Jeder Tag ein Muttertag. Katharina Grabner-Hayden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Katharina Grabner-Hayden
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902862297
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Sauerkraut um überhöhte, weil Biopreise, kaufen. Nachdem der Andrang immer größer wurde, und wir das angrenzende Grundstück nicht für Tiere, sondern für einen neuen Parkplatz ankaufen mussten, weil wir Busse und Privatautos nicht mehr unterbringen konnten, räumten wir unser Haus, das zu einem strahlenden Seminarzentrum umgebaut wurde. Die Kinder mussten zur Großmutter übersiedeln, wir benötigten ihre Zimmer für Tai-Chi, Qigong und sonstige Selbstfindungsseminare.

      Das Geschäft lief blendend, anfänglich lebten wir von den neugierigen Gästen benachbarter Heurigenbetriebe, später profitierten alle von den viel umjubelten Synergien, ein Betrieb für den anderen, und zum Schluss, als wir schon eine eigene Gaststätten- und Beherbergungs-GesmbH. gegründet hatten, zogen wir uns leider den Neid und die Missgunst unserer Nachbarn zu.

      Wir waren aus unserem harmonischen Gleichgewicht gebracht worden.

      So beschlossen wir, wieder zu leben wie vorher, lösten unsere Geschäfte, bauten unser Haus wieder kindergerecht um, verkauften den Großteil unserer Tiere und holten unsere Kinder, die mittlerweile in unterschiedlichen Heimen wohnten, zurück in den trauten Schoß der Familie.

      Wir sind nun als etwas schrullige Familie verschrien, aber immerhin geachtet und auch geschätzt, weil es im Dorf wahrscheinlich niemanden gibt, der immer Freunde bei sich zu Besuch und immer ein volles Haus hat.

      Sogar mein unverheirateter, kinderloser Freund Andreas schätzt uns. Trotz 728 Litern Milch, 208 Kilo Brot, 26 Kilo Schinken, 26 Kilo Käse und tausenden Joghurts.

      Mit genügend Prosecco, versteht sich.

      Aller guten Dinge sind drei

      oder

      Wie man durchs Fußballspielen

      zum Schreiben kommt

      Schon lange hege ich den Wunsch, ein Buch über meine Best(i)en zu schreiben.

      Die Kinder würden sich über eine entspannte Mutter freuen, die, mit der Krone des Erfolges für ihre Entbehrungen belohnt, Geld in Strömen fließen lassen würde, das sie sofort in iPhones oder Flachbildschirme investieren könnten.

      Mein geliebter Ehemann hoffte, er könnte endlich seine beruflichen Verpflichtungen reduzieren und mehr seinem geliebten Hobby frönen, nicht mir, nicht den Kindern, nicht irgendwelchen Reparaturarbeiten im Haus, der Jagd.

      Dabei verabscheute ich eigentlich immer Jäger. Diese armen Tiere! Nun war mein Mann selbst zu einem dieser weidmännischen Mörder geworden. Das Argument meiner liebsten Schwiegermutter war aber auch nicht ganz von der Hand zu weisen, denn sie meinte pragmatisch, die Jagd sei zwar ein zeit- und kapitalintensives Hobby, käme aber immer noch günstiger als eine versteckte Liebschaft. Ihr Argument war plausibel. Sie sprach wohl aus Erfahrung, doch war darin schon ein wahrer Ansatz hochkomplexer Beziehungsprobleme zu sehen, den sie lebensnah und vor allem simpel zu erklären verstand.

      Und ich, ich hätte fünf Babysitter an jeder Hand, könnte mich in mein Büro zurückziehen und endlich meine Geschichten über das Leben und Überleben in einer Großfamilie einer interessierten Leserschaft zum Besten geben.

      Allein, ich hatte zwei nicht unbedeutende Probleme.

      Ich war am deutschsprachigen Buchmarkt weder bekannt, noch berühmt, wer sollte in einem von Neuerscheinungen überschwemmten Buchhandel reüssieren, und wer wollte gerade mein Buch kaufen?

      Das zweite Problem war mein pathologischer Zeitmangel.

      Da half kein Klagen und kein Jammern. Meine Freundin Fiona hatte wie immer einen guten Ratschlag parat.

      »Du musst dich bekannt machen, damit du berühmt wirst!«

      »Kannst du mir bitte sagen, wie das gehen soll? Wenn ich es wüsste, wäre ich schon längst Bestsellerautorin, auf einer einsamen Insel in der Karibik und würde an meinem nächsten Buch arbeiten.«

      »Ganz einfach, du brauchst einen handfesten Skandal!«

      »Wie bitte?«

      »Ja, wirklich! Schau dir doch die Zeitungen an! Sie sind voll damit. Das verkauft sich! Das ist Lifestyle, den die Menschen mögen! Schau dich doch an, du bist so schrecklich normal! Du musst in unserem Land nur irgendetwas außergewöhnlich Blödes tun, dann wirst du berühmt.«

      »Ich kann das nicht. Ich bin weder Exministerin, weder Ex-Inhaftierte, noch will ich meine Sexpraktiken irgendjemandem erzählen.«

      »Dann fang dir einfach ein skandalöses Verhältnis mit einem katholischen Pfarrer an und schreib darüber, dann wird dich die österreichische Presse lieben!«

      »Unser Pfarrer hat schon eines, das haut doch heute niemanden mehr aus den Schuhen! Trotzdem muss ich erst einmal mein Buch schreiben, dann kann ich mir immer noch eine Marketingstrategie ausdenken«, antwortete ich trotzig.

      Fiona meinte bei diesen Diskussionen immer wieder, es müsste in meinem Leben erst etwas Schlimmes passieren, damit ich endlich Zeit fände und zu schreiben begänne, für eine skandalöse Schlagzeile würde sie danach schon sorgen.

      Sogar die liebste Schwiegermutter bat mich, das Erlebte endlich zu Papier zu bringen. Viele Frauen fänden Trost und Zuversicht in meinen Worten.

      Aus ihrer katholischen Tradition heraus fing sie an, Kerzen dem heiligen Ivo zu opfern. Je länger sich mein schriftstellerisches Ansinnen in zukünftige Sphären bewegte – ich musste meine diesbezüglichen Ambitionen aufgrund grippaler Infekte oder gebrochener Beine immer wieder verschieben – desto mehr Kerzen spendete sie in unterschiedlichen Kirchen. Ganze Ordenshäuser hatten dabei ihr Auslangen, sogar eine kleine Waldkapelle konnte mit dem Kerzengeld renoviert werden.

      Für schwierige Situationen wäre der heilige Judas Thaddäus und für aussichtslose der heilige Ivo zuständig.

      Und mein Fall war aussichtslos. Scheinbar musste sie viele Kerzen angezündet haben, denn das Schicksal ereilte mich schneller, als mir lieb war.

      Da sich sogar Gott über die Untätigkeit seiner Heiligen zu mokieren begann, schickte er mir ein Wunder.

      Es war das wildeste Frühjahr, das ich je erlebt hatte. Denn nach einem Gesundheitscheck, bei dem mir ein Alter von einhundertzwölf Jahren vorausgesagt wurde, teilte mir mein Hausarzt mit, dass ich vielleicht etwas für meinen Körper, vor allem für meine Gelenke tun sollte, sie könnten bei aller Liebe das Gewicht, das ich trug, keine siebzig Jahre mehr aushalten. Übersetzt hieß das: Abnehmen und Ausdauertraining – als ob ich das nicht mental ohnehin dauernd tat.

      Der Start zu meiner Nordic-Walking-Karriere war damit gegeben.

      Anfänglich mit viel Überwindung, nach ein paar Tagen bereits mit Freude, und nach einigen Wochen konnte ich mir ein Leben ohne meine beiden schlanken Metallstöcke kaum mehr vorstellen. Peppi, unseren Hund, nahm ich natürlich zu meinen täglichen Ausflügen mit, sollte er auch ein paar Kilo abspecken, es würde keinem von uns schaden.

      So hätte es noch Monate gehen können, wenn ich nur Peppis Hormonspiegel besser im Griff gehabt hätte, denn eines Tages erlag er seinem tierischen Instinkt. Weg waren gute Erziehung und Selbstbestimmung. Peppi riss sich von der Leine los und rannte um sein Leben. Er hatte einen Hasen gesehen und wollte sich beweisen. Ich hatte tatsächlich die Stärke meines Hundes und mein eigenes Tempo unterschätzt, so flog ich aus meinem Schritt und hinab in den steinigen Graben, aus dem mich nach Stunden ein mitleidiger Bauer mit seinem Fuhrwerk nach Hause brachte, zum allgemeinen Gelächter meiner Lieben.

      Was folgte, waren Liegegips, Schiene und die Gewissheit, mich bei der nächsten Gelegenheit an meiner schadenfrohen Familie zu rächen.

      Meine Freundin Fiona meinte, dass gute wie schlechte Dinge im Leben immer im Dreierpack kämen. »Blödes Geschwafel«, dachte ich mir.

      Doch wen der Herrgott liebt,