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Die Einziehung von Gegenständen gilt als „schillerndes Rechtsinstitut“.[166] Im Strafrecht ist sie eine Nebenstrafe[167] und Teil der Strafzumessung, wenn sie gegen einen Täter oder Teilnehmer angeordnet wird, der schuldhaft gehandelt hat. Fehlt es hieran, ist sie eine Sicherungsmaßnahme, um gefährliche Gegenstände aus dem Verkehr zu ziehen (vgl. § 74b Abs. 1 StGB). Darüber hinaus gibt § 74a StGB die Möglichkeit der strafähnlichen Dritteinziehung ungefährlicher Gegenstände.[168] Gegenstände eines Tatunbeteiligten werden eingezogen, wenn er mindestens leichtfertig zur Verwendung als Tatmittel oder Tatobjekt beigetragen (§ 74a Nr. 1 StGB) oder den Gegenstand in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben hat (§ 74a Nr. 2 StGB). Da dem Dritten ein „quasi-schuldhaftes Verhalten“ angelastet wird, dürfte die Dritteinziehung nur dann mit dem Schuldgrundsatz vereinbar sein, wenn der Dritteigentümer zumindest mittelbar in die Tatbegehung „verstrickt“ war.[169] Im Ordnungswidrigkeitenrecht ist die Einziehung eine Nebenfolge, der ebenfalls eine Doppelfunktion
5. Verwaltungsrechtliche Maßnahmen
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Schließlich steht ein umfangreiches verwaltungsrechtliches Instrumentarium zur Verfügung. Hierbei geht es allerdings nicht um die (repressive) Sanktionierung eines schuldhaften Verhaltens, sondern ausschließlich um die (präventive) Abwehr von Gefahren, die von Betrieben und Unternehmen ausgehen.
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Zunächst besteht die Möglichkeit der Gewerbeuntersagung, womit quasi ein „Berufsverbot“ verhängt werden kann. So kann nach § 35 GewO von der zuständigen Behörde die Ausübung eines stehenden Gewerbes ganz oder teilweise auf Dauer – mit der Möglichkeit der Wiedergestattung – untersagt werden, „wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist“. „Erforderlich“ ist eine Untersagung, wenn zum Schutz kein milderes Mittel zur Verfügung steht (z.B. Auflagen, Abmahnung). Eine „Volluntersagung“ kommt nur ausnahmsweise in Betracht.[171] Auch weitere Vorschriften ermöglichen die Untersagung gewerblicher Betätigungen: § 59 GewO (Reisegewerbe); § 15 GastG (Gaststättengewerbe); § 16 Abs. 3 HWO (Handwerk).
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Weiter ist die Untersagung der Benutzung von Anlagen möglich. Die zuständige Behörde kann die Benutzung gewerblicher Anlagen wegen überwiegender Nachteile und Gefahren für das Gemeinwohl zu jeder Zeit untersagen (§ 51 GewO). Den Betrieb genehmigungspflichtiger Anlagen kann sie
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Selbst die Zwangsauflösung des Verbandes, gewissermaßen die „Todesstrafe“, ist bei einer Gefährdung des Gemeinwohls möglich (siehe § 396 AktG; § 62 GmbHG; § 81 GenG; § 87 BGB). In der Praxis haben diese Vorschriften jedoch bislang nur in einem Fall aus den 1930er Jahren[172] Bedeutung erlangt. Denn sie sind sehr eng gefasst. Die Auflösung ist subsidiär zu anderen Maßnahmen (wie der Abberufung der Leitungspersonen), sie kann durch die Herbeiführung der Insolvenz und die Errichtung von Nachfolgegesellschaften ausgehebelt werden und hat in sozialer, arbeitsrechtlicher und wirtschaftspolitischer Hinsicht gravierende Konsequenzen.[173]
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Schließlich ermöglichen §§ 3, 17 Nr. 1, Nr. 2 VereinsG das Verbot einer Wirtschaftsvereinigung, sofern diese sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet oder gegen staatsschützende Strafnormen verstößt. Damit soll verhindert werden, dass ein Vereinsverbot umgangen wird.[174] Das gewöhnliche Auflösungsverfahren führt nämlich nicht zu einer raschen und effektiven Zerstörung einer Gesellschaft, da die Liquidation regelmäßig von selbst eingesetzten Organen durchgeführt wird und die Gefahr besteht, dass das Gesellschaftsvermögen unter anderweitiger Tarnung missbraucht wird.
6. Registereinträge
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Eine rechtskräftig festgesetzte Verbandsgeldbuße von mehr als 200 Euro ist in das Gewerbezentralregister einzutragen, das durch das Bundesamt für Justiz (BfJ) geführt wird (§ 149 Abs. 2 Nr. 3 GewO). Damit soll den zuständigen Gewerbebehörden Tatsachenmaterial an die Hand gegeben und ein wirksamer Schutz der Allgemeinheit vor unzuverlässigen Gewerbetreibenden ermöglicht werden.[175]
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Darüber hinaus haben in den vergangenen beiden Jahrzehnten die meisten Bundesländer per Gesetz oder ministeriellem Erlass Korruptions- und Vergaberegister geschaffen, mit denen – freilich unter stark divergierenden Voraussetzungen – Unternehmen von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden können.[176] Auf Bundesebene scheiterten dagegen lange Zeit alle Pläne zur Einrichtung eines zentralen Registers.[177] Erst mit dem „Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ vom 18. Juli 2017[178] wurde ein Wettbewerbsregister geschaffen, das vom Bundeskartellamt als Datenbank geführt wird (§ 1 WRegG), im Jahr 2020 funktionsfähig sein soll und die Landesregister ablösen wird. Eingetragen werden unter den Voraussetzungen von § 2 WRegG rechtskräftige Verurteilungen, Strafbefehle oder bestandskräftige Bußgeldentscheidungen.
12. Abschnitt: Täterschaft und Teilnahme › § 49 Strafbarkeit juristischer Personen › D. Die Diskussion um die Einführung eines Verbandsstrafrechts
I. Dogmatische Aspekte
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In der deutschen Strafrechtswissenschaft bestehen traditionell grundlegende Bedenken gegenüber einem Verbandsstrafrecht. Nach h.M.[179] stehen ihm die strafrechtlichen Grundkategorien entgegen. Verbände seien weder handlungs-, schuld- noch straffähig. Auch wären Doppel- und Kollektivbestrafungen zu befürchten. Für die gerade in den letzten Jahren weiter vordringende Gegenauffassung[180] sind diese Hindernisse dagegen überwindbar, da dogmatische Grundsätze „nicht in Stein gemeißelt“[181] seien.
1. Handlungsfähigkeit
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Traditionell[182] wird bereits die Handlungsfähigkeit von Verbänden verneint. Juristischen Personen und Personenvereinigungen fehle es als juristischen Konstrukten an der psychisch-geistigen Substanz, sie seien unfähig, einen eigenen „natürlichen“ Willen zu bilden und zu handeln. Das Handeln von Verbänden sei stets von Menschen abgeleitet, ein eigenes