Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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hab’ wunderbar geschlafen«, sagte Anja und fragte, ob sie etwas helfen könne.

      »Das freut mich für Sie«, sagte Sebastian Trenker.

      Er schaute sich um.

      »Ich glaub’, bis auf den Kaffee haben wir alles.«

      Später saßen sie zusammen, und Anja erzählte noch einmal ihre Geschichte, von Anfang an. Eigentlich spulte sie ihr ganzes bisheriges Leben vor dem guten Hirten von St. Johann ab und wunderte sich selber darüber, daß sie so frei und offen sprechen konnte.

      Es muß diese offene und herzliche Art sein, überlegte sie zwischendurch, die es einem leicht macht, diesem Mann sein Herz zu öffnen.

      Schließlich kamen sie auch auf den Klinikaufenthalt zu sprechen.

      »Ich hab’ schon mit dem Doktor telefoniert«, erklärte der Geistliche, »und ihm schon ein bissel was erzählt. Natürlich müssen S’ das morgen in aller Ausführlichkeit selbst noch mal machen. Aber Dr. Wiesinger erwartet Sie am Nachmittag gegen drei Uhr. Er bat mich, Ihnen auszurichten, daß Sie alles mitbringen möchten, was Sie in der Klinik mitbekommen haben. Also Krankenunterlagen, Brief an den Hausarzt, sowie sämtliche Medikamente.«

      »Das mach’ ich«, nickte Anja. »Vielen Dank, Hochwürden, auch für alles andere, was Sie für mich tun.«

      »Dafür net«, wehrte Sebastian ab. »Schließlich ist’s meine Aufgaben, zu helfen, wenn ich kann.«

      Es dauerte nur ein paar Minuten, die Anja warten mußte, dann kam die Arzthelferin und bat sie in das Sprechzimmer.

      Toni Wiesinger begrüßte die junge Frau, die zu dem jungen, sympathischen Arzt sofort Vertrauen faßte. Er bat sie, Platz zu nehmen, und ließ sich in aller Ausführlichkeit schildern, wie es zu dem Unfall gekommen war. Vor allem auch, was davor geschah. Dr. Wiesinger wußte aus Erfahrung, daß viele Krankheiten auch eine psychosomatische Ursache hatten. Als er die Unterlagen gelesen hatte, die der behandelnde Arzt in der Klinik Anja Weilander mitgegeben hatte, sah er seine Annahme bestätigt. Von den körperlichen Schäden, die der Unfall hervorgerufen hatte, war die Patientin weitestgehend genesen. Der Kollege vermutete, daß die immer wieder auftretenden Kopfschmerzen eine seelische Ursache hatten. Dennoch untersuchte Dr. Wiesinger Anja noch einmal gründlich. Schließlich nickte er zufrieden.

      »Ich will Sie net noch mal mit unsinnigen Test quälen«, sagte er im abschließenden Gespräch. »Die haben S’ in der Klinik zur Genüge über sich ergehen lassen müssen. Was wir jetzt getan haben, geschah, um mir selbst ein Bild über Ihren Zustand zu machen. Ihre Werte sind in Ordnung, da gibt’s nix zu verbessern. Allerdings sind da noch die Kopfschmerzen, die mir ein bissel Sorge machen.«

      »Glauben Sie, daß ich noch mal operiert werden muß?« fragte Anja angstvoll.

      »Nein, nein«, beruhigte der Arzt sie, »auf gar keinen Fall. Das, was die Schmerzen hervorruft, kann man net wegoperieren.«

      Er schaute die junge Frau eindringlich an.

      »Sie haben mir vorhin erzählt, wie es zu dem Unfall kam. Insbesondere, was dem vorausgegangen war, der Streit mit Ihrem Verlobten. Hierin seh’ ich die Ursache für Ihre Beschwerden, und da müssen wir ansetzen.«

      Im Grunde war ihm alles klar. Anja Weilander hatte sehr viel in diese Beziehung zu Carsten Winter gesteckt. Nicht nur materiell, mehr noch emotional. Wie sie erzählte, war er der Mann ihrer Träume gewesen. Er sah blendend aus, konnte ein charmanter Unterhalter sein und hatte die junge Frau vom ersten Augenblick ihres Kennenlernens an fasziniert. Er bot ihr ein Heim und Geborgenheit, holte sie aus ihrer Einsamkeit, in der sie sich nach dem Tode der Eltern verkrochen hatte, und dafür war Anja bereit gewesen, ihm blind zu vertrauen. Bis zur Selbstaufgabe. Erst im letzten Moment ging ihr ein Licht auf und sie zog die Konsequenzen. Die vordringlichste Frage, die sich Toni Wiesinger jetzt stellte, war, ob Anja Weilander wirklich dieses Kapitel für sich abgeschlossen hatte oder ob sie diesen Mann doch immer noch liebte.

      »Nein«, schüttelte sie auf seine Frage den Kopf, »ganz gewiß net. Net, nach dieser Enttäuschung, und seinem Schweigen. Er hat ja net einmal versucht, mit mir Verbindung aufzunehmen, obwohl man ihn seitens der Klinik verständigt hatte. Nein, Dr. Wiesinger, mit dem Mann bin ich fertig.«

      Der junge Arzt nickte.

      »Dann wollen wir uns mal darum kümmern, daß wir Ihre Kopfschmerzen in den Griff bekommen«, sagte er und nahm ein dickes, ledergebundenes Buch zur Hand.

      Jetzt war er nicht mehr nur der Allgemeinmediziner, sondern zugleich auch Homöopath. Schon früh hatte Toni Wiesinger erkannt, welches Potential in dieser »sanften« Medizin steckte. Es mußten nicht immer die chemischen Präparate sein, mit ihren oft sehr schädlichen Nebenwirkungen.

      Zusätzlich zu den Fachbüchern verfügte der Arzt über ein Computerprogramm, in das er die Daten der Patientin eingab. Alter, Größe, Gesundheitszustand, die markanten Symptome der Erkrankung. In Windeseile schlug der Computer zwei, drei Mittel vor, die Toni Wiesinger noch einmal mit den Vorschlägen aus dem Buch abglich. Er nickte zufrieden. Dann stand er auf und ging zu einer Anrichte, die er öffnete. Hinter den Türen befand sich eine Reihe von flachen Schubladen, in denen unzählige Döschen und Gläser standen, gefüllt mit den unterschiedlichsten Präparaten. Angefangen bei Aconitum, über Belladonna und Nux vomica bis hin zu Silicea.

      Der Arzt nahm ein durchsichtiges Papiertütchen und füllte einige von den weißen Kügelchen aus einer Dose hinein.

      »So«, sagte er und reichte Anja das Medikament, »davon nehmen S’ abends drei Kügelchen und lassen sie im Mund zergehen. Sollten die Kopfschmerzen akut auftreten, ebenfalls drei Stück nehmen.«

      Er deutete auf die Schachtel mit den Kopfschmerztabletten, die sie aus der Klinik mitgebracht hatte.

      Die setzen wir ab. Am besten lassen S’ sie gleich hier, und ich entsorg’ sie.«

      *

      Anja fühlte sich unendlich erleichtert, als sie die Praxis wieder verließ. Besonders das Gespräch mit dem Arzt hatte ihr gut getan und sie darin bestärkt, daß es keinen Schritt zurück geben konnte. Sie wollte Carsten endlich aus ihrem Kopf streichen und einen Neuanfang wagen, wenn sie sich erholt hatte.

      Einen kurzen Moment mußte sie lächeln, als sie an den jungen Mann dachte, mit dem sie in der Tür des Pfarrhauses zusammengestoßen war. Er hatte gut ausgesehen und war ihr auf den ersten Blick sympathisch gewesen.

      Du mußt wirklich auf dem Wege der Besserung sein, Anja Weilander, dachte sie mit einem Anflug von Humor, wenn du schon wieder an einen Mann denken kannst!

      Pfarrer Trenker freute sich zu hören, daß der Besuch bei Dr. Wiesinger so erfolgreich verlaufen war.

      »Ich bin sicher, daß das Mittel Ihnen helfen wird, die Kopfschmerzen loszuwerden, ohne jede Nebenwirkung«, sagte er. »Und in ein paar Tagen, da werden wir schon gemeinsam eine kleine Bergtour unternehmen können.«

      »Glauben S’ das wirklich?« fragte sie.

      »Aber ganz bestimmt«, nickte der Bergpfarrer mit Nachdruck.

      Bis zum Abendessen war es noch ein bißchen Zeit. Anja verzichtete darauf, Kaffee zu trinken. Der Arzt hatte sie darauf hingewiesen, daß das Koffein die Wirkung des homöopathischen Mittels beeinträchtigen würde. Sophie Tappert kochte ihr einen Tee, den die junge Frau im Pfarrgarten trank, während sie nebenbei in der Tageszeitung blätterte.

      Zum ersten Mal seit – ja seit sie den Unfall hatte.

      Später setzte sich Pfarrer Trenker zu ihr und erzählte von dem jungen Mann, der ihn besucht hatte.

      »Der Herr Mahler ist Fotograf. Eigentlich macht er Urlaub hier, möchte aber auch einige Fotos in der Kirche machen, für einen Bildband. Ich glaub’, daß das eine schöne Sache wird. Dadurch bekommen gewiß noch mehr Leute Lust, hier ihre Ferien zu verbringen.«

      Anja hörte interessiert zu. Sie hatte während des Lesens gemerkt, daß ihre Gedanken immer wieder abschweiften. Florian Mahler hieß er also. Sie fragte sich,