• Spoofing: Auch bei dieser Strategie wird Anzahl großvolumiger Aufträge platziert, deren Ausführung von vornherein nicht beabsichtigt ist.527 Zwischenziel ist es in diesem Fall, dem Markt eine in Wahrheit nicht vorhandene Liquidität vorzutäuschen. Dadurch sollen andere Handelsteilnehmer zu bestimmten Transaktionen veranlasst werden. Die Scheinaufträge erscheinen vor ihrer Stornierung zumeist nur für einen Augenblick im Orderbuch. Die Strategie wird daher ebenfalls gegen andere Hochfrequenzhändler eingesetzt, um deren auf Algorithmen basierende Handelsaktivitäten zu beeinflussen.528
• Directional manipulation (momentum ignition): Hier werden durch großvolumige Scheinaufträge Markttrends wie z.B. ein Kursanstieg suggeriert. Das Zwischenziel ist, das Anlageverhalten einer größeren Anzahl anderer Handelsteilnehmer zu beeinflussen. Im Anschluss können z.B. zuvor zu einem günstigeren Kurs aufgebaute Positionen aufgelöst werden.
• Layering: In diesem Fall werden mehrere Scheinaufträge für ein Finanzinstrument mit einem jeweils an- oder absteigenden Limit aufgegeben.529 Eine dermaßen gestaffelte Platzierung von Aufträgen kann an sich durchaus legitimen Zielen dienen, etwa um eine Ausführung in einer bestimmten Reihenfolge zu gewährleisten. Ein manipulatives Vorgehen liegt allerdings nahe, wenn das Volumen der Aufträge besonders groß ist. Denn über das große Volumen der später stornierten Scheinaufträge lässt sich als Zwischenziel der Eindruck erzeugen, dass sich der Kurs eines Finanzinstruments in eine bestimmte Richtung bewegt (z.B. bei Käufen: nach oben). Hierdurch können andere Marktteilnehmer zu Transaktionen veranlasst werden, von denen der missbräuchlich vorgehende Händler bis zur Stornierung z.B. über kleinere gegenläufige Geschäfte (z.B. über Verkäufe) profitieren kann.530
ccc) Ausnutzung von Preis-Inelastizitäten
Andere missbräuchliche Handelsstrategien (sog. cornering bzw. abusive squeezes) beruhen darauf, dass ein Händler sich die weitgehende Kontrolle über das Angebot bzw. die Nachfrage an einem Wertpapier verschafft und somit die Marktgegenseite (z.B. Leerverkäufer) in die Ecke drängen kann.531 Dabei macht der Händler sich typischerweise Preis-Inelastizitäten zunutze, die etwa bei Leerverkäufern daraus resultieren, dass diese sich eindecken müssen, um die leer verkauften Instrumente fristgerecht an ihre Transaktionspartner liefern zu können.532
ddd) Manipulative Leerverkäufe
Leerverkäufe wurden bereits vorgestellt – es handelt sich um Verkäufe von Finanzinstrumenten, bei denen die veräußerten Instrumente nicht im Eigentum des Veräußerers stehen und die Erfüllung zeitversetzt erfolgt.533 Im vorliegenden Kontext sind vor allem ungedeckte Leerverkäufe problematisch, bei denen die Erfüllung der Lieferpflichten aus dem Leerverkaufsgeschäft nicht abgesichert ist.534 Das gilt zumindest dann, wenn dem Transaktionspartner des Leerverkäufers verborgen bleibt, dass die verkauften Finanzinstrumente nicht im Eigentum des Leerverkäufers stehen und dass dieser über keine Absicherung zur Erfüllung der Lieferpflichten verfügt. Solche Leerverkäufe können genutzt werden, um Kurse gezielt zu beeinflussen, wobei der Leerverkäufer zugleich Risiken aus dem Geschäft auf seinen – dahingehend uninformierten – Transaktionspartner abwälzt. Hervorzuheben sind insbesondere die folgenden missbräuchlichen Vorgehensweisen:
• Bear raids: Hierbei handelt es sich um massenhafte Leerverkäufe, die als Zwischenziel andere Marktteilnehmer irreführen und zu fehlerhaften Annahmen über die Bewertung eines Finanzinstruments veranlassen sollen.535 Problematisch ist die Strategie, wenn der Leerverkäufer zusätzlich Falschinformationen streut oder wenn er in Abstimmung mit anderen Leerverkäufern handelt, um den Preis des Finanzinstruments kollusiv nach unten zu drücken.
• Bottom fishing: Bei dieser Strategie gibt ein Leerverkäufer ebenfalls massenhaft Verkaufsaufträge auf. Diese erfolgen allerdings als Stop market-Order, wobei er als Zwischenziel darauf spekuliert, durch seine Verkäufe fremde Verkaufsaufträge auszulösen.536 Im Anschluss kann der Leerverkäufer sich zum abgesenkten Kurs eindecken.537 Allerdings ist die Strategie aufgrund der dadurch ausgelösten Kursschwankungen nach außen erkennbar. Als manipulativ wird sie trotzdem angesehen, wenn der Leerverkäufer von vornherein plant, sich nicht einzudecken.538
Als manipulativ werden auch andere Leerverkäufe angesehen, bei denen der Leerverkäufer von vornherein seine Lieferverpflichtung nicht erfüllen will (in den USA bekannt als sog. abusive naked short sales).539 Nach heutigem EU-Recht könnte es sogar genügen, wenn der Leerverkäufer ohne Täuschungsabsicht schlichtweg nicht erfüllungsfähig ist.540
b) Nutzung von Insiderinformationen
aa) Insidergeschäfte im Allgemeinen
Die Ausnutzung von Insiderinformationen kann es Marktteilnehmern ermöglichen, von Informationsvorteilen zu profitieren, die anderen Marktteilnehmern im Handel nicht zur Verfügung stehen. Nach EU-Recht kennzeichnet Insiderinformationen, dass es sich um nicht öffentlich bekannte und präzise Informationen handelt, die direkt oder indirekt einen oder mehrere Emittenten bzw. Finanzinstrumente betreffen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, zu einer erheblichen Kursbeeinflussung geeignet wären.541 Das bedeutet, dass über die Nutzung der Informationen im Rahmen von Handelsgeschäften ein „ungerechtfertigter Vorteil [...] zum Nachteil Dritter erzielt [werden kann], die diese Informationen nicht kennen“.542 Dies kann aus Sicht des EU-Gesetzgebers das Vertrauen in den gleichen Zugang zu Informationen und damit in die Marktintegrität untergraben.543 Im U.S.-Recht werden Insiderinformationen und -geschäfte im Wesentlichen entsprechend definiert.544
bb) Front running
Eine vor allem im elektronischen Hochfrequenzhandel vorkommende Handelsstrategie baut darauf auf, dass ein Händler nicht öffentlich bekannte Informationen zu Angebot und Nachfrage ermittelt, insbesondere indem er sich die nicht öffentlich einsehbaren Inhalte der Orderbücher verschafft. Ein – freilich grundsätzlich zulässiges – Mittel zur Ermittlung solcher Informationen sind kleinvolumige Aufträge in geeigneter Zahl, die innerhalb sehr kurzer Zeit ausgeführt werden, um auszuloten, inwieweit Käufer oder Verkäufer für ein bestimmtes Finanzinstrument vorhanden sind (sog. pinging).545 Soweit sich bei den Reaktionen auf verschiedenen Handelsplätzen Differenzen zeigen, lassen sich hieraus Rückschlüsse auf den Veranlasser der Aufträge ziehen.
Im Fall eines front runnings greift der betreffende Händler hingegen von vornherein auf öffentlich nicht zugängliche Informationen, also Insiderinformationen, zu.546 Diese Insiderinformationen nutzt er, nachdem er sich anderweitig günstig eingedeckt hat, um sich in der Transaktion zwischenzuschalten und den Auftrag selbst zu einem gegenüber seinem Kaufpreis erhöhten Verkaufspreis zu erfüllen.547 Problematisch ist das beschriebene Vorgehen nicht wegen der damit verbundenen Ausnutzung von Kursdifferenzen (Arbitragegeschäft), sondern weil sich der Händler als Insider seinen Informationsvorteil gegenüber anderen Handelsteilnehmern zunutze macht.548
Besonders effektiv ist die gezielte Ermittlung von Angebot und Nachfrage – und damit auch ein etwaiges front running – auf den hausinternen Handelsplätzen von Banken (sog. dark pools).549 Denn hier gibt es kein öffentliches Orderbuch. Die Handelsplätze werden infolgedessen unter anderem von Großinvestoren genutzt, die Aktivitäten mit einem größeren Volumen durchführen wollen, ohne die Kurse zu beeinflussen.550 Allerdings weisen die Handelsplätze auch nur eine beschränkte Zahl von Handelsteilnehmern auf. Zudem erfolgt