1. Spannensicherungsprodukte (Credit spread-Produkte)
Die Risikoabsicherung mittels CDS lässt sich durch so genannte Spannensicherungsprodukte (Credit spread-Produkte) ergänzen. Diese Produkte eignen sich, um auch Bonitätsveränderungen abzubilden, spielen im Gesamtmarkt, wie gesagt, aber nur eine geringe Rolle. Die Zuordnung einzelner Produkte zu dieser Kategorie und die deutsche Terminologie sind uneinheitlich.300 Der Referenzwert ist die Entwicklung der Zinsspanne (credit spread) zwischen dem kreditrisikobehafteten Referenzwert und einer festen Maßgröße (benchmark), als die typischerweise eine kreditrisikolose Anleihe mit ansonsten gleichen Merkmalen und gleicher Laufzeit gewählt wird.301
Credit spread-Produkte können als Optionen auf eine Zinsspanne (Credit Spread Option), aber auch als Festgeschäfte (Credit Spread Forward), als Swap (Credit Spread Swap) oder als strukturierte Anleihe (Credit Spread Linked Notes) auftreten.302 Bei der Swapvariante erhält der Sicherungsnehmer gegen Zahlung einer Prämie das Recht, die Rendite zweier Referenzwerte zu tauschen.303 Im Vordergrund sollen nachfolgend jedoch Credit spread-Optionen stehen, das am häufigsten eingesetzte Credit spread-Produkt. Bei einer Credit spread-Option erwirbt der Sicherungsnehmer gegen die Zahlung einer Prämie eine Option, um eine der mehrere Referenzschulden zum Ausübungstag an den Sicherungsgeber zu verkaufen.304 Die Option kann in zwei Varianten vorkommen, nämlich als Calloption auf den einen Preis- oder Renditeunterschied (= den credit spread selbst) oder als Putoption auf die Referenzschuld.305 Der Optionskäufer zahlt dem Verkäufer, in der Regel bei Vertragsschluss, eine Prämie. Die Option ist als amerikanische Option ausgestaltet oder kann bei definierten Kreditereignissen zu einem Optionspreis (strike spread) ausgeübt werden.306
Im Grundsatz übertragen Credit spread-Optionen – ebenso wie sonstige Optionen – in Bezug auf den Referenzwert nur ein Marktrisiko, hier das Risiko von Änderungen des credit spread. Bei Optionen mit einer Anleihe als Referenzwert ist neben dem Spreadrisiko das Zinsrisiko zu berücksichtigen, das sich daraus ergibt, dass der Wert eines festverzinslichen Wertpapiers stets von der aktuellen Zinskurve abhängig ist.307 Davon abgesehen kann es je nach Ausgestaltung auch zu einer Übertragung des Ausfallrisikos kommen. Dies ist zwar dann nicht der Fall, wenn das Optionsrecht mit dem jeweils definierten Kreditereignis endet (knock-out). Allerdings dürfte es in der Regel zu einer Übertragung des Ausfallrisikos kommen, wenn das Optionsrecht über das jeweils definierte Kreditereignis hinaus besteht (no knock-out). Denn in diesem Fall wirkt sich die Veränderung des Ausfallrisikos grundsätzlich auf den credit spread aus.308 In Bezug auf die Option übernimmt der Optionsverkäufer ferner ein Gegenparteirisiko hinsichtlich der Optionsprämie.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Credit spread-Produkte in erheblichem Umfang zur Entstehung makroökonomisch relevanter Risiken beitragen können, erscheint deutlich geringer als etwa bei CDS. Die Produkte sind insbesondere weniger standardisiert, sondern jeweils stark einzelfallspezifisch strukturiert. Dies erschwert die Weiterübertragung von damit übernommenen Risiken und damit die Handelbarkeit der Produkte. Somit dürften sie sich auch weniger zum spekulativen Einsatz im Rahmen von Geschäften eignen, bei denen der Sicherungsnehmer kein tatsächlich vorhandenes Risiko absichert. Das schließt es jedoch nicht aus, dass Credit spread-Produkte mit anderen Produkten verbunden werden und dann in Kombination mit diesen Produkten zu hier relevanten Gefahren beitragen können. So können Credit spread-Produkte – ebenso wie CDS – in Verbriefungstransaktionen eingebaut werden. Dies dürfte allerdings nur bei Produkten in Betracht kommen, die Portfoliorisiken absichern.309
2. Gesamtrendite-Swaps (Total Return Swaps – TRS)
Wenn der Sicherungsnehmer sich über das Ausfallrisiko und einzelne Marktrisiken hinaus absichern möchte, muss er andere Derivate als CDS nutzen. Eine Möglichkeit sind Total Return Swaps (TRS), die auch als Total Rate Of Return Swaps (TRORS) bezeichnet werden. Ein TRS ermöglicht einen Schutz gegen Wertverminderungen aus Bonitätsverminderungen oder aus Marktrisiken, die den betreffenden Referenzwerten immanent sind.310 TRS stehen damit zwischen Instrumenten zur Kredit- und Eigenkapitalabsicherung und werden regulatorisch teils auch als Eigenkapitalderivate eingeordnet.311
Im Rahmen eines TRS-Kontrakts wird der vollständige ökonomische Ertrag (total return) einer oder mehrerer Referenzschulden übertragen, also der jeweilige Marktwert zuzüglich Zinsen und Gebühren.312 Zu diesem Zweck werden verschiedene Zahlungspflichten begründet: Zum einen überträgt der Sicherungsnehmer (total return payer) dem Sicherungsgeber (total return receiver) den tatsächlichen Erlös aus der Referenzschuld. Zum anderen sind so genannte Wertveränderungszahlungen (change-in-value payments oder kurz value payments) zu leisten.313 Das heißt, der Sicherungsnehmer schuldet Zahlungen oder erhält einen Anspruch, wenn es bei der Referenzschuld zu Wertveränderungen kommt. Der Nennwert der Referenzschuld wird deshalb angepasst, um erfolgten Wertveränderungen Rechnung zu tragen. Zusätzlich schuldet der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer in regelmäßigen Abständen einen referenzierten, festen oder variablen Zins.
Die wechselseitigen Forderungen von Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer werden verrechnet. Die sich daraus ergebenden Salden können periodisch oder als einzige Schlusszahlung bei Fälligkeit oder Beendigung des TRS beglichen werden. Der TRS kombiniert also im Wesentlichen die Übertragung eines im TRS-Kontrakt bezeichneten Risikos mit einem Zinsswap.
Der TRS erlaubt es dem Sicherungsnehmer aufgrund seiner Struktur, das ökonomische Risiko einer oder mehrerer Referenzschulden in seiner Gesamtheit zu übertragen, neben dem Ausfallrisiko also auch Marktpreisrisiken (einschl. Zinsänderungsrisiken). Ebenso wie beim CDS muss dazu die betreffende Referenzschuld (z.B. eine Kreditforderung) selbst nicht übertragen werden. Es genügt, dass statt dessen ein gegenläufiges Risikos zum Ausfallrisiko strukturiert wird, sodass das Ausfallrisiko tatsächlich oder nur synthetisch übertragen wird, je nachdem ob der Sicherungsnehmer Inhaber der Referenzschuld ist. Allerdings kann bei einem Sicherungsnehmer, der Inhaber der Referenzschuld ist, auch vorgesehen werden, dass der Sicherungsgeber die Referenzschuld zu Beginn der Transaktion erwirbt und zu deren Ende zurück überträgt. Diese Rückübertragung kann auch optional ausgestaltet oder ganz ausgeschlossen sein.314 Anders als ein CDS schützt ein TRS den Sicherungsnehmer allerdings in jedem Fall vor Wertverlusten unabhängig von Ursache oder Eintritt eines Kreditereignisses.
Der Sicherungsnehmer wird durch den TRS gegen alle Risiken aus dem Referenzwert geschützt. Lediglich das Risiko bezüglich der Zahlungen des Sicherungsgebers wird nicht ausgeschaltet. Ähnlich wie bei Credit spread-Produkten ist eine Weiterübertragung des Risikos für den Sicherungsgeber zwar möglich, liegt angesichts der Komplexität und einzelfallabhängigen Ausgestaltung der Produkte aber nicht nahe. Damit ist ein Beitrag von TRS zur Entstehung systemischer Gefahren vor allem dann denkbar, wenn diese Produkte mit anderen Finanzprodukten kombiniert werden, etwa mit synthetischen Exchange-Traded Funds (ETF).315
IV. Strukturierte Anleihen mit Risikoschutz (Credit-Linked Notes – CLN)
1. Merkmale und Arten
Eine verbreitete Nutzung von Kreditderivaten besteht in der Kombination einer Unternehmensanleihe mit einem Kreditderivat.316 Die Standardstruktur besteht aus der Kombination einer Anleihe mit einem CDS.317 Solche Credit-Linked Notes (CLN) werden auch als „hybride“ Kreditprodukte bezeichnet, da es sich um die Kombination von Wertpapieren mit einem Derivat handelt. Es handelt sich um vorab bezahlte Finanzinstrumente (funded). Ebenso wie andere Kreditderivate kann eine CLN einen oder mehrere Referenzwerte haben.
Eine CLN kann durch einen Anleiheemittenten direkt oder mittels einer Zweckgesellschaft (SPV) emittiert werden. Im ersten Fall investiert der CLN-Investor in eine oder mehrere echte, im zweiten Fall in eine oder mehrere synthetische Anleihen. Das letztgenannte Instrument wird