Die wichtigsten Werke von Jodocus Temme. Jodocus Temme. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jodocus Temme
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027238149
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tüchtiger Polizeimann.

      Seine Frau schien wenigstens in diesem Falle sein Interesse zu teilen. Ob sie einen besonderen Grund für sich hatte?

      »Sie sind es unzweifelhaft, Hedwig. Die verwundete Frau! Die erste Nachricht, die mir von Berlin nachgeschickt wurde, sagte zwar, der Entflohene selbst sei erschossen. Es kam aber bald die Berichtigung. Auf allen Stationen, auf denen man ihre Spur verfolgt hatte, wusste man nur von einer kranken, verwundeten Frau, der Frau des Entflohenen, die ihn ohne Zweifel befreit hatte.«

      »So hättet Ihr die Frau jetzt sicher«, sagte die Geheimrätin. »Aber nicht den Hochverräter. Was habt Ihr an ihr?«

      »Wir haben auch ihn. Er ist nicht weit von ihr. Er verlässt sie nicht in der Lebensgefahr.«

      »Du scheinst ihn genau zu kennen!«

      Der Herr von Schilden verfärbte sich leicht.

      »Auch dass der General Steinau bei ihnen ist, oder dass sie bei ihm sind, ist mir klar geworden«, sagte er.

      »Die Frau hat den Mann nicht allein gerettet. Es ist kein Zweifel, dass der Herr von Aschen geholfen hat; wahrscheinlich beide Herren von Aschen; sowie sie auch dort an der Grenze bei Beverungen waren. In den Händen der Aschen ist vollständig, durch seine Nichte, der alte General Steinau. Freilich kennt er die Wahrheit nicht. Was man ihm vorgespiegelt hat, weiß Gott. Aber zu wetten ist, er hat nicht die geringste Ahnung davon, dass er einen entsprungenen Hochverräter beschützt, gar als ein Mitglied seiner Familie. Ah, die Überraschung des alten stolzen, steifen Herrn, wenn er die Wahrheit erfährt!«

      »Du willst sie ihm bringen?« fragte die Frau von Schilden.

      Der Geheimrat musste doch nachsinnen.

      Er war mit seiner Frau vor der Flucht Mahlbergs von Berlin abgereist. Sein Chef kannte seine Reiseroute.

      So war ihm sofort nach jener Flucht eine Stafette nachgeschickt worden. Er wurde aufgefordert, zu dem Ergreifen der Flüchtlinge, die ebenfalls ihre Richtung nach dem Westen hin genommen, mitzuwirken. Eine zweite Stafette hatte ihm die Nachricht gebracht, dass man von Poststation zu Poststation die Entflohenen verfolgt habe, dass sie aber immer einen Vorsprung von einem Tage gehabt; im Hannöverschen habe man aber plötzlich ihre Spur verloren; wahrscheinlich hätten sie in irgendeinem verborgenen Ort Zuflucht gesucht, um die Heilung der schwer verwundeten Frau abzuwarten. Der Herr von Schilden hatte daran sowohl mit Gendarmen und Polizeibeamten als auch besonders mit den aus seiner früheren amtlichen Wirksamkeit in der Zollverwaltung ihm bekannten Grenzbeamten der ganzen Gegend sich in Verbindung gesetzt und sein Quartier in Karlshafen, dem Mittelpunkte seiner Tätigkeit, genommen, von wo er seine Nachforschungen leitete und wohin ihm die Meldungen gemacht wurden.

      Aufgefunden waren die Verfolgten jetzt; daran konnte er nicht zweifeln. Es kam also nun auf das Ergreifen an. Aber durch wen sollte dies geschehen? Leitete er es nicht selbst und unmittelbar, beauftragte er die Unterbehörden, die Polizei in Beverungen damit, so war zu befürchten, zu wetten, wie er sich ausdrückte, dass da den Flüchtlingen eine neue Flucht gelingen werde; die Herren von Aschen, die den General Steinau vermocht hatten, den Entflohenen seinen Schutz zu leihen, konnten den alten Herrn leicht veranlassen, gegen eine sofortige Verhaftung Widerspruch einzulegen; dem hochgestellten General gegenüber brauchte der Bürgermeister des kleinen Landstädtchens nur eine Viertelstunde zu zögern, so war unterdes die neue Flucht da. Sollte also er, der Geheimrat selbst die Verhaftung leiten, selbst in die Wohnung des Generals eindringen, zu der Frau Mahlberg, dem Opfer seiner Verführung, zu ihrem Gatten, seinem verratenen Freunde? In Gegenwart des Generals, seiner Verwandten? Eine so dreiste Stirn hatte der Herr von Schilden noch nicht. Er durfte sie nicht haben; die Welt und seine Frau kannten sein Verhältnis zu der Frau Mahlberg nicht.

      »Dir bricht ja der Schweiß aus!« sagte seine Frau zu ihm. »Fehlt Dir der Mut?«

      Er nahm sich zusammen.

      »Ich muss selbst hinreisen«, sagte er.

      »Und ich?« fragte die Frau.

      Durfte er sie mit sich nehmen?

      »Dass Du mich hier zurückerwartest, darf ich wohl nicht annehmen.«

      »Nein!«

      »So wirst Du nach Hofgeismar reisen müssen.«

      »Ah, und Du willst den Grafen Westernitz bitten?«

      »Hedwig, macht es Dir Vergnügen, mich zu ärgern?«

      »So lass’ mich mit Dir fahren, mein Freund. Du hast dann keinen Grund zur Eifersucht und ich erlebe Abenteuer mit Dir.«

      Der Angstschweiß brach ihm wieder aus.

      »Es würde Dich anstrengen, Kind.«

      »Ich teile Deine Strapazen mit Dir.«

      »Es könnte meinen Plan verraten, vereiteln.«

      »Ei, mein Freund, was ist das?« rief sie misstrauisch.

      Dann sagte sie entschieden: »Ich fahre mit Dir! Bestelle den Wagen.«

      Er wagte nicht, ihr zu widersprechen.

      Eine halbe Stunde später saßen sie zusammen im Wagen; sie ließen sich über die Weser setzen und fuhren auf preußischem Gebiete nach dem Städtchen Beverungen hin.

      Der Herr von Schilden war gedrückt, seine Frau neugierig.

      Zu derselben Stunde war in den Gasthof zu Beverungen einer derjenigen Grenzbeamten gekommen, denen der Domherr von Aschen beim Passieren der preußischen Grenze aus der Fahrt von Uslar nach Beverungen eine Hand voll Krontaler gegeben hatte, um sie auf das Wohl des Generals von Steinau zu trinken.

      Der Beamte hatte nach dem alten, kleinen, grauen Herrn gefragt, der mit dem Herrn General gekommen sei. Er ward zu dem Domherrn geführt. Er trat etwas verlegen zu diesem ein.

      »Euer Gnaden, da ist heute früh am Zollamte eine absonderliche Geschichte passiert.«

      »Welcher Art, mein braver Aufseher?«

      »Der Oberkontrolleur vom Warburger Hauptzollamte war da und erkundigte sich nach den Wagen und Reisenden, die in den letzten Tagen einpassiert seien; und als ihm nun mitgeteilt wurde, wie der Herr General von Steinau mit zwei oder drei Equipagen angekommen und in dem einen Wagen eine kranke Dame gewesen sei, sah man ihm an, dass er gefunden hatte, was er suchte. Er sprach dann eine Zeit lang heimlich mit dem Oberinspektor, und darauf ging es im Galopp hierher nach Beverungen. Während er mit dem Inspektor sprach, hatte ich einen Aufseher, der mit ihm gekommen war, einen alten Freund und Kriegskameraden, auf die Seite genommen, und der vertraute mir an, dass ein Hochverräter gesucht werde, der aus Berlin entsprungen sei und der seine bei dem Ausbrechen schwer verwundete Frau mit sich führe; der Herr Geheimrat von Schilden, der früher zu der Steuerpartie gehört, sei in der Nähe, leite die Verfolgung und habe dazu auch eine Menge Zollbeamte an der Grenze aufgeboten. Sobald ich vom Dienste frei war, bin ich hierher geeilt, um die Sache Euer Gnaden zu melden.

      Ich dachte, Sie werden wissen, was daran ist und ob sie dem Herrn General mitgeteilt werden muss.«

      Der Domherr dankte dem Beamten, empfahl ihm Stillschweigen und entließ ihn.

      Dann hatte er schnell seinen Entschluss gefasst.

      »Kann die Kranke ohne Gefahr weiterreisen?« fragte er den Arzt.

      »Wenn sie des Nachts Ruhe hat, ja.«

      »Wie weit sind wir hier von Deiner Heimat Borgentreich und Niederhelmern?« fragte er den Burschen Bernhard.

      »Es mögen vier bis fünf Stunden sein.«

      »Du kennst dort im Gebirge Schluchten, die kein Gendarm und kein Zollaufseher finden wird?«

      »Kein Mensch in der Welt außer mir, Euer Gnaden.«

      Er schickte den Burschen zu seinem Neffen Gisbert, der in einem andern Wirtshause des Städtchens logierte; der Herr Baron möge zu ihm kommen.

      Gisbert