Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740960018
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er würde seinen Urlaub in den Bergen verbringen. Doch davon hatte er sich nicht beirren lassen. Florian war es leid, die schönsten Wochen des Jahres – wenn es in diesem Falle auch nur zwei waren – immer irgendwo zu verbringen, wo Jubel, Trubel und Heiterkeit herrschten. Ihm stand einfach nicht der Sinn danach, er wollte seine Ruhe haben, ein bißchen wandern, vielleicht ausreiten, wenn es die Möglichkeit dazu gab, und ansonsten möglichst nichts vom Geschäft hören.

      Deshalb auch seine Ankündigung, das Mobiltelefon auszulassen.

      Der Mann im Reisebüro hatte den goldrichtigen Tip für ihn.

      »Da kommt nur St. Johann in Betracht«, sagte er und holte ein paar Prospekte.

      Florian gefiel, was er sah.

      »Hotel oder Pension?« erkundigte sich der Mann.

      Der Fotograf hätte sich das Hotel durchaus leisten können, aber er entschied sich für eine kleine Pension. Dort ging es in der Regel immer persönlicher zu, als in einem großen Betrieb, wo meist Anonymität herrschte. Früh genug gebucht, war es überhaupt kein Problem, ein Zimmer zu bekommen, und jetzt freute sich Florian Mahler auf die zwei Wochen, die vor ihm lagen. Gleich morgen früh würde er sich ins Auto setzen und dann wollte er von der Arbeit nichts mehr sehen oder hören.

      Bis auf die Fotos, von denen er hoffte, daß er sie in der Kirche machen durfte. Bisher hatten sie in dieser Hinsicht nie Schwierigkeiten gehabt, und die Tatsache, daß Professor Bernhard diesen Pfarrer Trenker kannte, konnte ja nur hilfreich sein.

      *

      »Frau Tappert, wir haben einen Gast«, rief Sebastian als sie das Pfarrhaus betraten.

      Sophie Tappert kam aus der Küche.

      »Das ist die Frau Weilander«, erklärte der Geistliche. »Sie wird für ein paar Tage bei uns wohnen. Sein S’ so nett, und richten wir nachher eines der Gästezimmer her.«

      Die Haushälterin nickte und begrüßte Anja freundlich.

      Die junge Frau stand ein wenig scheu im Flur. Aber die herzliche Aufnahme im Pfarrhaus ließ sie lächeln. Auf dem Weg von der Kirche hierher hatte sie noch gedacht, daß es doch unmöglich wäre, dieses Angebot anzunehmen. Schließlich war es ja keine Pension. Doch dann hatte sie überlegt, daß geistlicher Beistand vielleicht das Dringendste war, was sie jetzt brauchte, und die unkomplizierte Art Pfarrer Trenkers machte es ihr leicht, sich jetzt darauf einzulassen.

      Im Eßzimmer war der Tisch schon gedeckt. Sophie Tappert kam durch den zusätzlichen Gast nicht in Verlegenheit, sie kochte immer reichlich bemessen, und meistens wurde auch alles aufgegessen.

      Allerdings waren Max und Claudia heute nicht da. Der Bruder des Geistlichen, der in St. Johann als Polizist tätig war, hatte sich ein paar Tage freinehmen können und seine attraktive Freundin zu einem Kurzurlaub eingeladen. Die Journalistin lebte und arbeitete in Garmisch Partenkirchen, und meist sahen sie und Max sich nur am Wochenende, wenn Claudia herüberkam.

      Sophie Tappert servierte eine klare Bouillon, mit Streifen von Kräuterpfannkuchen und Markklößchen darin.

      »Lassen S’ sich schmecken«, munterte Sebastian die junge Frau auf, zuzugreifen.

      Eigentlich war Anja noch vom Frühstück satt. Sie aß ohnehin recht wenig und in den vergangenen Monaten waren die Portionen noch kleiner geworden. Doch der kräftige, aromatische Duft der Suppe regte ihren Appetit an.

      »Hm, schmeckt köstlich«, sagte sie.

      Der Bergpfarrer beobachtete sie. Noch wußte er nicht, was er mit Anja Weilander anfangen sollte – von ihrem Unfall ahnte er noch überhaupt nichts –, doch er hatte das Gefühl, daß die junge Frau einiges durchgemacht hatte. Die traurigen Augen, ihre blasse Haut und die zaghaften Bewegungen waren nur ein paar eindeutige Indizien.

      Nach Rahmbraten mit Gemüse aus dem Pfarrgarten und einen Vanille-Grießpudding bat er sie in den Garten hinaus. Die Sonne fiel auf die Terrasse, als Sebastian Anja aufforderte, in einem der bequemen Gartenstühle Platz zu nehmen. Die Haushälterin brachte Kaffee und kehrte in die Küche zurück, um sich um den Abwasch zu kümmern.

      »Darf ich fragen, woher Sie kommen?« erkundigte der Geistliche sich nach dem ersten Schluck.

      Anja hatte etwas Milch in ihren Kaffe gerührt. Sie trank ebenfalls, ehe sie antwortete.

      »Bis jetzt war ich in Regensburg zu Hause«, erwiderte sie leise.

      Natürlich war Sebastian die Formulierung nicht entgangen.

      »Bis jetzt…?« fragte er.

      Anja holte tief Luft und biß sich auf die Unterlippe. Ihre Mundwinkel bebten, und Tränen traten ihr in die Augen.

      »Ich…, ich hab’ dort mit einem Mann zusammengelebt«, fuhr sie schließlich fort. »Nach einem Streit – ich weiß net, der wievielte es war – bin ich nachts mit dem Auto verunglückt. Drei Monate lag ich in einer Münchener Klinik, und vorgestern hat man mich dort entlassen. Jetzt bin ich hier und weiß eigentlich net, wie’s weitergehen soll.«

      Sie sah Sebastian an, und der gute Hirte von St. Johann konnte deutlich merken, wieviel Mühe es Anja Weilander kostete, nicht erneut in Tränen auszubrechen.

      »Ja, das ist, sozusagen in Kurzform, meine Geschichte.«

      »Die aber sehr viel früher beginnt.«

      Die junge Frau nickte unmerklich.

      »Sie müssen sie mir aber jetzt net in voller Länge erzählen«, beruhigte Sebastian sie. »Vielleicht nur, zum Verständnis, was ist mit dem Mann? Hat er sie net aus der Klinik abgeholt? Vielleicht war er verhindert. Aber wird er dann net auf Sie gewartet haben?«

      Anja verzog den Mund.

      »Carsten? Der hat mich ja net einmal besucht, als ich schwerverletzt in der Klinik lag«, schüttelte sie den Kopf. »Wir hatten Streit an dem Abend, das hatte ich ja schon erwähnt. Einer von ungezählten in den letzten Wochen und Monaten. Der Grund dafür war wieder einmal das liebe Geld. Carsten ist von Beruf Informatiker, aber seit zwei Jahren arbeitslos. Angeblich findet er keine Stelle, aber ich glaube vielmehr, daß er es sehr bequem fand, von meinem Geld zu leben. Ich habe eine Arbeit, als Stellvertreterin der Personalchefin in einem Kaufhaus und verdiene nicht schlecht. Jedenfalls reichte es für die Miete, Essen und was man sonst noch so braucht. Sogar ein bissel sparen konnte ich. Jedenfalls solange, bis Carsten arbeitslos wurde. Angeblich hatte die Firma Pleite gemacht, inzwischen habe ich allerdings erfahren, daß man ihm dort fristlos kündigte, weil er Geld unterschlagen hatte.

      Wie gesagt, darüber, und weil er sich überhaupt nicht bemühte, eine neue Arbeit zu finden, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen. Wissen Sie, Hochwürden, es ist seine Wohnung, ich bin damals bei ihm eingezogen, und an diesem Abend, da wollte ich einfach nur noch weg. Ich hab’ mich in mein Auto gesetzt und bin ziellos durch die Gegend gefahren. Auf einer regennassen Landstraße ist es dann passiert. Ich verlor die Kontrolle über den Wagen, und die Fahrt endete an einem Baum.

      Heut’ weiß ich gar net mehr, wie das alles geschah. Es ging so schnell. Glücklicherweise hatte ein anderer Autofahrer den Unfall gesehen und schnell den Notarzt alarmiert. Erst wurde ich in Regensburg ins Krankenhaus gebracht und dann noch in derselben Nacht nach München geflogen.«

      »Die Verletzungen, von denen Sie sprachen, haben S’ die ohne bleibende Schäden überstanden?«

      »Im großen und ganzen ja«, nickte Anja. »Hin und wieder hab’ ich noch starke Kopfschmerzen. Der Arzt in der Klinik hat mir Tabletten mitgegeben, die ich aber nur vorsichtig einnehmen soll, wegen der möglichen Nebenwirkungen. Er meint, mein Hausarzt würde das Mittel bald gegen ein anderes austauschen.«

      Sie zuckte die Schultern.

      »Hausarzt ist gut. Ich hab’ ja net mal ein Zuhause.«

      »Darüber machen S’ sich erstmal keine Gedanken«, sagte Sebastian nachdrücklich. »Sie können hierbleiben, solang’ Sie wollen. Übrigens haben wir hier einen hervorragenden Arzt im Ort, der sich gern’ um Sie kümmern wird.