?« fragte sie.
»Ach, Ria«, seufzte Regina. »Wenn ich das nur wüßt’.«
Die Pensionswirtin hatte in all den Jahren, in denen sie nun schon Gäste beherbergte, eine gewisse Menschenkenntnis gewonnen. Sie beurteilte die Leute nicht nach ihrem Äußeren, sondern danach, wie sie sich mitteilten. Bei Regina spürte sie, daß die junge Frau in einem Zwiespalt steckte, und sie war sicher, daß es etwas mit dem jungen Burger zu tun haben mußte.
»Sagen