Von dem Leben und den Meinungen berühmter Philosophen. Diogenes Laertius. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Diogenes Laertius
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Философия
Год издания: 0
isbn: 9783843800181
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hatte und legte nach Endigung seiner Rede seinen Kopf an den Busen seines Tochtersohns. Nachdem nun auch sein Gegner geredet und die Richter für den von Bias verteidigten gesprochen hatten, fand man beim Auseinandergehen des Gerichts ihn tot am Busen seines Enkels.

      (85) Die Stadt ließ ihn ehrenvoll begraben und setzte ihm die Inschrift:

      Dieser Stein im Boden des hochberühmten Priene

       Deckt Bias, er war seines Ioniens Ruhm.

      Die unsrige lautet so:

      Bias schlummert hier, den furchtlos führte zu Hades

       Hermes, schneebelockt glänzte die Stirne des Mannes.

       Für den Freund hat er zum Richter geredet, da beugt’ er

       An den Enkel das Haupt, schlummernd seligen Schlaf.

      5. Über Ionien hat er in 2000 Versen geschrieben, welches die beste Art und Weise sei, das Glück des Landes zu befördern. Von seinen gepriesenen Sprüchen bemerke ich hier folgende:

      Sei den Bürgern allen gefällig, bei denen du wohnst.

       Dies gewährt dir Gunst, wenn ein hochmütiges Wesen

       Oftmals schädlichen Nachteil erzeugt, den alle erblicken.

      (86) Auch folgende: Stark geboren werden, ist Sache der Natur, aber dem Vaterlande zum Nutzen reden zu können, ist Sache des Geistes und der Klugheit. Überfluss an Gütern haben viele oft durch glückliche Zufälle; der aber ist unglücklich, der Unglück nicht tragen kann. Es ist eine Krankheit der Seele, das Unmögliche zu wünschen, und an Unglücksfälle anderer gar nicht zu denken. Als man ihn fragte, was schwer sei, sagte er: Umwandlung des Glücks in Unglück edelmütig zu ertragen. Als er mit gottlosen Leuten auf einem Schiffe war, das einen Sturm litt, und diese die Götter anriefen, sagte er: Schweigt still, dass sie nicht gewahr werden, dass Ihr hier seid im Schiff! Als ihn ein gottloser Mensch fragte: was denn wohl Gottesfurcht sei, schwieg er still; und auf dessen Frage nach der Ursache seines Schweigens erwiderte er: ich schweige still, weil du nach einer Sache fragst, die dich nichts angeht. (87) Als man ihn fragte: was dem Menschen süß sei, sagte er: die Hoffnung. Es ist leichter, über Feinde Richter zu sein, denn über Freunde, denn man wird sich einen der Freunde notwendig zum Feinde machen, aber einen der Feinde zum Freunde bekommen. Auf die Frage, welche Sache dem Menschen Vergnügen mache, sagte er: Gewinn. Man muss das Leben so messen, sagte er, als ob man lange und kurz leben könne, und man muss so lieben, dass man wieder hassen könne: denn die meisten sind böse. Auch folgenden Rat erteilte er: Geh langsam an das, was du tun willst, hast du es aber einmal angefangen, so halte fest dabei aus bis ans Ende. Sprich nicht schnell, denn das verrät Torheit. Liebe die Klugheit. (88) Sprich von den Göttern wie sie sind. Einen unwürdigen Menschen lobe nicht, weil er reich ist. Nimm, was dir geboten wird, ja nichts mit Gewalt. Was du Gutes tust, das rechne den Göttern an. Als Reisegeld von der Jugend ins Alter verschaffe dir Weisheit, denn dieses Gut ist dir sicherer als alles Übrige.

      6. Hipponax erwähnt, wie bereits angeführt ist, auch des Bias, und der schwer zu befriedigende Heraklit lobt ihn ebenfalls sehr, indem er schreibt: In Priene lebte Bias, Teutams Sohn, der berühmter ist als die anderen. Die Priener haben ihm ein Heiligtum geweiht, das Teutameion genannt. Sein Spruch war: Die meisten sind böse.

       Kleobul

      1. (89) Kleobul, Euagoras Sohn, war ein Lindäer, oder nach Duris, ein Karier. Einige führen sein Geschlecht bis zu Herakles hinauf. Er zeichnete sich durch Weisheit und Schönheit aus. Er kannte auch die ägyptische Philosophie. Er hatte eine Tochter, Kleobuline, die in Hexametern Rätsel dichtete, welcher Kratin in einem gleichnamigen Drama erwähnt, das er die Kleobulinen betitelt hat. Er soll auch den von Danaus erbauten Athenäentempel wieder neu ausgebaut haben.

      2. Er hat Lieder und Rätsel, an 3000 Verse stark, geschrieben. Einige sagen auch, dass folgende Inschrift auf Midas ihn zum Verfasser habe:

      Eine kupferne Jungfrau, bedeck’ ich hier Midas’ Begräbnis; Solang’ Wasser noch fließt, solang’ Bäume noch blüh’n,(90) Solang’ noch die Sonne neu aufgeht, silbern der Mond scheint, Solang’ rauschet der Strom, brandet am Ufer das Meer, Bleib’ ich immer auf diesem von Tränen beströmten Grabe, Sage dem Wanderer: Hie deck’ ich Midas Gebein!

      Man führt auch folgendes Zeugnis aus einem Lied des Simonides an:

      Welcher denkenden Geistes lobt

       Kleobulus, Bewohner von Lindos,

       Der stets rieselnden Flüssen,

       Und den Blumen des Lenzes,

       Der dem Feuerglanz der Sonne

       Und dem Golde des Monds,

       Der den Strudeln des Ozeans

       Säulen vorzieht von Stein?

       Steht nicht alles nach den Göttern?

       Malmen Stein nicht sterbliche Hände?

       Torengedanken hat er geredet!

      Dieses Epigramm kann nicht von Homer sein, der viele Jahre vor Midas gelebt haben soll.

      3. In Pamphilas Denkwürdigkeiten findet man auch folgendes Rätsel von ihm:

      (91) Vater ist einer. Der Söhne sind zwölf. Ein jeder von diesen hat der Söhne dreißig gezeugt, von Doppelgestalten, Weiß das Angesicht einiger, schwarz der übrigen. Alle Sind Unsterbliche, doch gegeben dem Tode zum Raube. Es ist das Jahr.

      4. Von seinen bekannten Sprüchen sind folgende die vorzüglichsten: Torheit ist der meisten Sterblichen Anteil und Überfluss an Geschwätz: aber die Zeit ist hinreichend. Denke das Rühmliche. Sei kein leichtsinniger Undankbarer. Er sagte auch: man muss die Mädchen verheiraten, wenn sie den Jahren nach Jungfrauen, der Klugheit nach Weiber sind; womit er zu verstehen gab, man müsse auch Mädchen unterrichten lassen. Einem Freunde, sagte er, muss man Gutes tun, damit er noch mehr Freund werde, einem Feinde aber, um ihn zum Freunde zu machen; so sei man gegen den Tadel der Freunde und Nachstellungen gesichert. (92) Ferner: Wenn man aus dem Haus geht, muss man erst bedenken, was man tun will, und wenn man nach Hause zurückgekommen, muss man untersuchen, was man getan hat. Er riet ferner, den Leib zu üben; mehr zu hören als zu sprechen; lieber lernbegierig als unwissend zu sein; die Zunge Gutes reden zu lassen; ein Vertrauter der Tugend und mit dem Laster fremd zu sein; Ungerechtigkeit zu meiden; dem Staat das Beste zu raten; Herr über sinnliche Vergnügen zu sein; nichts mit Gewalt zu tun; die Kinder unterrichten zu lassen; Feindschaft aufzugeben; der Frau nicht zu schmeicheln, noch mit ihr zu zanken, wenn andere Leute zugegen sind, denn das erste zeige Unverstand, das andere Tollheit; einen betrunkenen Bedienten nicht zu strafen, denn das sehe einem Betrunkenen ähnlich; sich nach seinem Stande zu verheiraten, denn wenn man eine vornehmere Frau nähme, bekomme man die Verwandten zu Beherrschern; (93) Spöttern keinen Beifall zuzulächeln, denn dies ziehe uns den Hass des Verspotteten zu. Im Glück sei nicht übermütig, und im Unglück nicht kleinmütig. Den Wechsel des Glücks suche mit Edelsinn zu tragen.

      5. Er starb als 70jähriger Greis, und hat die Grabschrift:

      Einen weisen Man begrub die trauernde Heimat Lindos,

       Die stolze Stadt am Meer: Kleobul, ihren Sohn.

      6. Sein Spruch war: Die Mittelstraße ist die beste.

      An Solon schrieb er folgenden Brief:

      Kleobul an Solon.

      Du hast zwar viele Freunde und allwärts ein Haus. Ich glaube indes doch, dass Solon am liebsten in Lindus, wo Volksfreiheit ist, wohnen würde; dazu ist Lindus eine Insel in der See, die von Pisistrat nichts zu fürchten hat. Es würden auch von allen Orten her deine Freunde zu dir kommen.