b) Risiken verbundener Transaktionen (Leerverkäufe)
Aus aufsichtsrechtlicher Perspektive kann es insbesondere Bedenken auslösen, wenn zeitweise überlassene Finanzinstrumente im Rahmen von Leerverkäufen als verbundenen Folgetransaktionen genutzt werden. Leerverkäufe von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten sowie vergleichbare Transaktionen mit Kreditderivaten (insb. CDS) sind für sich genommen hebelfinanzierte Geschäfte.
Als Hebelgeschäfte sind Leerverkäufe und vergleichbare Transaktionen mit Kreditderivaten mit einem Ausfallrisiko zulasten des Transaktionspartners des Leerverkäufers verbunden. Die Kombination mit einem Wertpapierleihgeschäft eröffnet zudem einen Risikokanal, bei dem ein Ausfallrisiko zulasten des Verleihers (und dessen Kapitalgebern) entsteht. Die Realisierung dieser Ausfallrisiken kann sich – sofern es sich bei dem Transaktionspartner um einen Finanzintermediär handelt – zum Nachteil von dritten Kapitalgebern (Ein- bzw. Anlegern) auswirken.485 Die Risiken aus Leerverkäufen sind in der Praxis allerdings begrenzt, wenn Wertpapiere, die zur Erfüllung von Lieferverpflichtungen benötigt werden, über zuvor vereinbarte Wertpapierleihgeschäfte beschafft werden. Der Verleiher weiß in diesem Fall, dass er mit der Wertpapierleihe bestimmte (Verlust-) Risiken eingeht und kann von Entleiher die eventuell nötigen Sicherheiten verlangen.
Dessen ungeachtet haben Leerverkäufe geliehener Eigen- und Fremdkapitalinstrumente und vergleichbare Transaktionen mit Kreditderivaten einen ambivalenten Charakter. Zwar erhöhen solche Transaktionen die Liquidität im Markt, aber sie erhöhen zugleich das Handelsvolumen und verstärken somit auch Kursreaktionen.486 Die Erhöhung der Marktliquidität trägt zu einer effizienten Preisbildung bei und eröffnet mehr Marktteilnehmern die Möglichkeit zum Handel.487 Allerdings wird die Liquidität nur während der Laufzeit und für die Zwecke des betreffenden Geschäfts erhöht.
Diese Abhängigkeit vom Zweck der Transaktion kann Probleme je nachdem aufwerfen, welche Zwecke die Beteiligten mit der Transaktion verfolgen.488 Schon bei der Vorstellung der allgemeinen Merkmale von Derivaten wurde darauf hingewiesen, dass Spekulation die Risiken im Markt erhöht.489 Leerverkaufsgeschäfte und vergleichbare Transaktionen mit Kreditderivaten können bei einem spekulativen Einsatz z.B. einen vorhandenen Kursverfall beschleunigen, insbesondere wenn sich der Markt anders als von den Transaktionspartnern vorhergesehen entwickelt.490 Es wird angenommen, dass die Geschäfte in Krisen auch zu Überreaktionen anderer Marktteilnehmer beitragen können, die eigene Entscheidungen unter Berücksichtigung von Leerverkäufen oder der Entwicklung von CDS-Spannen (spreads) treffen.491 Aufgrund der hohen Liquidität der Geldmärkte besteht gerade im kurzfristigen Handel eine Gefahr von hohen Kursschwankungen. Dies kann die Erfüllung von Lieferverpflichtungen erschweren oder sogar unmöglich machen, insbesondere wenn erhebliche Hebel eingesetzt werden.492 Nicht auszuschließen ist ferner, dass Leerverkaufsgeschäfte und vergleichbare Transaktionen mit Kreditderivaten im Einzelfall missbräuchlich eingesetzt werden, um die Preise bestimmter Wertpapiere gezielt unter Druck zu setzen.493
Allerdings ist auch ein risikomindernder Einsatz solcher Geschäfte möglich. Eine Risikoverminderung liegt vor allem dann nahe, wenn Leerverkäufe und vergleichbare Transaktionen zu Absicherungszwecken eingesetzt werden. Eine Risikoerhöhung ist allerdings dann nicht auszuschließen, wenn die verfolgten Absicherungsinteressen sich auf korrelierte Werte beziehen oder soweit CDS auf korrelierte Werte zur Absicherung verwendet werden.494
In welchem Umfang die Vor- oder die Nachteile der genannten Transaktionen in einer volkswirtschaftlichen Gesamtschau überwiegen, ist umstritten.495 Bei Kreditderivaten kommt freilich als allgemeines Problem hinzu, dass sie für den Kreditgeber (Sicherungsnehmer) die Anreize zur Kreditkontrolle vermindern. Außerdem gehen Kreditderivate mit zusätzlichen Gegenparteirisiken einher.496
III. Austausch und Weiterverwendung von Sicherheiten
Die Marktteilnehmer haben ein Interesse daran, in Finanztransaktionen die mit gestellten Sicherheiten verbundenen Kosten zu minimieren. Ein Mittel hierzu besteht darin, dass sie sich Sicherheiten von einem Dritten „leihen“ oder diese weiterverwenden.
Eine „Leihe“ von Sicherheiten ist in der Form möglich, dass ein Marktteilnehmer, der eine bestimmte Transaktion durchführen möchte und selbst nicht über die erforderlichen Sicherheiten verfügt, sich diese von seiner Bank stellen lässt. Man spricht hier von einem collateral swap bzw. von collateral transformation. Zu diesem Zweck bieten es einige Banken Kunden an, die Derivatgeschäfte über eine Clearingstelle durchführen möchten, ohne über Anleihen oder andere Sicherheiten (collateral) der nötigen Bonität zu verfügen, dass sie die bonitätsschwächeren Sicherheiten ihrer Kunden gegen Gebühr übernehmen und ihnen im Gegenzug höherwertige Papiere zur Verfügung stellen, welche die Clearingstelle akzeptieren wird.497 Bei einem späteren Ausfall des Kunden verwertet dann die Clearingstelle die zur Verfügung gestellten Sicherheiten, während der Bank nur der Rückgriff auf die ihr übernommenen Sicherheiten verbleibt.498 Die Bank – und mittelbar ihre Kapitalgeber (Einleger) – sind also einem Risiko ausgesetzt, dass sich die Sicherheiten nicht verwerten lassen.
Die Finanzmarktteilnehmer können die mit Sicherheiten verbundenen Kosten aber auch dadurch vermindern, dass sie nicht belastete und ihnen selbst als Sicherheit geleistete Vermögensgegenstände weiter nutzen bzw. weiter verpfänden (re-use/re-hypothecation). Ein solches Vorgehen kann allerdings Probleme aufwerfen, wenn es nach Abschluss eines Geschäfts zur zeitweiligen Wertpapierüberlassung stattfindet. In einem solchen Fall kann es nämlich für den überlassenden Transaktionspartner unsicher sein, in welchem Umfang es zu solchen Weiterverpfändungen kommt.
Bei Geschäften zum Austausch von Sicherheiten (collateral swap) können Risiken für die Systemstabilität daraus folgen, dass Banken, die einen solchen Wertpapiertausch betreiben, als Anteilseigner mit den Clearingstellen verflochten sein können. Wenn eine Bank durch den Sicherheitstausch Risiken ihres Kunden übernimmt, kann sich dies also auch zum Nachteil der Clearingstelle auswirken. Der Umfang, in dem die betreffenden Geschäfte tatsächlich stattfinden, ist allerdings unklar.499 Bei der Weiternutzung bzw. -verpfändung von als Sicherheiten gestellten Wertpapieren können Stabilitätsrisiken daraus folgen, dass den die Sicherheiten stellenden Marktteilnehmer unbekannt ist, in welchem Umfang eine Weitervernutzung stattgefunden hat.500 Solche Praktiken haben bereits in größerem Umfang die Aufmerksamkeit der Aufsichtsbehörden auf sich gezogen.501
IV. Marktmissbrauch und Kartellverstöße
1. Einführung
Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass Risiken für das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte vor allem dann entstehen können, wenn einzelne Marktteilnehmer Informationsvorteile zulasten anderer Marktteilnehmer ausnutzen können, ohne dass diese die Vorteile erkennen oder richtig bewerten (und damit auch einpreisen) können.
Allerdings lässt es sich nicht ohne Weiteres vermeiden, dass es zu solchen Informationsgefällen kommt, da die Märkte – bei der im vorliegenden Kontext gebotenen realistischen Betrachtung – unvollkommen sind. So stehen dem Management eines Aktienemittenten grundsätzlich mehr Informationen über sein Unternehmen zur Verfügung als den Marktteilnehmern, welche die emittierte Aktie später am geregelten Markt kaufen. Ebenso stehen einem Kreditnehmer im Zweifel mehr Informationen über seine wirtschaftliche Situation zur Verfügung als dem Kreditgeber (ob er sie nutzt, ist eine andere Frage). Berichts- und Publizitätspflichten können die betreffenden Informationsasymmetrien zwar vermindern, aber nicht völlig ausschließen.502
Problematisch können allerdings Praktiken sein, durch die Marktteilnehmer sich zusätzliche