Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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ein, der verführerisch in den Bechern dampfte.

      »Du meine Güte«, entfuhr es Florian Mahler, als er die vielen Päckchen mit den belegten Broten sah. »Wer soll denn das alles essen?«

      »Sie werden sich wundern«, schmunzelte der Bergpfarrer. »Viel wird net davon übrigbleiben.«

      Herzhaften Schinken und kräftigen Käse hatte Sophie Tappert auf die mit Butter bestrichenen Brotscheiben gelegt und eingepackt. Köstlich schmeckte es ihnen nach diesem Aufstieg.

      Natürlich hatte Florian einen Fotoapparat mitgenommen. Nicht eine der professionellen Kameras, aber doch eine, mit der er hervorragende Fotos machen konnte.

      Es verstand sich von selbst, daß eines seiner begehrtesten Motive Anja war…

      Sebastian erzählte seinen beiden Bergkameraden viele Dinge über die Alpen, die sie bisher nicht gewußt hatten, zeigte ihnen die verschiedensten Bewohner der Berge und besonders seltene Pflanzen, die meist auch unter Naturschutz standen.

      Anja und Florian saßen nebeneinander und hörten gespannt zu. Soviel hätte ihnen kein Lehrer im Unterricht vermitteln können.

      Nach einer guten Stunde gab der gute Hirte von St. Johann das Zeichen zum Aufbruch.

      »Wenn wir die Hütte zum Mittag erreichen wollen, dann wird’s Zeit.«

      *

      Carsten Winter kam am späten Vormittag in dem Dorf an. Er fuhr erst einmal eine Runde, um sich zu orientieren, und stellte den alten Campingbus dann auf dem Parkplatz des Hotels ab.

      Von dem Geld, das er in Anjas Jacke gefunden hatte, war das meiste für Benzin draufgegangen. Er hatte sich ein wenig Proviant gekauft, den er jetzt verzehrte. Anschließend machte er sich auf den Weg zur Kirche. Als er gerade den Kiesweg hinaufgehen wollte, stockte plötzlich sein Schritt.

      Vielleicht war es nicht so gut, Anja im Pfarrhaus aufzusuchen, überlegte er. Wer weiß, was sie dem Geistlichen alles über ihn erzählt hatte. Da war es besser, einen Moment abzupassen, in dem sie alleine unterwegs war.

      Er spazierte ein wenig die Straße auf und ab und kehrte dann zu seinem Wagen zurück. Auf der Herfahrt hatte er sich genau überlegt, wie er vorgehen, was er ihr sagen wollte. Gleich mit der Tür ins Haus fallen und ihr freudestrahlend von der Erbschaft erzählen, war keine gute Idee. Erst einmal mußte er sich ihrer alten Gefühle für ihn wieder sicher sein.

      Carsten Winter fuhr den Bus weiter nach vorne. Neben der Einfahrt war eben ein Platz freigeworden, auf den er sich jetzt stellte. Von dort aus hatte er einen besseren Blick zur Kirche hinüber und würde sofort sehen, wenn Anja den Weg herunter kam.

      Und dann konnte er sich nur noch in Geduld fassen und von den Reichtümern träumen, die ihn erwarteten. Wenn es sein mußte, würde er sie sogar heiraten, um an das Geld zu kommen. Allerdings hoffte er, daß er nicht soweit würde gehen müssen.

      Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Zwischendurch nickte er immer wieder ein, und schreckte hoch, wenn ein anderes Auto auf den Parkplatz fuhr oder jemand über die Straße ging. Anja war nicht unter den Leuten, die durch das Dorf spazierten, und nachdem er ein paar Stunden gewartet hatte, fragte sich Carsten Winter, ob er nicht vielleicht einer falschen Information aufgesessen war.

      Hielt sich Anja denn wirklich hier in diesem Ort auf, oder hatte Frauke Kistner ihn etwa einfach angelogen?

      Am liebsten wäre er ausgestiegen und zum Pfarrhaus gegangen, um sich nach ihr zu erkundigen. Doch dann ließ er es bleiben. Bei ihrem ersten Zusammentreffen sollte es möglichst keinen Zeugen geben. Jemand, der Anja vielleicht beeinflußte.

      Carsten öffnete die Tür und stieg aus. Vom vielen Sitzen war er ganz steif geworden, und in seinen Beinen kribbelte es. Er lief ein paar Schritte, um die Blutzirkulation wieder in Gang zu bringen. Außerdem hatte er Hunger. Die belegten Semmeln, die er am Morgen gekauft hatte, waren alle verzehrt, und zu trinken hatte er auch nichts mehr.

      In Gedanken zählte er das Geld durch, das er noch besaß und beschloß, in den Kaffeegarten des Hotels zu gehen. Inzwischen war es früher abend geworden, und viele Leute saßen unter den hohen Bäumen und nahmen ihre Mahlzeit zu sich.

      Carsten setzte sich an einen freien Tisch und bestellte Kaffee und ein Schinkenbrot. Während er genüßlich aß, stellte er sich das Gesicht vor, das Anja machen würde, wenn sie ihm plötzlich gegenüberstand.

      »Schatz, es tut mir unendlich leid«, würde er sagen, und wenn es half, sogar eine Träne vergießen.

      Und dann mußte er sie überreden, mit ihm zu kommen. Wenn sie sich weigerte, würde er auf eine Aussprache dringen. Die zumindest war sie ihm schuldig, nach all den Jahren, die sie zusammengelebt hatten. War sie dann erst einmal im Campingbus, dann wußte er schon, was er zu tun hatte. Bisher hatte er noch jede Frau herumgekriegt. Unter seinen Küssen und Liebesschwüren wurden alle schwach, und Anja bildete da keine Ausnahme. Nur zu gut erinnerte er sich der leidenschaftlichen Stunden, die sie erlebt hatten. Und diese Erinnerung mußte auch Anja überzeugen, daß er der richtige Mann für sie war.

      In aufgeräumter Stimmung bezahlte er und verließ den Kaffeegarten durch den Seiteneingang. Wenn er heute abend nichts mehr von Anja sah, dann würde er morgen seine Taktik ändern und doch zum Pfarrhaus gehen.

      Carsten spazierte ein Stück die Straße hinunter, bis zu dem kleinen Einkaufszentrum, und kehrte dann zum Parkplatz zurück. Bevor er durch die Einfahrt ging, warf er einen Blick zurück und erstarrte – auf der anderen Straßenseite stand Anja.

      In Begleitung zweier Männer!

      Auch wenn sie diese merkwürdigen Sachen trug, erkannte er sie sofort. Offenbar hatten die drei eine Wanderung gemacht.

      War einer von ihnen der Geistliche?

      Carsten zog scharf die Luft ein, als er sah, wie Anja sich zu einem der Männer hinüber beugte. Es war der Jüngere. Sie legte ihren Arm um seinen Hals und küßte ihn.

      Rasch drückte er sich in die Einfahrt, um nicht gesehen zu werden. Sein Herz hämmerte in der Brust.

      Sie hat einen Geliebten, schoß es ihm durch den Kopf.

      Das änderte einiges, wenn nicht sogar alles. Jetzt mußte er anders vorgehen, als er es sich überlegt hatte.

      Wer war der Kerl? Wo hatte sie ihn kennengelernt? Hier oder schon in der Klinik?

      Letzteres war eher unwahrscheinlich. Frauke Kistner würde es ihm wohl erzählt und ihn darauf hingewiesen haben, daß er bei Anja keine Chancen mehr habe.

      Aber das war im Moment auch egal. Jetzt kam es darauf an, sie alleine zu stellen und in den Bus zu locken. Dann würde man schon weitersehen.

      Er beobachtete, wie Anja und der ältere Mann zur Kirche weitergingen, während der andere in einer Seitenstraße verschwand. Langsam öffnete Carsten die Tür des Busses und stieg ein.

      Heute würde Anja das Pfarrhaus wohl nicht mehr verlassen, vermutete er. Nicht, nachdem sie eine Bergwanderung gemacht hatte. Er konnte sich also beruhigt schlafen legen.

      Carsten stieg in den hinteren Teil des Busses und zog die Vorhänge zu.

      Hoffentlich kommt niemand vom Hotel und beschwert sich, daß ich hier steh’, dachte er noch, bevor er die Augen schloß und einschlief.

      *

      Anja sank nach dem Abendessen müde, aber glücklich ins Bett. Ein unvergeßlicher Tag lag hinter ihr.

      Nach der Frühstückspause waren sie zügig weitergewandert. Zwischendurch erkundigte sich Pfarrer Trenker nach ihrem Befinden, und sie versicherte, daß es ihr ausgezeichnet gehe. Auf Anfragen Dr. Wiesingers hatte sie von den homöopathischen Kügelchen eine Wasserauflösung gemacht und gestern hin und wieder einen Schluck davon getrunken. Es mußte ein wahres Wundermittel sein, denn die Kopfschmerzen hatten sie bis jetzt verschont, und sie fühlte sich leicht und unbeschwert.

      Gegen Mittag sahen sie die Kandererhütte malerisch in einer Senke liegen. Auf den Wiesen ringsum standen Kühe und Ziegen,