Auch in der Finanzkrise 2008–2012 zeigten sich gravierende Probleme mit CDO und SCDO. Dies lag zum einen daran, dass die Produkte für die Investoren nicht erkennbare Risiken enthielten, und zum anderen daran, dass die zur eingesetzten Ratingagenturen die Tranchen der Verbriefungsstruktur trotz geringer Diversifizierung unangemessen gut bewertet hatten.351
Die beschriebenen Probleme haben sich dadurch reduziert, dass im Zuge der Finanzkrise zwingende Selbstbehalte für die Emittenten von Tranchierungsverbriefungen eingeführt wurden (Enron-Problematik) und dass die Transparenzvorgaben und die gesetzlichen Vorgaben für Ratingagenturen grundlegend überarbeitet wurden (Problematik in der Finanzkrise). Bei heute noch existierenden SCDO-Strukturen ist zudem zu beachten, dass etwaige, noch vorkommende Risikoexternalisierungen grundsätzlich durch das Referenzportfolio absorbiert werden dürften.
b) Einsatz von Hebelung und Risikoverkettung
Anleihen, die im Rahmen von SCDO-Strukturen emittiert werden, sind ebenso wie im Fall von Cash CDO Hebelfinanzierungsprodukte. Das bedeutet, dass sich Risikoketten über die von der Zweckgesellschaft emittierten Finanzinstrumente bilden können. Externalisierte Risiken, die nicht durch das Referenzportfolio absorbiert werden, können zudem beliebige am Markt teilnehmende Investoren treffen, welche die synthetischen Anleihen erwerben.352
c) Auswirkungen auf das Gesamtrisiko
Die Auswirkungen, die SCDO auf das Gesamtrisiko im Markt haben können, sind besonders schwierig zu überblicken. SCDO, in denen die Risiken eines Referenzportfolios aus zuvor vergebenen Krediten verbrieft sind, dürften im Regelfall risikomindernd wirken. Denn die Poolung und die Tranchierung vergrößert – ebenso wie bei sonstigen ABS – die Anzahl von Investoren, auf welche die Risiken aus dem Referenzportfolio übertragen werden können. Sofern es allerdings zu einer Abwälzung von Risiken kommt, die nicht durch das Referenzportfolio abgedeckt sind, droht eine Haftung der Investoren, die das seit der Finanzkrise allmählich zurückgekehrte Vertrauen in Cash CDO und SCDO endgültig wegbrechen lassen könnte.
Speziell bei SCDO2 wird ein weiteres Problem darin gesehen, dass es sogar zu einer beschleunigten Verlustallokation kommen könnte. Der Grund sind Überschneidungen in den Referenzportfolios, sodass Risiken, die sich materialisieren, nicht nur ein isoliertes Referenzportfolio treffen, sondern „durchschlagen“. Dieses Risiko besteht insbesondere bei aktiv verwalteten SCDO. Je riskanter die Tranche ist, in die investiert wurde, um so schneller wird die Überschneidung zu einem Problem.353
261 Burghof/Paul/Rudolph in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 28; Sapien, Financial weapons of mass destruction: from bucket shops to credit default swaps, 19 S. Cal. Interdisciplinary L.J. 411, 425ff. (2010). 262 Siehe BaFin, Rundschreiben 11/2017 (VA), 12. Dezember 2017, Abschn. B.4.6; zuvor Rundschreiben 1/2002 (VA), Gesch.-Z. Q 4 – 99/02, 12. April 2002, S. 2f. (aufgehoben). 263 Zu TRS: ISDA, 2007 MASTER Corporate Bond Total Return Swap Confirmation Agreement. 264 Siehe ergänzend Bösch (Fn. 22), S. 13, 242ff., zu den Bestandteilen des Ausfallrisikos, d.h. Verlust in Höhe des ausstehenden Rückzahlungsbetrags zurzeit des Ausfallzeitpunkts (Kreditäquivalenz-Betrag), der Verlustquote bei Ausfall und der Ausfallwahrscheinlichkeit. 265 Franzen/Schäfer in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 49 (53). 266 Franzen/Schäfer in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 49 (54). 267 CLN sind daher nicht nur Anlage-, sondern auch Sicherungsinstrumente; anders offenbar als andere strukturierte Anleihen mit Ertragsberechnung anhand eines Referenzwerts, wie z.B. Commodity Linked Notes, Equity Linked Notes, Performance Linked Notes. 268 Eingehend: Harris/Kramer, Credit Derivatives, Insurance, and CDOs: The Aftermath of Enron in: Culp, Structured Finance and Insurance: The ART of Managing Capital and Risk, S. 676 (679ff.). 269 Siehe z.B. Franzen/Schäfer in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 49 (58), zu exotischen bzw. komplexeren Varianten, die infolge der Finanzkrise nicht mehr im Markt präsent sind. 270 Deshalb werden in den amtlichen Statistiken zu OTC-Derivaten üblicherweise auch nur CDS ausgewiesen; siehe etwa BIZ, BIS Quarterly Review, September 2018, Annex: BIS Statistics: Charts, Tabelle D5, S. 255; zur Nomenklatur: dies., Triennial Central Bank Survey, Foreign exchange and derivatives market activity in 2007, Dezember 2007, S. 43; Deutsche Bundesbank, Zahlungsbilanzstatistik, Stand: Dezember 2019, S. 84. 271 Siehe z.B. EU-Kommission, Kartellrecht: Kommission bittet um Stellungnahmen zu Verpflichtungsangeboten von ISDA und Markit zu Credit Default Swaps, Pressemitteilung IP/16/1610, 28. April 2016, zum spekulativen Einsatz von CDS. 272 Man spricht davon, dass der CDS „naked“ ist (Gegensatz: „covered“). Im Deutschen ist insofern auch die Bezeichnung als gedeckter bzw. ungedeckter CDS geläufig, was freilich zu Missverständnissen führen kann (gedeckt = funded/covered). 273 Vgl. zur Konstruktion von Kreditderivaten instruktiv Juurikkala, ECFR 2012, 307 (310): CDS können auch als Knock-in-Putoptionen aufgefasst werden. 274 Vgl. Bösch (Fn. 22), S. 249f.; Storck/Zerey in: Zerey (Fn. 195), § 8 Rz. 1, 20ff.; Kosowski/Neftci, Principles of Financial Engineering, 3. Aufl. 2015, S. 623ff. 275 Siehe ergänzend unten Kap. 6.C.II.2.a)bb)bbb)(i) (S. 812). 276 Eine Variante sind Kombinationen aus CDS und einem Digital CDS (sog. Recovery CDS), bei denen die Gegenparteien jeweils für eine Komponente Sicherungsgeber und für die andere Sicherungsnehmer sind; dazu Franzen/Schäfer in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 49 (59). 277 Vgl. Broll/Welzel, Risikomanagement mit Kreditoptionen, Volkswirtschaftliche Diskussionsreihe, Beitrag 231, Universität Augsburg im November 2002, S. 3, dort im Weiteren auch zur Nutzung von CDS und TRS als (komplexen) Kreditoptionen. 278 Vgl. Bösch (Fn. 22), S. 250. 279 Franzen/Schäfer in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 49 (59), zu default swaptions: In diesem Fall bildet der CDS selbst den Referenzwert. 280 Franzen/Schäfer in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 49 (59). 281 Siehe Penasse (Natixis), Cash flow-wise ABCDS pricing, MPRA Paper No. 10853, Stand: 17. September 2008. 282 Franzen in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 67 (69). 283 Siehe oben Abschn. E.I und II.3 (S. 61 und 69). 284 Markit, iTrax-Produktbeschreibung; abrufbar: https://www.markit.com/Product/ITraxx. 285 Franzen in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 67 (72). 286 Franzen in: Burghof u.a. (Fn. 22), S. 67 (74).