Also vielleicht Musiktherapeutin? Mit Musik hatte ich ja bereits seit meiner sehr frühen Kindheit zu tun. Ich war sechs Jahre alt, als ich mit dem Klavierspiel begonnen habe. Nicht, weil mich meine Eltern dazu gezwungen hätten, sie haben es mir einfach ans Herz gelegt, weil sie selbst sehr musische Menschen sind, meine Eltern Inge und Walter. Meine Mami hat über 30 Jahre im Salzburger A-Cappella-Chor gesungen und als Kind ebenfalls Klavier gespielt, und mein Vater, der im Alter von fünfzehn beim Meinl als Lehrling begonnen, dann die Abendschule besucht hat, schließlich einen Posten bei der Länderbank hatte und später als für Marketing zuständiger Abteilungsleiter bei Mannesmann in Pension ging, hat auf der Volkshochschule einen Malkurs belegt und wirklich ganz, ganz tolle Bilder auf die Leinwände und auf Papier gezaubert. Irgendwann hat er auch alle Salzburger Stadttore für ein eigenes Buch gezeichnet und ist im Zuge seiner diversen Recherchen draufgekommen, dass eines dieser Tore den falschen Namen trägt. Und flugs wurde es auch schon wieder umbenannt.
Wie er überhaupt auf so manches draufgekommen ist. Beispielsweise, dass die Taxis auf dem Salzburger Flughafen falsch standen. Auf der falschen Seite nämlich. So, dass man, wenn man ankam und ein Taxi brauchte und es regnete, durch den Regen gehen musste. Also hat er Eingaben bei der zuständigen Behörde gemacht. So lange, bis ein neuer Taxistandplatz errichtet wurde. Unter dem Vordach.
Sandspielen an der Adria: Lissi und Angelika in sehr, sehr jungen Jahren während ihres Badeurlaubs in Rimini. »In den darauffolgenden Sommern waren wir dann allerdings meist in Österreich und da speziell beim Opa im Kamptal.«
Und wenn ich schon abschweife, erzähle ich auch noch ganz rasch die Geschichte mit der Telefonzelle. Papis Meinung nach war unsere Telefonrechnung zu hoch, was angeblich an meinem und dem angeblich nicht minder ausufernden Telefonierverhalten meiner 22 Monate jüngeren Schwester Elisabeth lag. Er hat daraufhin eine Telefonzelle für unseren Garten beantragt. Diesen Wunsch hat man ihm zwar nicht erfüllt, aber keine zwanzig Meter von unserem Reihenhaus in Taxham entfernt hat man dann eine hingestellt. Auf sein Betreiben hin. Und fortan brauchte ich ziemlich viel Kleingeld.
Ich habe also Klavier gespielt. Ida Hochleitner hieß meine allererste Lehrerin, und an drei Dinge erinnere ich mich noch sehr, sehr gut. Daran, wie sehr ich das Üben gehasst habe und an den Geruch in der Hauptschule, in der Frau Hochleitner am Nachmittag ihre Stunden gab, wenn das Gebäude schon wie leergefegt war. Es war der beißende Geruch, den die Putzmittel verströmten. Und das Dritte, was ich nie vergessen werde, war der erste Klassenabend in der Schule, an dem ich vorspielen sollte. Da saß ich also im hübschen Kleidchen und mit der adretten Frisur, die Beine haben nicht annähernd bis zum Boden gereicht, und ich bin gleich einmal stecken geblieben nach den ersten paar Takten. Also zurück zum Start, und wieder hat es mich an derselben Stelle erwischt. Fünf, sechs Mal ging das so, bis ich endlich durchkam. Mit Hängen und Würgen und zahlreichen weiteren Stolperern. Von da an hatte ich ein regelrechtes Trauma, denn dieses böse Spiel hat sich zur guten Miene der vielen zuhörenden Eltern auch in den darauffolgenden Jahren an den Klassenabenden immer wiederholt.
Als von der kaum zu bändigenden Lockenpracht noch keine Rede war: Angelika an ihrem ersten Schultag. Die Volksschule besuchte die junge Dame mit der riesenhaften Schultüte in Lehen.
Die Aufnahmeprüfung auf das Mozarteum bei Professor Anton Czjzek habe ich trotzdem geschafft. Mit acht. Und bis ich achtzehn war, blieb ich bei ihm. Er war ein unendlich geduldiger und liebenswerter Mann, hat viel verlangt, aber nicht zu viel, und so blieb der Spaß nie auf der Strecke. Er war streng, das auch, aber er war ausgesprochen gütig.
Konzertpianistin wäre dennoch nie infrage gekommen für mich. Nur der Flügel und ich, das wäre mir zu einsam gewesen, außerdem hätte ich gefürchtet, dem Ganzen nervlich nicht gewachsen zu sein.
Mit sechzehn hatte ich dann zwischendurch noch die Idee, es zusätzlich mit Querflöte zu versuchen. Ich bin sogar zu einem Professor gegangen, um testen zu lassen, ob ich von den Lippen und der Zahnstellung her die Voraussetzungen haben würde. Das hätte zwar gepasst, aber dann wollte ich doch nicht. Ich war sprunghaft
Ach ja, gesungen habe ich auch. Aber Opernsängerin werden? Nein, wirklich nicht. Bis eines Tages …
Die modrige »Carmen«
und der Kasperl an der Busstation
Anfangs habe ich im Schulchor gesungen, später auch im Kirchenchor der Franziskanerkirche mitten in der zauberhaften Salzburger Altstadt rund um den bunten Markt mit dem frischen Obst und Gemüse, den Würstel- und all den anderen Ständen. Die amerikanische Sopranistin Barbara Bonney hat zu dieser Zeit in Salzburg am Mozarteum studiert und wurde immer wieder als Solistin engagiert. Ich habe sie bewundert, damals, als ich hinter ihr im Kreis der anderen begeisterten Choristen stand. Aber dass ich viel später, 1994 nämlich, gemeinsam mit ihr im Rahmen einer Japan-Tournee der Wiener Staatsoper unter Claudio Abbado in »Die Hochzeit des Figaro« auf der Bühne stehen sollte, ich als Cherubino, sie als Susanna, hätte ich mir natürlich nicht im Entferntesten träumen lassen. Weil ich, wie schon erwähnt, keine Ahnung hatte, was später einmal aus mir werden sollte. Dass wir Jahre nach unserem Kennenlernen in der Kirche und inzwischen eng befreundet eine gemeinsame CD aufnehmen würden, hätte ich daher auch ins Reich der Fantasie verwiesen. Duette von Brahms, Mendelssohn und Dvořák waren drauf, und in Wahrheit haben wir diesen Tonträger nur deshalb produziert, weil wir zusammen eine Woche in Berlin verbringen und dort der Lebenslust frönen, die Stadt erkunden und unseren Horizont erweitern wollten.
Mein Musiklehrer am Musischen Gymnasium an der Lehener Brücke hieß Albin Reiter. Bis zur Matura hat er mich begleitet und mir auch mein allererstes Bühnenerlebnis verschafft. In der ersten Klasse war’s, da durfte ich im Kleinen Festspielhaus bei einer »Carmen«-Produktion des Landestheaters im Kinderchor singen. »Mit der Wa-che an-zu-tre-ten sind wir Kin-der immer da …« – einfach herrlich.
Hatten wir Probe, hatten wir schulfrei. Was natürlich einen zusätzlichen Reiz bedeutete. Und mein Weg ins Festspielhaus führte mich dann immer durch die recht schwach beleuchteten Tunnel in der Mönchsberggarage. Wenn ich heute durch diese Tunnel gehe, habe ich den gleichen Geruch wie anno dazumal in der Nase, diesen feuchten, regelrecht modrigen Geruch. Und so ist »Carmen« für mich seit jeher untrennbar mit Moder verbunden. Sosehr ich diese Oper auch mag.
Ich hatte damals allerdings – verzeihen Sie mir diese nicht sehr damenhafte Formulierung – die Arschkarte gezogen. Der Chor war nämlich zweigeteilt, wobei der eine Teil immer auf der Bühne stand, der andere sich hinter den Kulissen klein machen musste und nur dann aufstehen und sich zeigen durfte, wenn er zum Singen dran war. Und ich gehörte zum zweiten Teil. Daraufhin hat die kleine Angelika während einer Probe all ihren Mut zusammengenommen, ist zum Regisseur gestapft und hat sich beschwert, weil sie ja spielen wollte. Und da bin ich offensichtlich derart überzeugend – oder bemitleidenswert oder einfach nur süß – gewesen, dass ich am Ende des ersten Aktes, wenn Carmen sich losreißt, auf dem Balkon erscheinen und laut lachen durfte. Geschafft! Und eine Gage bekamen wir auch. Von der habe ich mir dann meinen ersten Fernseher gekauft. Wenn ich heute darüber nachdenke, erstaunt es mich ungemein, dass meine Eltern mir einen Fernseher in meinem Kinderzimmer erlaubt haben.
Der Dirigent bei dieser Produktion hieß Leopold Hager. Jener Leopold Hager, mit dem ich – ähnlich wie mit Barbara Bonney – auch noch häufig zu tun haben sollte. Viele »Rosenkavaliere« haben wir gemeinsam an der Staatsoper gemacht und auch ein paar Orchestertourneen unternommen.