»Ich kann mein Glück noch gar net fassen!«
Regina ging es ebenso. Gerade noch hatte sie von ihm mit offenen Augen geträumt, und nun stand er leibhaftig vor ihr. Ihr Herz schlug wie rasend in der Brust, als er seinen Arm um sie gelegt und sie geküßt hatte.
Vergessen war die Warnung, die sie sich gestern abend noch selbst gegeben hatte, die Erinnerung an die dunkle Vergangenheit. Sie wollte leben, sie wollte lieben und nicht mehr an das denken, was hinter ihr lag. Sie liebte diesen Mann an ihrer Seite mit Haut und Haaren.
Mehr, als jemals einen Menschen zuvor!
*
Hermine Wollschläger blickte dem Geistlichen argwöhnisch hinterher. Gerade hatte Blasius Eggensteiner das Pfarrhaus verlassen, ohne ihr zu sagen, was er vorhatte.
»Gehen S’ fort?« hatte die Haushälterin erstaunt gefragt. »Gleich ist doch Sprechzeit im Pfarrbüro. Was sag’ ich denn, wenn jemand nach Ihnen fragt?«
»Daß er später wiederkommen soll«, knurrte der rundliche Pfarrer und schloß die Haustür hinter sich.
Hermine eilte an das Fenster im Arbeitszimmer, von dort aus konnte sie sehen, daß Pfarrer Eggensteiner zur Garage marschierte. Sie runzelte die Stirn. Wenn er das Auto nahm, dann war ihre erste Vermutung, der Geistliche würde heimlich ins Wirtshaus gehen, falsch.
Ob diese plötzliche Aktivität etwas mit dem Besuch des Amtsbruders aus St. Johann zu tun hatte?
Früher hätte Hochwürden sie in all diese Dinge eingeweiht, doch seit sie aus Südamerika zurück waren, hatte er sich sehr verändert.
Die Haushälterin wandte sich seufzend vom Fenster ab und sehnte sich einmal mehr nach der Zeit am Orinoko zurück.
Blasius Eggensteiner hatte sein Auto aus der Garage geholt und lenkte es auf die Straße. Sobald er Engelsbach hinter sich gelassen hatte, drückte er auf das Gaspedal.
Er hatte eine Mordswut im Bauch!
Zum einen, weil er einen fürchterlichen Hunger hatte, zum anderen wegen der Dreistigkeit, mit der Sebastian Trenker zu ihm gekommen war und verlangt hatte, er, Blasius, möge sein Einverständnis zu dieser Taufe geben.
Das war doch wohl die Höhe!
Mit einem hatte sein Amtsbruder recht, Bischof Meerbauer würde seine Zustimmung geben, dennoch wollte der Geistliche von St. Anna zu seinem Vorgesetzten und dagegen protestieren. So etwas konnte man einfach nicht hinnehmen.
Und wenn das geregelt war, dann mußte er unbedingt etwas gegen die Diät unternehmen, die seine Haushälterin ihm aufzwang.
Wie sollte man da vernünftig arbeiten und seinen seelsorgerischen Pflichten nachkommen, wenn einem ständig der Magen knurrt!
Blasius Eggensteiner verzog angewidert das Gesicht, als er an den ›Kaffee‹ dachte, den sie ihm immer wieder vorsetzte, obwohl er energisch darauf bestanden hatte, diese Plörre nicht mehr trinken zu müssen. Hermine Wollschläger ignorierte einfach seine Proteste mit dem Hinweis auf seine Gesundheit.
Insgeheim hatte er schon daran gedacht, sie zu entlassen. Aber irgendwie konnte er sich dann doch nicht dazu durchringen. Immerhin war sie schon so viele Jahre bei ihm, hatte sämtliche Reisen mitgemacht und sich auch im Urwald tapfer geschlagen. Solche Erlebnisse verbanden natürlich, und im Grunde wußte er ja auch, daß sie es nur gut mit ihm meinte.
Nur leider ein bissel zu gut.
Aber darum würde er sich später kümmern müssen. Der Geistliche hatte den Amtssitz des Bischofs erreicht und stellte seinen Wagen auf dem Parkplatz vor der Mauer ab, die das Anwesen umgab. Er ging durch die eiserne Pforte und durchquerte einen großzügig angelegten und gepflegten Park.
Hoffentlich empfängt er mich überhaupt, dachte er und schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
Es mußte wohl erhört worden sein, denn kurz nachdem er dem persönlichen Sekretär Bischof Meerbauers seinen Wunsch vorgetragen, und dieser mit einem Kopfnicken in einem Nebenraum verschwunden war, kam Ottfried Meerbauer persönlich in die Halle, in der Blasius Eggensteiner stand und die vielen Gemälde, meist Porträts von kirchlichen Würdenträgern, Vorgängern des Bischofs, betrachtete.
»Gelobt sei Jesus Christus«, sagte er und küßte den Ring seines Vorgesetzten.
»In Ewigkeit, Amen«, erwiderte der und sah den Besucher fragend an. »Nun, Bruder Blasius, was kann ich für Sie tun?«
Der Geistliche von St. Anna hatte sich schon auf der Herfahrt überlegt, wie er die Angelegenheit vortragen sollte. Es brauchte die richtigen Worte, bei so einem heiklen Thema.
Nicht nur, daß der Bischof sich mit Pfarrer Trenker duzte, Blasius wußte, daß er bei seinem Vorgesetzten wegen der dummen Geschichte mit dem Zölibat nicht gerade in einem besonders guten Licht stand.
Vorsicht war also angebracht.
»Vielleicht betrachten Sie die Angelegenheit aus einem anderen Blickwinkel heraus, Exzellenz«, begann er. »Aber ich darf Ihnen versichern, daß sie für mich von eminenter Bedeutung ist.«
»Natürlich, natürlich«, nickte der Bischof. »Aber nun sagen Sie mir doch erst mal, worum es überhaupt geht.«
»Wie? Ach so, ja.«
Pfarrer Eggensteiner hatte nicht damit gerechnet, unterbrochen zu werden und fühlte sich aus dem Konzept gebracht.
»Es geht um das elementare Recht, das eine Einmischung in meine Amtsgeschäfte ausschließt, sofern es nicht eine höhere Autorität ist, wie Sie zum Beispiel, Exzellenz«, fuhr er fort.
Bischof Meerbauer zog die rechte Augenbraue hoch.
»Wer, um alles in der Welt, will sich denn in Ihre Amtsgeschäfte einmischen?« fragte er erstaunt.
»Der Bruder Sebastian.«
»Pfarrer Trenker?«
Ottfried Meerbauer schüttelte den Kopf.
»Das kann ich mir nicht vorstellen.«
Pfarrer Eggensteiner verdrehte innerlich die Augen. Genauso hatte er es sich gedacht, der Bischof würde diesem ewig jungen und so grauenhaft sportlichen Sebastian Trenker so etwas nicht zutrauen.
»Es ist aber so«, beharrte er. »Bruder Sebastian war vor einer Stunde bei mir und hat verlangt, daß ich meine Zustimmung zu einer Taufe gebe, die eigentlich in meiner Kirche abgehalten werden müßte, weil die Eltern des Täuflings zu meiner Kirchengemeinde gehören.«
Sein Vorgesetzter sah den Geistlichen an und zupfte sich am Ohr.
»Nun ja«, antwortete er nach einer Weile. »Ich denk’, Pfarrer Trenker ist nicht zu Ihnen gekommen, um etwas zu fordern, sondern um Sie um etwas zu bitten. Ich finde das höchst anständig von ihm. Immerhin ist es ja wohl der Wunsch der Eltern des kleinen Heiden, daß unser lieber Bruder das Heilige Sakrament vollzieht. Was sollen wir denn da machen?«
Blasius Eggensteiner schürzte die Lippen.
»Ich habe nicht wirklich damit gerechnet, daß Sie da ein Machtwort sprechen würden«, sagte er gepreßt. »Aber ich bin dennoch hergekommen, um meinen Protest kundzutun.«
Der Bischof legte beruhigend seinen Arm um den Geistlichen.
»Aber, Bruder Blasius, ich bitte Sie, wenn es doch der Wunsch der Eltern ist. Besser so, als wenn sie ihr Kind gar net taufen lassen würden. So bleibt auf jeden Fall eine Seele für unseren Herrgott erhalten.«
Er sah den Besucher an.
»Sagen Sie, Bruder, haben Sie eigentlich schon gefrühstückt? Ich noch nicht. Ich hatte heute morgen schon in aller Frühe einen Termin bei meinem Arzt, zur Blutabnahme. Nichts Schlimmes, eine reine Routineuntersuchung; aber Sie wissen ja, daß man da immer nüchtern sein muß. Und jetzt habe ich wirklich großen Hunger.
Wie wär’s, haben Sie nicht Lust, mir Gesellschaft zu