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Fürst Andree reiste im August nach Petersburg. Es war die Zeit des Ruhms des jungen Speransky, welcher mit Eifer Reformen einführte. In demselben August wurde der Kaiser mit der Equipage umgeworfen, am Bein beschädigt und blieb drei Wochen in Peterhof, wo er alltäglich und ausschließlich mit Speransky verkehrte. Zu dieser Zeit wurden außer minder wichtigen Reformen, wie Einführung von Beamtenexamen, die Einführung einer Konstitution vorbereitet, welche Gerichtsverwaltung und Finanzwesen Rußlands gänzlich neu gestalten sollte. Jetzt verwirklichten sich jene unklaren liberalen Ideen, mit welchen Kaiser Alexander den Thron bestiegen hatte und welche er mit Hilfe von Czartorischky, Nowosilzew, Kotschubey, Stroganow ins Leben rufen wollte, die er selbst im Scherz das Komitee der Gesellschaftsrettung nannte.
Jetzt wurden diese alle durch Speransky im Zivilwesen und durch den Kriegsminister Arektschejew ersetzt. Andree erschien bald nach seiner Ankunft als Kammerherr bei Hofe. Der Kaiser sah ihn zweimal, würdigte ihn aber keines Wortes. Schon früher hatte Fürst Andree zu bemerken geglaubt, daß er dem Kaiser mißfalle und daß sein Gesicht und Wesen dem Kaiser unangenehm seien. Die Höflinge erklärten Fürst Andree dies dadurch, daß der Kaiser unzufrieden darüber sei, daß Bolkonsky seit 1805 nicht mehr diene.
»Ich weiß selbst, wie ohnmächtig wir gegenüber unseren Sympathien und Antipathien sind«, dachte Fürst Andree. »Darum ist auch nicht daran zu denken, meine Abhandlung über das Heerwesen dem Kaiser selbst zu überreichen. Aber die Sache wird für sich selbst sprechen.« Er machte einem alten Feldmarschall, der mit seinem Vater befreundet war, Mitteilung darüber. Der Feldmarschall empfing ihn sehr freundlich und versprach, dem Kaiser darüber Meldung zu machen. Nach einigen Tagen wurde Fürst Andree angekündigt, er habe sich beim Kriegsminister, Grafen Araktschejew, zu melden. Dort erfuhr er, daß er zum Mitglied der Kommission für Bearbeitung der Gesetze über das Heerwesen ernannt worden sei und, was er nicht erwartet hatte, auch zum Abteilungsvorsteher der Kommission für Zusammenstellung der Gesetze. Auf die Bitte Speranskys übernahm er den ersten Teil der Zivilgesetze und mit Hilfe des Napoleonischen Gesetzbuches und des Kodex Justinians bearbeitete er die Abteilung Zivilrecht.
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Zwei Jahre zuvor, im Jahre 1808, stand Peter bei seiner Rückkehr von seinen Gütern nach Petersburg an der Spitze der Petersburger Freimaurerei. Er veranstaltete Logenversammlungen, warb neue Mitglieder und bemühte sich für Vereinigung der verschiedenen Logen. Er gab reichliche Mittel zu Wohltätigkeitszwecken und ergänzte soviel als möglich die Einsammlung der Almosen, mit welchen die Mitglieder geizig und unpünktlich waren. Er unterhielt fast allein ein Krankenhaus, das der Orden in Petersburg errichtet hatte.
Dabei aber führte er dasselbe vergnügungssüchtige Leben wie früher, liebte gut zu speisen und zu trinken und konnte sich von den Vergnügungen der Lebemänner, an denen er teilnahm, nicht fernhalten, obgleich er sie für sittenlos und erniedrigend ansah.
In dem Taumel der Vergnügungen fühlte aber Peter nach Verlauf eines Jahres wohl, wie der Boden der Freimaurer, auf dem er stand, desto mehr unter seinen Füßen verschwand, je mehr er sich bemühte, darauf zu fußen. Als er der Freimaurerei beitrat, hatte er das Gefühl eines Menschen empfunden, welcher gläubig den Fuß auf die gleichmäßige Oberfläche eines Sumpfes setzt. Er war eingesunken. Um sich ganz von der Festigkeit des Bodens, auf dem er stand, zu überzeugen, setzte er auch den zweiten Fuß auf und sank noch tiefer ein.
Alle Brüder, die er kannte, teilte er in vier Klassen ein. Zur ersten Klasse rechnete er die Brüder, welche ohne tätigen Anteil an den Arbeiten der Loge und an den menschlichen Angelegenheiten zu nehmen, sich ausschließlich mit den Geheimnissen der Lehre des Ordens beschäftigten, mit den Fragen von der dreifaltigen Benennung Gottes; von den drei Anfängen der Dinge, Schwefel, Merkur und Salz, oder von der Bedeutung des Quadrats und aller Figuren des salomonischen Tempels. Diese Klasse verehrte Peter, zu ihr gehörten hauptsächlich alte Brüder. Aber Peter nahm nicht Anteil an ihren Interessen, sein Herz wandte sich nicht der mystischen Seite der Freimaurer zu.
Zur zweiten Klasse rechnete Peter sich selbst und die ihm ähnlichen Brüder, welche die Wahrheit suchten, schwankten, aber den wahren Weg zu finden hofften.
Zur dritten Klasse rechnete er diejenigen Brüder, die in der Maurerei nichts sahen als die äußerlichen Formen und Zeremonien und diese äußeren Formen streng beobachteten, ohne sich um ihre Bedeutung zu kümmern. Zu dieser Klasse gehörte selbst Willarsky und sogar der Großmeister der Hauptloge und der größte Teil der Mitglieder.
Zur vierten Klasse endlich rechnete er jene gleichfalls große Anzahl von Brüdern, welche besonders in der letzten Zeit der Brüderschaft beigetreten waren. Das waren nach Peters Beobachtung Leute, die an nichts glaubten, nichts wünschten und der Freimaurerei nur beigetreten waren, um jungen, reichen, durch ihre Verbindungen und ihre Vornehmheit wichtigen Brüdern sich zu nähern, deren es in der Loge sehr viele gab. In Peter regte sich Unzufriedenheit mit solcher Tätigkeit. Die Freimaurerei, wenigstens wie er sie kannte, schien ihm nur auf Äußerlichkeiten zu beruhen. Er dachte nicht daran, an der Freimaurerei selbst zu zweifeln, konnte sich aber der Befürchtung nicht erwehren, daß die russische Freimaurerei auf falschen Wegen wandelte.
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Peter wurde wieder von derselben Schwermut überfallen, die er so sehr fürchtete. Eines Tages lag er allein auf seinem Diwan, empfing niemand und ging nicht aus. Da erhielt er einen Brief von seiner Frau, welche ihn um eine Zusammenkunft anflehte, von ihrer Sehnsucht zu ihm und von ihrem Wunsche, ihm ihr ganzes Leben zu weihen, schrieb. Am Ende des Briefes benachrichtigte sie ihn, daß sie in einigen Tagen aus dem Ausland in Petersburg ankommen werde.
Bald darauf wurde die Einsamkeit Peters durch den Besuch eines der weniger angesehenen Freimaurer unterbrochen, der das Gespräch auf die ehelichen Umstände Peters lenkte und ihm als Bruder mitteilte, daß seine Strenge gegen seine Frau ungerecht sei, und daß Peter von dem ersten Gesetze der Freimaurerei abweiche, wenn er Reuigen nicht vergeben wollte.
Um dieselbe Zeit ließ seine Schwiegermutter, die Frau des Fürsten Wassil, ihm sagen, sie lasse ihn dringend bitten, sie wenigstens auf einige Minuten zu besuchen, um eine sehr wichtige Angelegenheit zu besprechen. Peter sah, daß eine Verschwörung gegen ihn bestand, daß man ihn mit seiner Frau wieder vereinigen wollte, und in dem Zustand, in dem er sich befand, war ihm dies sogar nicht einmal unangenehm. Alles war ihm gleichgültig, nichts in seinem Leben erschien ihm als eine Sache von Wichtigkeit, und unter dem Einfluß der Schwermut, die ihn jetzt beherrschte, lag ihm nichts an seiner Freiheit noch an seiner Beharrlichkeit in der Bestrafung seiner Frau.
»Niemand hat recht, niemand ist schuldig, also ist sie wohl auch unschuldig«, dachte er. Nur weil er in seinem trübsinnigen Zustand nicht imstande war, etwas zu unternehmen, erklärte er sogleich seine Einwilligung zur Wiedervereinigung mit seiner Frau. Wäre