»Natürlich«, schmunzelte Sebastian Trenker. »Ein kleiner Spaziergang macht erst richtg Appetit.«
»Ich könnt’ Sie doch aber eben zurück…«
»Nein, nein«, schüttelte der Geistliche den Kopf. »Das ist lieb gemeint, aber ich hab’ wirklich Freude daran, wenn ich an der frischen Luft bin.«
Daß diese Aussage zutraf, sah man an seinem Gesicht, das stets leicht gebräunt war. Hätte der gute Hirte von St. Johann die meiste Zeit zu Hause verbracht, würde er wohl blasser ausgesehen haben.
»Also, noch mal alles Gute, und pfüt euch zusammen.«
Nachdem Pfarrer Trenker den Hof verlassen hatte, sahen sich die beiden Frauen an. Burgl konnte immer noch nicht fassen, daß das, was sie kurz vorher noch gedacht hatte, nun wirklich in Erfüllung gegangen war.
Diese Kathie war das hübscheste Madl, das sie seit langer Zeit gesehen hatte. Und wenn der Bauer sie zu Gesicht bekam, dann mußte er doch einfach seine Meinung ändern.
Vielleicht net gleich heut’, aber morgen – spätestens übermorgen.
»Jetzt komm erstmal herein«, sagte Burgl. »Deine Sachen holen wir später nach dem Essen. Da zeig’ ich dir dann auch deine Kammer und nachher schauen wir uns den Hof an. Es wird ein Weilchen dauern, bis du dich hier richtig auskennst. Aber wie’s auf einem Bauernhof zugeht, das weißt ja. Wie lang hast denn auf dem anderen Hof gearbeitet?«
Sie waren ins Haus gegangen. Kathie sah sich in der Diele um.
Hübsch war’s und erinnerte sie ein wenig an den Greiningerhof.
»Sieben Jahr«, erzählte sie. »Ich war gerad’ sechzehn, als ich da angefangen hab’.«
Aha, überlegte Burgl, dann ist sie also dreiundzwanzig. Tobias siebenundzwanzig – das paßt doch zusammen.
Das paßt doch prima zusammen.
*
Nach der Arbeit im Bergwald war der Stadlerbauer ins Dorf hinuntergfahren. Ein Termin mit dem Händler, vom dem Tobias das zusätzliche Futter für die Kühe bezog, stand an: Die letzte Lieferung hatte nicht die Qualität der vorhergehenden entsprochen. Der junge Bauer hatte sich ohnehin lange dagegen gewehrt, noch extra Futter einzukaufen, doch im letzten Jahr hatte sich gezeigt, daß nicht alles selbst produziert werden konnte, was die Kühe fraßen.
Jetzt stellte er sich auf eine lange und zähe Diskussion ein. Anton Wehrmann war ein gewiefter Geschäftsmann, der jeden Cent zweimal umdrehte. Entsprechend waren auch seine Preise.
Zu Tobias Erstaunen zeigte sich der Händler heute allerings recht kulant. Er hatte den Bauern in seinem Büro empfangen und ihm einen Stuhl angeboten. Als Tobias saß, griff Anton Wehrmann in ein Fach seines Schreibtisches und zog eine Flasche Enzian hervor.
»Ich weiß, Stadlerbauer, die letzte Lieferung war Mist«, sagte er. »Du bist net der erste, der sich beschwert. Aber laß dir versichern, es ist net meine Schuld. Es liegt an dem Lieferanten. Hätten wir eher bemerkt, daß die Qualität so miserabel ist, hätten wir’s gar net erst ausgeliefert, sondern denen gleich wieder zurückgeschickt.«
Er schenkte zwei Gläser ein und schob eines Tobias hin.
»Prost.«
Der Bauern nickte, nahm das Glas und prostete zurück. »Habt ihr denn net aufgepaßt, als es angeliefert wurde?« fragte er.
Der Futterhändler machte eine saure Miene.
»Hör bloß auf«, winkte er ab. »Im Moment geht’s hier drunter und drüber. Sechs Leute haben sich mit einem Schlag krankgemeldet. Das Personal fehlt an allen Ecken und Kanten.«
Anton Wehrmann beugte sich über den Schreibtisch. »Natürlich bekommst’ einen Preisnachlaß. Sagen wir, fünf Prozent. Und ich garantier’ dir, das auch für die nächsten zwei Lieferungen. Ist das in Ordnung?« Für Tobias Stadler war das sehr in Ordnung. Er nickte. »Das ist sehr fair«, sagte er. »Einverstanden.«
Der Futterhändler atmete auf. Er wollte einen weiteren Schnaps einschenken, doch der Bauer schüttelte den Kopf. »Das reicht. Ich will noch auf einen Sprung ins Wirtshaus.«
Sie unterhielten sich noch eine Weile, ehe Tobias sich verabschiedete. Der Händler begleitete ihn zur Tür.
»Vielen Dank für dein Verständnis, Stadlerbauer«, sagte er und reichte Tobias die Hand.
»Schon gut«, wehrte der ab. »Ich verlaß mich d’rauf, daß die nächsten Lieferungen wieder in Ordnung sind«.
»Das kannst du«, versicherte Anton Wehrmann.
Der junge Bauer stieg in seinen Wagen und fuhr vom Gelände der Firma, die sich am Rande von St. Johann angesiedelt hatte. Bevor er zum Hof zurückfuhr, schaute er kurz ins Wirtshaus. Ein paar andere Bauern und Knechte saßen schon beim Abendschoppen. Tobias begrüßte sie und erkundigte sich, ob sie auch Futter vom Anton Wehrmann bezogen. Bei drei von ihnen war das der Fall, auch ihre Lieferungen waren zu beanstanden gewesen.
»Ich glaub’, der Anton hat eine fürchterliche Angst, daß wir ihm als Kunden abspringen könnten«, grinste der Anstetterbauer. »Sonst wär’ er bestimmt net so kulant gewesen.«
Tobias genehmigte sich ein Bier und verabschiedete sich recht bald wieder. Burgl würde schon mit dem Abendessen warten, und außerdem war heute die neue Magd auf den Hof gekommen. Da konnte der Bauer schlecht erst in der Nacht heimkommen.
Indes, so spät wäre es ohnehin nie geworden. Tobias fuhr äußerst selten ins Dorf hinunter und wenn doch, benutzte er zwar die Gelegenheit zu einem Gespräch mit den anderen Bauern, kehrte aber immer früh wieder zurück.
Als er jetzt auf dem Weg zu seinem Hof war, dachte er über das nach, was ihn schon seit dem Morgen beschäftigte, nachdem er Burgl wieder einmal beruhigen mußte – er dachte an Resl Birkner…
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war er der glücklichste Mensch der Welt. Tobias hatte das hübsche Madl auf der Kirchweih in Waldeck kennengelernt und sich sofort in die Tochter eines Bergbauern verliebt.
Anfangs hatte er gar nicht geglaubt, daß Resl ihn erhören würde. Sie war mit einer Freundin auf die Kirchweih gegangen, und schon während die beiden Schönheiten über den Platz bummelten, bei den Karussells standen oder an den verschiedenen Buden, zogen sie die Blicke auf sich. Die Freundin, Tobias erinnerte sich kaum noch an den Namen, war indes schon verlobt und somit vergeben. Resl allerdings war frei: Doch davon wußte der junge Bauer noch nichts. Er hatte sie nur einige Male über den Platz schlendern sehen, während er an einer Bierbude stand und sich mit Bekannten unterhielt. Schon da klopfte sein Herz schneller, wenn sich ihre Blicke begegneten. Gerne hätte er sie angesprochen und zu einem Getränk eingeladen. Doch so richtig traute sich Tobias nicht. Aber später im Festzelt, als die Musik spielte, da holte er sie sich zum Tanz. Es wurde ein wunderschöner Abend und als sie sich verabschiedeten und er um ein Wiedersehen bat, da gab Resl Birkner ihm ihre Telefonnummer.
Tobias hatte den Zettel geküßt, obwohl er natürlich viel lieber sie in seinen Armen gehalten und geherzt hätte.
Doch soweit war es noch nicht. Resl genoß das Werben des jungen Bauern um sie, und es dauerte über einen Monat, bis sie ihm den ersten Kuß gestattete. Was dann folgte, war die herrlichste Zeit seines Lebens. Wenn Tobias bei der Arbeit war, träumte er davon, wie es sein würde, wenn Resl erst einmal auf dem Hof war, als seine Frau und Bäuerin.
Doch dann kam alles anders.
Unvermittelt hielt er an und starrte aus der Frontscheibe seines Autos nach vorne. Die Erinnerung hatte ihn so überwältigt, daß er unfähig war, weiterzufahren, und Tobias spürte stärker denn je, daß er nie aufgehört hatte, darauf zu hoffen, daß Resl doch noch wieder zu ihm zurückkehrte.
Allerdings hatte sich diese Hoffnung nie erfüllt, und die daraus resultierende Enttäuschung war wohl der Grund, daß der junge Bauer sich nie wieder einer anderen Frau zuwandte.
Er