Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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er zum Pfarrhaus ging, um Anja abzuholen, fühlte er sich wie ein Pennäler bei seiner ersten Verabredung. Er wußte nicht, was es war, aber diese Frau hatte etwas, das ihn magisch anzog.

      War es ihr sympathisches Wesen? Ihr hübsches Aussehen, oder ihre scheinbare Verletzlichkeit?

      Der Fotograf wußte es nicht zu sagen, nur daß er drauf und dran war, sein Herz an Anja Weilander zu verlieren.

      Eine Bedienung brachte ihre Getränke. Florian hob sein Glas und prostete Anja zu.

      »Noch mal herzlichen Dank für Ihre Hilfe«, sagte er und schaute ihr dabei tief in die Augen.

      Ihre Gläser stießen klimpernd aneinander.

      »Waren Sie schon immer Fotograf?« erkundigte sie sich.

      Er nickte.

      »Aber sagen Sie, wollen wir uns net duzen?« fragte er.

      »Schließlich sind wir doch junge Leute.«

      »Gerne«, lächelte Anja.

      Florian erzählte, daß er mit acht Jahren seinen ersten Fotoapparat geschenkt bekommen hatte, und daß von diesem Tag an für ihn feststand, daß das Fotografieren einmal sein Beruf sein würde.

      Er war ein glänzender Plauderer, und Anja konnte gar nicht genug bekommen, von den vielen Geschichten und Anekdoten, die er so erlebt hatte.

      Irgendwann lehnte er sich zurück. Sie hatten inzwischen das dritte Glas getrunken. Florian sah Anja an und schmunzelte.

      »Jetzt kennst’ mein ganzes Leben«, sagte er, »und von dir weiß ich noch gar nix.«

      Sie trank einen Schluck.

      »Ach, da gibt’s eigentlich net viel zu erzählen«, wich sie aus.

      Doch er schüttelte den Kopf.

      »Kneifen gibt’s net.«

      Dabei schaute er sie so bittend an, daß sie ihm den Wunsch nicht abschlagen konnte. Also berichtete sie von ihrer Kindheit, den Eltern, der Schule, der Lehre, ihrer Arbeit im Kaufhaus. Florian hörte interessiert zu und atmete insgeheim auf, als sie nichts von einem Mann erwähnte. Er selbst hatte während seiner Erzählung einfließen lassen, daß er ungebunden war.

      »Und wie ist es zu dem Unfall gekommen?« erkundigte er sich.

      Im nächsten Moment bereute er diese Frage. Ein dunkler Schatten war über das hübsche Gesicht gehuscht, und Anjas Miene wirkte wie versteinert.

      »Entschuldige«, bat Florian. »Ich frag’ net aus Neugier. Mich hat’s halt interessiert, wie du…«

      »Schon gut«, unterbrach sie ihn. »Warum soll ich’s dir net erzählen.«

      Den ganzen Nachmittag schon hatte sie sich auf den Abend mit ihm gefreut. Und sie hatte selbst schon überlegt, wie sie reagieren sollte, wenn er sie nach dem Unfall fragte.

      Schließlich war sie zu dem Entschluß gekommen, nichts zu verschwiegen. Dazu gab es keinen Grund. Vielleicht half es ihr sogar, über alles hinweg zu kommen, wenn sie mit noch jemandem darüber sprach.

      Florian zeigte sich sehr bestürzt, als er die ganze Geschichte hörte.

      »Das ist ja entsetzlich«, sagte er und griff unwillkürlich nach Anjas Hand. »Und dieser Kerl hat dich net einmal besucht, als du in der Klinik lagst? Sich net einmal nach dir erkundigt?«

      Sie schüttelte stumm den Kopf und genoß die Berührung seiner Hand.

      »Damals hab’ ich noch gehofft und war verzweifelt, als er sich net meldete«, sagte sie. »Inzwischen weiß ich, daß es nur die Angst und die Einsamkeit waren. Ich hatte ja längst mit ihm Schluß gemacht. Aber wenn einem so etwas widerfährt, wie der Unfall, dann klammert man sich eben an jeden Strohhalm.«

      »Du lieber Himmel«, entfuhr es Florian. »Ich hab’ ja net geahnt, was für eine entsetzliche Zeit du hinter dir hast. Was mußt du nur alles durchgemacht haben!«

      Und sie kam ihm jetzt noch schutzbedürftiger vor, als vorher. Noch immer hielt er ihre Hand und schaute sie an.

      »Anja«, sagte er leise, »als wir uns begegnet sind, da hab’ ich gespürt, daß da was ist. ich hab’ viel darüber nachgedacht und ich weiß, daß es nur Liebe sein kann. Ja, ich liebe dich. Du hast eine große Enttäuschung erlebt, und ich kann’s verstehen, wenn du ängstlich bist und dich net schon wieder binden willst.

      Aber ich hab’ Zeit. Ich kann warten, und du wirst sehen, daß net alle Männer so sind, wie der, den du verlassen hast.«

      Ihr war ganz warm ums Herz geworden, als er so zu ihr sprach, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie drückte seine Hand, und ihre Lippen schienen zu sagen, daß er sie küssen solle.

      »Ich glaube, ich liebe dich auch, Florian«, antwortete sie. »Aber du hast recht, ich brauch’ noch Zeit. Net, um mir darüber klar zu werden, ob ich dich wirklich liebe oder net, sondern um mein Selbstbewußtsein wiederzufinden, das ich bei Carsten verloren hab’. Ich muß erst wieder der Mensch werden, der ich vorher war, und ich hoffe, daß du das verstehen kannst.«

      »Ja, Anja«, nickte er. »Das verstehe ich gut. Und ich verspreche dir, daß ich dir diese Zeit geben werde.«

      Hand in Hand gingen sie zum Pfarrhaus zurück.

      »Gute Nacht«, sagte Florian und schaute sie liebevoll an.

      »Gute Nacht, Florian«, antwortete Anja, und er bemerkte ihr Zögern.

      »Was ist?« frage er.

      Anja lächelte.

      »Wie wär’s, wenn du mich jetzt küßt?«

      Das ließ er sich natürlich nicht zweimal sagen. Zärtlich preßten sich seine Lippen auf ihren Mund, und in diesem Moment dachte Anja nicht mehr an das, was hinter ihr lag.

      *

      Carsten Winter fluchte laut vor sich hin. Seit gestern der Brief von dem Anwalt gekommen war, hatte er keine ruhige Minute mehr gehabt. Sein erster Versuch, in der Klinik anzurufen, war fehlgeschlagen – sein Telefon war gesperrt worden, weil er die letzten zwei Rechnungen nicht bezahlt hatte. Wie verrückt hatte er alle Schränke und Schubladen durchsucht. In einer von Anjas Handtasche war er fündig geworden. Im Seitenfach steckte eine Telefonkarte. Er hoffte inständig, daß noch ein Guthaben darauf war, und rannte zur nächsten Telefonzelle. Er hatte Glück. Den Zettel, mit der Nummer der Klinik, fand er zwischen der ungeöffneten Post. Doch dann ereilte ihn das Pech wieder. Anja Weilander habe am vergangenen Sonnabend die Klinik verlassen, wurde ihm mitgeteilt.

      Ratlos war Carsten Winter wieder nach Hause gegangen.

      Wo mochte sie stecken?

      Verwandte hatte Anja nicht mehr, außer diesem Großonkel. Aber der war ja inzwischen wohl tot.

      Und Freunde?

      Er wußte nur von ein paar Arbeitskolleginnen, mit denen sie ab und zu ausgegangen war. Die anderen, die sie kannte, gehörten alle zu seinem Freundeskreis, und mit denen hatte sie nie viel anfangen können.

      Aber wie hießen die von der Arbeit noch?

      Frauke, fiel ihm endlich ein Name ein. Frauke Kistner. Also war er am frühen Abend zu dem Kaufhaus gegangen. Daß Anja schon wieder arbeitete, war unwahrscheinlich. Sie war wohl noch krankgeschrieben, vermutete er.

      Carsten stellte sich an die Rückseite des Geschäfts, wo sich der Personalausgang befand, und wartete ungeduldig. Endlich schienen die ersten Angestellten Feierabend zu haben. Als Frauke Kistner durch die Tür kam, trat er mit einem Lächeln auf sie zu.

      »Hallo, hast du einen Moment Zeit?« fragte er.

      Anjas Kollegin war gerade mit einer anderen Frau in ein Gespräch vertieft. Sie schaute verdutzt auf, als Carsten Winter sie ansprach.

      »Nur kurz«, bat er.

      Frauke nickte der Kollegin zu, die rasch weiterging