c) Umweltrecht
52
Medienübergreifender Umweltschutz
Im Bereich des Umweltschutzes wird nunmehr verstärkt ein medienübergreifender Ansatz verfolgt. Dies zeigt sich etwa in der IVU-Richtlinie.[115] Sie verlangt die Koordinierung der Genehmigungsverfahren für stark umweltbelastende Anlagen bei einer Behörde, die Einbeziehung der Öffentlichkeit und die Verpflichtung zur Berücksichtigung aller relevanten Umweltmedien. Für einen vorausschauend planerischen Ansatz lässt sich die Luftqualitätsrichtlinie[116] nennen. Darin werden Grenzwerte für verschiedene Luftschadstoffe festgesetzt, deren Einhaltung durch die Aufstellung von Plänen und Programmen erreicht werden soll.
d) Datenschutz
53
Datenschutz
Zunehmende Bedeutung erlangt der Datenschutz. Die Datenschutzrichtlinie von 1995[117] verfolgt das Ziel, zum Abbau von Hemmnissen im Binnenmarkt ein einheitliches Schutzniveau im Bereich der Verarbeitung von personenbezogenen Daten herzustellen. Die Richtlinie sieht in Art. 28 die Einrichtung von „Kontrollstellen“ vor, welche die ihnen zugewiesenen Aufgaben in völliger Unabhängigkeit wahrzunehmen haben. Diese Anforderung hatte eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland im Vertragsverletzungsverfahren zur Folge. Der EuGH sah in der ministeriellen Rechtsaufsicht über die Datenschutzbeauftragten hinsichtlich der Überwachung im nichtöffentlichen Bereich einen Verstoß gegen das Erfordernis „völliger Unabhängigkeit“.[118] Den Einwand, das Demokratieprinzip fordere diese Aufsicht, wies der EuGH zurück. Die demokratische Legitimation unabhängiger Stellen könne auch in anderer Weise hergestellt werden, etwa durch die parlamentarische Bestimmung des Leitungspersonals und regelmäßige Rechenschaftsberichte gegenüber dem Parlament.
6. Zwischenfazit
54
Stand der Integration
Mit dem Vertrag von Maastricht findet eine substanzielle Vertiefung der Integration nicht nur zur Währungs-, sondern auch zur Werteunion statt. Gleichzeitig machen die Mitgliedstaaten mit der ausdrücklichen Formulierung der Kompetenzgrenzen und dem Schutz ihrer nationalen Identität ihre Souveränitätsvorbehalte deutlich. Die Migration mit ihren Sicherheitsproblemen wird zu einem relevanten Politikbereich. Der transnationale Verwaltungsvollzug gewinnt weiter an Bedeutung. Im Umweltrecht setzt sich der medienübergreifende Ansatz durch und insbesondere im Bereich der Wirtschaftspolitik werden mit der OMK neue weiche Steuerungsmethoden erprobt.
V. Die Verträge von Amsterdam und Nizza
55
Konsolidierung
Mit den Verträgen von Amsterdam[119] und Nizza[120] erfolgt eine Konsolidierung der bisherigen Entwicklung. Gleichzeitig werden die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen, um die anstehende Erweiterung um zehn neue Mitgliedstaaten[121] zu bewältigen.
1. Änderungen im Überblick
56
Vertragsänderungen
Die „Beschäftigung“ wird als eigener Politikbereich ausdrücklich ausgewiesen (Art. 125 ff. EGV). Mit dem Titel „Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr“ wird das Migrationsrecht aus der ehemaligen Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres in den EGV verlagert und damit der „Gemeinschaftsmethode“ unterworfen. Gleichzeitig wird der Schengen-Besitzstand in den Rahmen der Europäischen Union einbezogen,[122] was zeigt, dass das Thema „Migration“ zu einer zentralen Herausforderung gemeinsamer Politik geworden ist. Intergouvernemental, also Angelegenheit des Rates, bleibt die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS), die mit der GASP im EUV zusammengefasst wird. In Nizza wird zudem die Charta der Grundrechte der Europäischen Union feierlich proklamiert, wenn auch noch nicht verbindlich, womit die Wertegemeinschaft ein sichtbares Fundament bekommt.
a) Nachhaltigkeit
57
Nachhaltigkeit als allgemeines Politikziel
Das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung steigt gemäß Art. 2 EUV und Art. 2 EGV zum Ziel aller Unionspolitik auf[123] und wird als Querschnittsklausel in Art. 6 EGV zusätzlich abgesichert.
b) Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
58
Das Subsidiaritätsprotokoll
Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 EGV) werden im Protokoll Nr. 30 konkretisiert.[124] Es enthält ein Begründungserfordernis, eine Anhörungspflicht, statuiert den Vorrang von Richtlinien und verlangt die Achtung von bewährten nationalen Regelungsstrukturen. Die finanziellen Belastungen und der Verwaltungsaufwand für die Behörden und die Wirtschaft sollen so gering wie möglich gehalten werden. Rat und Parlament sind verpflichtet, die Einhaltung der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu prüfen.
c) Charta der Grundrechte der EU und Kodex für gute Verwaltungspraxis
59
Charta der Grundrechte der EU und Kodex für gute Verwaltungspraxis
In der Charta der Grundrechte der EU finden zahlreiche in der Rechtsprechung des EuGH für das Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsgrundsätze ihren ausdrücklichen Niederschlag. So liest sich das Recht auf gute Verwaltung in Art. 41 GRCh wie eine Zusammenfassung dieser Rechtsprechung,[125] ebenso der vom Büro des Europäischen Bürgerbeauftragten ausgearbeitete und vom Europäischen Parlament 2001 angenommene Kodex für gute Verwaltungspraxis[126]. Von Bedeutung ist des Weiteren der Gleichheitsgrundsatz (Art. 20) sowie das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Union (Art. 42). Als Grundsätze enthalten die Artikel zum Gesundheitsschutz (Art. 35), Umweltschutz (Art. 37) und Verbraucherschutz (Art. 38) politische Zielvorgaben. Art. 47 garantiert das seit langem als „allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts“ anerkannte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf.
a) Komitologie
60
Der 3. Komitologiebeschluss
Auf Druck des Europäischen Parlaments[127] erhielt das Komitologieverfahren eine neue Variante[128]: das Regelungsverfahren mit Kontrolle, das dem Parlament nicht mehr nur eine Ultra-vires-Kontrolle, sondern auch eine inhaltliche Kontrolle des Rechtsakts auf Vereinbarkeit mit Ziel und Inhalt des Basisrechtsakts sowie mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ermöglichte.
b) Agenturen
61
Agenturneugründungen
In den Jahren 1999 bis 2009 werden eine Vielzahl weiterer Agenturen gegründet. Sie belegen die Herausforderungen, vor denen die EU steht, sind aber auch Ausdruck davon, dass die Kommission sich verstärkt