Im Auge des Falken. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958235908
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und die Stimme, die Nate im Gleiter begrüßt hatte, meldete sich. »Thomas, führen Sie bitte Lord Deverell ins Herrenzimmer. Danach wird Ihre Anwesenheit im Gewächshaus dringend benötigt.«

       Der stellvertretende Butler schnitt eine Grimasse, drehte sich zu Nate um und verneigte sich. »Wenn Ihr mir bitte folgen würdet, Milord.« Er hob den Arm und wies geradeaus zu einer Tür und dann nach links, wo sich das Foyer zu einem riesigen, offenen Bereich ausweitete. Mit den beiden großen Treppen, die an den Seitenwänden entlang nach oben führten, war er äußerst beeindruckend.

       Irgendwo im Gebäude wurde eine Tür zugeschlagen und plötzlich hörte man Krach näherkommen. Es klang wie... Hundegebell? Es wurde lauter und darunter mischte sich ein wildes Klackern.

       Thomas' Schultern sackten nach unten und er ächzte, bevor er sich daran erinnerte, wer hinter ihm stand. Er warf Nate einen Blick über die Schulter zu, lächelte und beschleunigte seine Schritte.

       »Hier entlang, Milord.« Thomas erreichte die Tür und sie öffnete sich.

       Ein Rudel von etwa zehn Hunden, große wie kleine, kam um die Ecke geschossen und raste in Richtung Eingangstür. Ihre Krallen verursachten das klackernde Geräusch, als sie auf dem glatten Marmor nach Halt suchten.

       »Macht langsam! Jeffers, die Tür!« Ein attraktiver Mann mit einem wilden, dunklen Lockenkopf kam um die Ecke den Hunden hinterher und rannte dabei beinahe Thomas über den Haufen.

       Nur Nates schnelle Reflexe sorgten dafür, dass der Butler auf den Füßen blieb. Er packte die Schulter des älteren Mannes und hielt ihn fest, während er dem jungen Mann hinterhersah, der dem Rudel Bestien hinterherstürmte.

       Der Teenager trug Reitkleidung, zu erkennen an seinen hellbraunen Hosen und den glänzenden, schwarzen Schaftstiefeln. Die Enden seines blauen Gehrocks flatterten hinter ihm, als er über den polierten Stein schlitterte.

       »Entschuldigung, Thomas!«, rief er über die Schulter und folgte den Hunden dann zur Tür hinaus.

       Thomas stützte sich mit einer Hand an der Wand ab und atmete tief durch. »Habt Dank, Milord.« Er murmelte etwas zu sich, das wie Lord Terror klang.

       Bevor Nate jedoch fragen konnte, was da eben passiert war, rannte ein quietschendes, nacktes, nasses Mädchen an ihm vorbei, gefolgt von einer älteren Frau.

       »Lady Mätzchen«, murmelte Thomas.

       Nate blinzelte. Bei allen Sternen, er war in einem Irrenhaus gelandet!

       »Ich bitte um Verzeihung?«

       Thomas' Augen weiteten sich. »Oh, du meine Güte. Nichts, Lord Deverell, gar nichts. Ich habe nur mit mir selbst gesprochen. Eine furchtbar schlechte Angewohnheit...« Er deutete erneut in die Richtung ihres Ziels.

       Beim Betreten des Raums überfielen Nate angesichts der dunklen, maskulinen Einrichtung die Erinnerungen an das Arbeitszimmer seines Vaters in Hawthorne. An den Wänden waren Bücherregale aus Mahagoni angebracht und eine gemütliche Sitzgarnitur mit Lederpolstern wirkte einladend auf den Betrachter. Tief sog Nate den Duft nach süßem Tabak, braunem Rum und Leder ein. Genau wie das Herrenzimmer in Hawthorne Manor. Er hatte diesen Raum immer geliebt.

       »Bitte, macht es Euch bequem. Kann ich noch irgendetwas für Euch –«

       Das Geräusch schneller Schritte ertönte und dann ein: »Muffff-iiinnn!« Ein hochgewachsener Mann, der aussah wie eine etwas ältere Version von dem, der die Hunde verfolgt hatte, streckte seinen Kopf durch die Tür herein. Seine goldenen Augen wurden groß, als er Nate sah.

       »Oh, Entschuldigung, ich wusste nicht, dass wir Besuch haben.« Der dunkle Schopf verschwand wieder und seine Schritte entfernten sich.

       Um Nates Mundwinkel begann es, verräterisch zu zucken. Er nahm auf dem kleinen, burgunderfarbenen Sofa Platz, das im rechten Winkel zum Schreibtisch stand.

       Thomas verzog das Gesicht und warf einen Blick in Richtung Tür. Er hatte es offensichtlich eilig, wollte aber nicht unhöflich sein und Nate hier sitzen lassen.

       »Milord –«

       Nate machte eine abwehrende Geste. »Keine Sorge, gehen Sie nur.«

       »Vielen Dank, Milord.« Der ältere Mann verneigte sich und verließ den Raum.

       Wenn dieser Haushalt immer so in Aufruhr war, wunderte es Nate nicht, dass die Diebe nicht erwischt worden waren. Seinen Informationen zufolge war Jeffers, der Hauptcomputer des Anwesens, zum Zeitpunkt des Diebstahls außer Betrieb gewesen. Nate hatte keine Details über die Abschaltung des Computers erhalten, nur dass Raleigh Townsend ihm alles Notwendige mitteilen würde, sobald er in der Residenz ankam.

       Das Fenster zu Nates linker Seite zerbarst. Scheiße! Nate landete flach auf dem Bauch auf dem Fußboden. Ein weißer Polo-Ball rollte über die Holzdielen und stoppte nur wenige Zentimeter vor Nates Gesicht. Was zum... Er hob den Ball auf und kam wieder auf die Füße, bevor er zu dem kaputten Fenster hinüberging.

       »Seid gegrüßt!« Ein junger Mann mit breiten Schultern und einem freundlichen Lächeln im Gesicht winkte ihm vom Rücken eines fuchsroten Pferds aus zu. »Tut mir leid, ich habe Euch nicht getroffen, oder?«

       Nate schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nichts passiert.« Er hielt den Ball hoch. »Möchtet Ihr den zurückhaben?«

       »Ja, bitte. Seid Ihr der Earl?«, fragte der Reiter.

       »Ja, und mit wem habe ich die Ehre?« Nate warf den Ball ins Freie.

       »Ich bin Prinz Colton. Es war mir ein Vergnügen, Milord.« Er tippte sich an die Schläfe und dirigierte sein Pferd in Richtung des Balls.

       Colton? Der zweitjüngste Prinz. Seiner Ähnlichkeit mit den anderen beiden Gentlemen nach zu urteilen, die Nate bereits gesehen hatte, ging er davon aus, dass es sich um Geschwister handelte. Himmel, die königliche Familie war ganz schön anstrengend. Langsam bekam er einen Verdacht, warum Jeffers außer Betrieb gewesen war.

       Als er vom Fenster zurücktrat, ließ ein Rascheln Nate mitten im Schritt innehalten. Blätter segelten zu Boden und von oben erklang ein unwilliges Geräusch.

       »Verdammte Scheiße, das darf doch nicht...«, zischte eine leise, männliche Stimme.

       Ziemlich hoch oben in dem Baum, der dem Fenster am nächsten war, balancierte ein Junge auf allen vieren schwankend auf einem schmalen Ast. Er reckte sich nach einem flachen Gerät, das wie ein Bildschirm aussah und sich in einer Astgabel verklemmt hatte. So ungeschickt, wie er dabei vorging, schien der Absturz unausweichlich. Ein Zuruf, vorsichtig zu sein, würde den Jungen vermutlich vor Schreck noch schneller zu Boden schicken, also rannte Nate zu der Doppeltür, die nach draußen führte. Er erreichte den Baum in dem Moment, als der Ast unter dem Jungen gefährlich knackste.

       »Woah!« Der Junge schwankte und fiel gegen den Ast, in dem sich sein Computer verhakt hatte, und der Stoß befreite das Gerät. »Dreck!«

       Der Bildschirm stieß beim Sturz nur mit einem Zweig zusammen. Nate fing ihn auf, bevor er den Boden berührte.

       Der junge Mann keuchte erschrocken und sein Blick traf Nates. Dieser erstarrte. Der Junge – Nein, das stimmte nicht. Er war jung, ja, aber kein Kind mehr – war atemberaubend. Nate starrte fasziniert in die großen, grauen Augen. Der Mann war einfach nur schön. Er war ziemlich klein, weswegen Nate ihn zunächst fälschlicherweise für ein Kind gehalten hatte. Schwarze Locken umrahmten ein attraktives Gesicht und er hatte seine volle Unterlippe zwischen seine Zähne gezogen.

       »Ähm, danke... Ich... hm... woah!« Die Füße des Mannes rutschten von dem Holz ab, sodass er sich nur noch mit den Händen festhalten konnte und nun in drei Metern Höhe von dem Ast hing.

       Nate legte den Bildschirm in sicherer Entfernung auf den Boden und streckte die Arme aus. »Ich fange dich. Lass los.«

       »Ich...«

       »Lass los.«

       »Okay. Aber nicht fallen lassen!« Der Mann ließ mit einem zögerlichen Laut los.