Der Sachsenspiegel: Eine Geschichte aus der Hohenstaufenzeit. Julius Wolff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julius Wolff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066112424
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Eike sah, daß der Knecht sein Pferd in den Stall brachte, fragte er: »Auf welche Weise kann ich den Braunen morgen nach Hause schicken?«

      »Den laß nur hier,« erwiderte der Graf. »Er soll bis an den Bauch im Stroh und bis über die Naslöcher im Hafer stehen. Ein tüchtiger Reiseklepper!« fügte er hinzu, das starkknochige Tier musternd.

      »Ich habe viele Meilen zwischen Rhein und Elbe mit ihm zurückgelegt,« sprach Eike, »bin bei Schöffen, Schultheißen und Bauermeistern mit ihm gewesen, und er hat bei mancher Unterredung aus dem Stegreif über Land- und Lehnrecht die Ohren gespitzt.«

      Sie stiegen eine steinerne Wendeltreppe hinan. Oben führte der Graf den Freund in ein reich ausgestattetes Empfangsgemach, und Eike stand, betroffen, sprachlos vor Staunen, einer schönen, jungen Frau gegenüber.

      »Auch die Burgfrau heißt den Gast ihres Gatten willkommen,« sagte sie, nicht steif und hoffärtig, aber doch etwas gemessen und sichtlich selber überrascht über die stattliche, fast jugendliche Erscheinung des Ankömmlings, den sie sich ganz anders gedacht hatte.

      Eike konnte ihr nur mit einigen kurzen, verbindlichen Worten danken, auf die sie erwiderte: »Ich möchte Euch, ehe Ihr hier Platz nehmt, Euer Losament zeigen, Herr Ritter von Repgow. Bitte, folgt mir.«

      Sie schritten alle drei, die Gräfin voran, durch einen langen, schmalen, mittels zahlreicher Luken erhellten Gang, den Fräuleingang geheißen, wie der Graf erklärte, zu dem nach seinen Angaben höchst behaglich eingerichteten Zimmer. Die Gräfin öffnete die Tür und lud mit einer Handbewegung den Gast zur Besitznahme ein.

      Eike, sich darin umschauend und dann an eines der drei Fenster tretend, rief aus: »Was? hier soll ich wohnen? das ist ja viel zu prächtig für mich. Hier wird mir die Arbeit schwer werden, diese herrliche Aussicht in das Tal vor Augen mit den Bergen und Wäldern und den grünen Wiesen, durch die sich der erlenbekränzte Fluß in gefälligen Windungen schlängelt. Da muß einem ja das Herz aufgehen vor Entzücken, aber die Schreiberei wird dabei zu kurz kommen, gnädigste Gräfin!«

      Mit einem zufriedenen Lächeln antwortete Gräfin Gerlinde auf diese begeisterten Äußerungen: »Nicht beeinträchtigen, sondern Eure Arbeit fördern möge der freie Blick in diese schöne Natur, und ich wünsche Euch Heil und Segen dazu hier unter unserem Dache.« Dann zog sie sich zurück und ließ die beiden Männer allein.

      Als sie den Fräuleingang wieder durchwandelte, flüsterte sie: »Wie ein Gelehrter sieht er eigentlich nicht aus, aber ein Ritter ist er.« –

      »Ich habe deine Verwunderung bemerkt, als du die Gräfin sahest,« begann Graf Hoyer unter vier Augen mit Eike. »Sie ist meine zweite Frau, was ich dir neulich mitzuteilen vergaß. Nachdem mir vor acht Jahren der Tod meine liebe Bertrade entrissen hatte, ward es mir öd und einsiedlerisch hier, denn ich war allein, meine Söhne waren damals schon auswärts. Da, als ich zwei Jahre später auf einer Fahrt durch Franken einmal zu einem mir befreundeten Ritter auf Burg Schwanenfeld kam, wurde mein Herz von einer schnellen Neigung zu einer seiner fünf Töchter erfaßt. Ich zauderte nicht und warb um sie. Auch das damals zweiundzwanzigjährige Mädchen besann sich nicht lange und nahm meinen Antrag an, denn die Familie lebte bei geringem Besitz einsam, wie abgeschieden von der Welt, und die Freier blieben aus. Der Brautkauf mit dem Vater war bald geschlossen, und sowohl der Muntschatz wie die Morgengabe und die Leibzucht, die ich zu bestellen gelobte, waren reichlich bemessen. So ward Gerlinde mein Weib, und mich hat es nicht gereut, denn mit ihr kam wieder Sonnenschein und Leben auf den Falkenstein, obwohl wir keinen regen Verkehr mit Standesgenossen haben und ich, der ich soviel älter bin, der noch jungen Frau wenig bieten kann. Ob sich Gerlinde an meiner Seite glücklich und zufrieden fühlt, weiß ich nicht. Dir wird es leicht werden, dich gut mit ihr zu stellen, denn sie ist eine offenherzige, zugängliche Natur und besitzt eine nicht gewöhnliche Geistesbildung. Nimm dich ihrer, wenn du Lust und Zeit dazu hast, ein wenig an; sie und ich werden es dir Dank wissen.«

      »Ich werde mich nach besten Kräften um die Huld der Frau Gräfin bemühen,« sprach Eike mit einem verlegenen Lächeln, »aber ich bin in zartem Frauendienst nicht erfahren und geübt, Graf Hoyer, und die Frau Gräfin wird viel Nachsicht mit mir haben müssen, bis ich mir ihre Gunst und Gewogenheit errungen habe.«

      »Auf das experimentum bin ich gespannt, Eike,« lachte der Graf. »Jetzt ruhe dich aus, bis Folkmar dich zum Abendessen ruft; lange wird es nicht mehr dauern. Du bleibst wie du da bist; meine Frau ist nicht anspruchsvoll, und wir drei sind ja Gottlob! unter uns allein, worauf ich mich unbändig freue. Auf Wiedersehen!« Damit ging er. –

      »Seine zweite Frau und achtundzwanzig Jahre, wenn ich richtig rechne!« sprach Eike, sich auf eine Ruhebank hinstreckend. »Daher auch die fehlende Antwort, als ich ihm bei unserem Abschied unter der Eiche einen Gruß an seine Gemahlin auftrug, nicht ahnend, daß Frau Bertrade längst nicht mehr unter den Lebenden ist. – Und er weiß nicht, ob sich Frau Gerlinde an seiner Seite glücklich fühlt? Wie ist es nur möglich, so etwas nicht zu wissen! Hat sie es ihm nie gezeigt, ihm niemals unwillkürlich verraten? Da müßte sie ja ein sehr kühles Menschenkind sein, und dagegen sprechen ihre glutsprühenden Augen. – Um ihre Gunst soll ich mich bewerben. Als ob ich nicht andere Dinge im Kopf hätte! Wenn mich der erste, flüchtige Eindruck nicht täuscht, ist sie aller Verehrung wert, und die will ich ihr auch gern darbringen, mehr aber nicht, und mehr wird sie auch nicht von mir erwarten. Eine hochmütige Tyrannin, die bedingungslose Unterwerfung fordert und gefallsüchtig von früh bis spät umschmeichelt sein will, ist sie sicher nicht. Ihre Augen freilich, die sind gefährlich, – mir gefährlich? ach, ich bin gepanzert mit dreifachem Erz. Wenn aber nun –«

      Es klopfte. »Seid Ihr es, Folkmar?«

      »Jawohl, Herr Ritter! die Frau Gräfin läßt zu Tische bitten,« klang es durch die Tür zurück.

      »Ich komme sogleich.« –

      Der Tisch stand im Speisesaale gedeckt, nur die Speisen und das Getränk nebst den Trinkgeschirren fehlten noch darauf. Daher empfing Gräfin Gerlinde den neuen Burgbewohner mit den Worten: »Ein wenig müssen wir uns noch gedulden, Herr von Repgow, und ich will Euch unterdessen mit unserer gewohnten Zeiteinteilung bekannt machen. Das Morgenbrot wird Euch Melissa, meine Gürtelmagd, in Euer Gemach bringen zu jeder Stunde, die Ihr bestimmen werdet. Zu Mittag essen wir, wann die Sonne am höchsten steht, und abends so wie heute. Im übrigen seid Ihr völlig frei und an nichts gebunden. Ist Euch das recht so?«

      »Edle Frau, Ihr habt zu befehlen, ich bin mit allem zufrieden. Jeglicher Ordnung, die in diesen Mauern herrscht, werde ich mich willig fügen und mit Freuden Euren leisesten Winken gehorchen,« erwiderte Eike sich ritterlich verneigend und der Gräfin die Hand küssend.

      »Das heißt,« fiel Graf Hoyer ein, »wenn du in der Zwischenzeit einmal Hunger verspürst, legst du ihn meiner Frau ans Herz, und sooft dich Durst anwandelt, wendest du dich an mich, Eike; ich habe Verständnis für dergleichen Gefühle.«

      »Aber auch Ihr müßt das richtig verstehen, Herr Ritter,« fügte die Gräfin schalkhaft hinzu. »Euer Durst wird meinem Gemahl stets ebenso willkommen sein wie sein eigener, schon der guten Gelegenheit wegen, mittrinken zu können.«

      »Sonst darf ich's nämlich nicht, denn sie erlaubt mir selten einen biederen Trunk außer der Reihe,« lachte der Graf. »Wenn ich aber einen Genossen dabei habe, dem ich mit dem Becher Bescheid tun muß, drückt sie ein Auge zu.«

      »Beide!« sprach die Gräfin nachdrücklich mit einem Seufzer, der etwas Drolliges hatte. »Ah, da kommt unsere Mahlzeit,« rief sie gleich darauf vergnügt, als sich die Tür öffnete.

      Folkmar trat ein, aber mit leeren Händen.

      »Folkmar, du bringst weniger als nichts, du bringst etwas Unangenehmes« sagte der Graf stirnrunzelnd. »Was ist geschehen?«

      »Herr Graf, der Ritter Dowald von Ascharien ist soeben angekommen,« meldete der Diener mit einem Gesicht, so grämlich wie drei Tage Regenwetter.

      »Daß dich der Donner und Hagel erschlag!« brauste der Graf zornwütig auf. »Ist denn die Zugbrücke noch nicht aufgezogen?«

      »Goswig