Ihrem Bezug auf bestimmte Einzelrisiken entsprechend werden CDS bisher – anders als öffentlich gehandelte Wertpapiere – fast ausnahmslos bilateral gehandelt (OTC-Geschäft). Das gilt sowohl, wenn die CDS Einzelrisiken absichern, als auch für Basket CDS.291 Ein Großteil des Geschäftes wird von einer Gruppe großer Investmentbanken und Wertpapierhändler (sog. dealers) abgewickelt, die einen Großteil der eingegangenen Risiken durch Absicherungsgeschäfte wieder ausgleichen. Diese Händler stehen auf Seiten sowohl der Sicherungsgeber (Verkäufer) als auch der Sicherungsnehmer (Käufer).292 Infolge des Big-Bang-Protokolls der ISDA von 2009 hat sich ein Handel mit einer limitierten Anzahl fixierter Kupons unabhängig vom am Markt gehandelten spread etabliert.293
3. Risiken beim Einsatz
Hinsichtlich der Risiken, die mit dem Einsatz von CDS verbunden sind, ist zunächst auf die allgemeinen Erwägungen zu Kreditderivaten zu verweisen (Abschn. I.2). Allerdings weisen CDS zusätzliche Merkmale auf, die insgesamt zu einer Risikoeinschätzung führen, die von der bei anderen Kreditderivaten abweicht. Auf die betreffenden Merkmale ist im Folgenden näher einzugehen.
a) Risiken im bilateralen Verhältnis
Hinsichtlich der Risiken, die unmittelbar mit der Transaktion verbunden sind, ist zwischen der Situation beim Sicherungsnehmer und der beim Sicherungsgeber zu trennen. Aufseiten des Sicherungsnehmers ist weiterhin zwischen der Veränderung der Risiken aus einem Referenzgeschäft (Basisrisiken) und den Risiken aus dem Derivatkontrakt als solchem (Strukturrisiken) zu unterscheiden. Der Sicherungsnehmer kann sich über den CDS des Ausfallrisikos aus dem Referenzgeschäft mit seinem Kreditnehmer entledigen. Damit einhergehend profitiert er davon, dass andere Marktteilnehmer das Referenzgeschäft künftig ohne das Ausfallrisiko bewerten, wodurch sich das mit dem Referenzgeschäft zusammenhängende Marktrisiko verringert. Im Gegenzug übernimmt der Sicherungsnehmer jedoch das Ausfallrisiko für die Leistung des Sicherungsgebers aus dem CDS-Kontrakt (Gegenparteirisiko). Wenn hinsichtlich der Leistungspflicht des Sicherungsgebers ein zusätzlicher Hebel in den CDS hineinstrukturiert ist, ist das Risiko entsprechend erhöht. Der Sicherungsgeber ist allerdings eine professionelle Gegenpartei mit entsprechender Marktreputation, weshalb das übernommene Risiko normalerweise geringer ist als das übertragene Risiko aus dem Referenzgeschäft.
Der Sicherungsgeber übernimmt hinsichtlich der vom Sicherungsnehmer zu leistenden Risikoprämie ebenfalls ein Gegenparteirisiko. Dieses kann sich dadurch erhöhen, dass der CDS-Kontrakt den Sicherungsnehmer zur Stellung von Sicherheiten verpflichtet. Dagegen hat für den Sicherungsgeber das mit dem Referenzgeschäft verbundene Risiko – abgesehen natürlich vom übernommenen Ausfallrisiko – keine Bedeutung. Durch die Möglichkeit zur Weiterübertragung (= Handelbarkeit) kommt es auf Seiten des Sicherungsgebers indessen zur Entstehung eines neuen Marktrisikos.
Die Risikosituation wird insgesamt dadurch verkompliziert, dass sich die Risiken, die beim Sicherungsnehmer verbleiben, und das übertragene Ausfallrisiko nicht ohne Weiteres voneinander isolieren lassen und sich auch nach dem Abschluss des CDS-Kontrakts noch gegenseitig beeinflussen können. So kann der Sicherungsnehmer zwar das Ausfallrisiko aus einem Kredit übertragen, doch behält er sonstige Risiken wie das Zinsänderungsrisiko. Derartige Risiken sind mit dem Ausfallrisiko insoweit verbunden, als ihre Veränderung auf die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls Einfluss haben kann. Die angesprochenen Wechselwirkungen können die Einschätzung der Risikosituation erschweren.
b) Risikoexternalisierung/Risikoverkettung
Inwiefern es im Rahmen von CDS-Transaktionen zu einer Risikoexternalisierung bzw. -verkettung kommt, ist nicht zuletzt davon abhängig, in welchem wirtschaftlichen Kontext die Transaktion stattfindet. Diesbezüglich ist zwischen der Position eines Sicherungsnehmers, der zugleich Kreditgeber ist, und der Position eines Sicherungsgebers, der das übernommene Kreditrisiko weiter übertragen möchte, zu unterscheiden.
Hinsichtlich eines als Kreditgeber tätigen Sicherungsnehmers ist eine Risikoexternalisierung von diesem auf den Sicherungsgeber (und möglicherweise von diesem auf Dritte) in Betracht zu ziehen. So kann der Sicherungsnehmer im Rahmen des CDS-Kontrakts Risiken aus dem Kreditverhältnis auf den Sicherungsgeber überwälzen, wenn der Kontrakt zur Folge hat, dass der Sicherungsgeber mehr Risiken übernimmt, als er eigentlich intendiert (Negativauslese). Dies dürfte umso eher in Betracht kommen, je komplexer die Bewertung der abgesicherten Risiken im Einzelfall ist. Daneben muss der Sicherungsgeber gewärtigen, dass ein als Sicherungsnehmer auftretender Kreditgeber Möglichkeiten zur Absicherung durch pauschale CDS zu einer übermäßigen Kreditvergabe nutzen oder wegen seiner Absicherung auf eine geeignete Risikokontrolle verzichten wird (moralisches Risiko). Allerdings kann der Sicherungsgeber – jedenfalls im Grundsatz – vertraglich für eine solche Kreditkontrolle sorgen oder sich durch einen weiteren CDS seinerseits absichern.294
Auf Seiten des Sicherungsgebers können sich aufgrund der Möglichkeit zur Weiterübertragung des Risikos lang bestehende Risikoketten bilden, deren Kettenglieder ein Ausfallrisiko über die CDS-Kontrakte über mehrere Marktteilnehmer hinweg weiter übertragen. Bei solchen Risikoketten kann es schwierig werden zu überblicken, wo sich das übertragene Ausfallrisiko aus dem Referenzgeschäft tatsächlich realisieren wird. Das übernommene Risiko steigt aufgrund der zunehmend komplexen Risikobewertung für weitere Investoren innerhalb der betreffenden Risikokette auch an.295
c) Auswirkungen auf das Gesamtrisiko
Hinsichtlich der Auswirkungen von CDS-Kontrakten auf das Gesamtrisiko lassen sich aus dem zuvor Ausgeführten zwei Folgerungen ableiten. Zum einen schafft der Umstand, dass CDS handelbar sind, tendenziell Anreize, schon Referenzgeschäfte mit einer spekulativen Zielsetzung abzuschließen. Denn die Marktteilnehmer können sich relativ einfach als Sicherungsnehmer durch den Erwerb von CDS absichern. Die jeweiligen Sicherungsgeber haben dann wegen der Möglichkeit, die Risiken weiter zu übertragen, nur begrenzt Anreize, eine Risikokontrolle einzufordern.
Zusätzlich kann das Gesamtrisiko im Markt sich abhängig von der Zielsetzung, die mit dem CDS-Kontrakt als solchem verfolgt wird, vermindern oder erhöhen. Darüber hinaus ist eine Risikoerhöhung – unabhängig davon, welche Zwecke mit dem CDS-Kontrakt verfolgt werden – auch in der Form möglich, dass es aufgrund des Abschlusses gleichartiger Kontrakte zu einer strategiebedingten Risikokonzentration im Markt kommt (Konvergenzrisiko). Eine solche Risikokonzentration kann auch zunächst bei einzelnen Marktteilnehmern stattfinden, die als Sicherungsgeber bei vielen gleichartigen CDS agieren (Konzentrations- bzw. Klumpenrisiko). Das letztgenannte Problem hat sich in der jüngsten Finanzkrise z.B. bei dem Versicherungskonzern AIG gezeigt, der seine Verpflichtungen aus einer hohen Zahl von CDS nicht mehr erfüllen konnte und durch den Staat gerettet werden musste.296
Eine risikorelevante Komplikation ergibt sich zuletzt bei Basket CDS und AB-CDS. Da diese sich auf ein Referenzportfolio beziehen, ergeben sich ähnlich wie bei Kreditpools und ABS erhöhte Bewertungsschwierigkeiten, was zur Folge haben kann, dass Randrisiken unzureichend berücksichtigt werden.297 Aus makroökonomischer Sicht dürfte ein Auftreten von Bewertungsfehlern um so problematischer sein, je liquider der Basket CDS ist, denn mit der Liquidität steigt auch die Möglichkeit, dass falsch bewertete Risiken über Risikoketten weiter übertragen werden und die Fehlbewertung erst bei einem Marktschock erkannt wird.
III. Weitere nicht vorfinanzierte Kreditderivate
Seltener als CDS werden andere Kreditderivate eingesetzt, die gegebenenfalls einen umfassenderen Schutz gegen Risiken aus einer Kreditbeziehung ermöglichen.298 Diese Kreditderivate setzen allerdings voraus, dass stets ein verlässlicher Marktpreis für den zugrunde liegenden Kredit bzw. das Referenzportfolio beobachtbar ist. Daher ist ihre Verwendung im Wesentlichen auf verbriefte und börsengehandelte