Aus Sicht des Sicherungsgebers haben EDS den Vorteil, dass sie eine Bündelung von Unternehmensrisiken und der Risiken, die mit dem Management von Unternehmenskrisen verbunden sind, erlauben. Allerdings handelt es sich dabei um relativ schwierig zu strukturierende Instrumente, da auszuschließen ist, dass der Sicherungsnehmer einen Marktwertverfall beim Referenzwert gezielt herbeiführt.
Die wirtschaftliche Funktion von ELN ist dagegen ähnlich wie bei CLN. Es handelt sich auch in diesem Fall um eine vom Sicherungsnehmer selbst emittierte Anleihe mit hineinstrukturiertem Ausfallschutz. Der Schutz bezieht sich bei ELN lediglich auf ein anderes – wenngleich ein am Markt objektiv feststellbares – Risiko (Kursverfall einer Aktie). ECO dürften ähnliche Funktionen wie SCDO erfüllen.364
III. Risiken beim Einsatz
Bei der Beurteilung der Risikostruktur von Transaktionen mit EDS und ELN ist ebenso wie bei CDS zwischen den Risiken im bilateralen Verhältnis und dem Beitrag der Transaktion zu potenziell makroökonomisch relevanten Risiken zu unterscheiden.
1. Risiken im bilateralen Verhältnis und Risikoexternalisierung
Im bilateralen Verhältnis ist es für die Risikoeinschätzung insbesondere von Bedeutung, inwiefern es zu einer Risikoabwälzung kommen kann, die bei Veränderungen gegenüber den bei Abschluss der Transaktion getroffenen Annahmen offengelegt wird. Insofern ist – ebenso wie bei Kreditderivaten (insb. CDS)365 – zwischen der Veränderung der Risiken aus dem Referenzwert (Basisrisiken) und den Risiken aus dem Derivatkontrakt als solchem (Strukturrisiken) zu unterscheiden.
Wenn der Referenzwert eine Aktie ist, besteht ein Basisrisiko bis zur Höhe des Aktienkurses. Mit dem Derivatkontrakt sind Strukturrisiken in Form von Ausfallrisiken verbunden, wobei erneut zwischen der Situation für den Sicherungsnehmer und der für den Sicherungsgeber zu unterscheiden ist. Für den Sicherungsnehmer ist mit dem Kontrakt ein Strukturrisiko dahingehend verbunden, dass der Sicherungsgeber den Referenzwert bei Ausübung der Option nicht gegen die vereinbarte Zahlung übernehmen kann (Ausfallrisiko). Dieses Risiko ist üblicherweise durch die Höhe des Aktienkurses bei Abschluss der Transaktion begrenzt. Ebenso wie bei anderen Derivaten kann dieses Risiko jedoch durch Hebelung erhöht werden, abhängig davon, wie die Zahlungspflicht des Sicherungsgebers ausgestaltet wird.366 Auf Seiten des Sicherungsgebers besteht ein Ausfallrisiko derart, dass der Sicherungsgeber möglicherweise die vereinbarte Optionsprämie nicht leistet. Bei ELN besteht wie bei CLN ein doppeltes Ausfallrisiko, nämlich aus der Anleihe sowie aus dem EDS. Hinzu tritt ein Marktrisiko bei am Markt gehandelten ELN.
Die Verknüpfung von Kapitalausfallderivaten mit börsengehandelten Finanzinstrumenten wie Aktien macht die Einschätzung der Strukturrisiken besonders komplex. Denn die Wahrscheinlichkeit, ob der mit dem Derivat verbundene Schutz ausgelöst wird, hängt zwar „nur“ von den Kursschwankungen der Aktie ab, die den Referenzwert bildet. Diese Kursschwankungen können aber von den Kursbewegungen anderer Aktien beeinflusst werden (Korrelationsrisiko).367 Zu weiteren Risikoverknüpfungen kann es etwa kommen, wenn EDS und CDS in derselben Transaktion nebeneinander eingesetzt werden, so z.B. wenn ein Kreditnehmer ELN und CLN parallel emittiert.368
Aufgrund der vorab schwer einschätzbaren Risikostruktur von Kapitalausfallderivaten besteht grundsätzlich die Möglichkeit, dass Risiken zum Nachteil des Sicherungsgebers externalisiert werden. So ist es insbesondere denkbar, dass der Sicherungsnehmer über einen EDS die Folgen späterer unternehmerischer Fehlentscheidungen abwälzt oder möglicherweise sogar einen Kursverfall bewusst herbeiführt (moralische Risiken). Derartige Risiken sind tendenziell bei ECO um so höher.
2. Hebelung und Risikoverkettung
Auch Kapitalausfallderivate (EDS ebenso wie ELN) sind Hebelprodukte. Das bedeutet, dass durch diese Produkte während ihrer Laufzeit bis zur vollständigen Abwicklung Risiken zum Nachteil von Investoren verkettet werden. Anders als CDS sind EDS-Kontrakte allerdings isoliert grundsätzlich nicht handelbar. Daher ist kaum zu erwarten, dass die vermittels EDS übertragenen Risiken im Rahmen einer Risikokette im Markt weitergereicht werden. Anders kann die Situation hingegen bei Anleihen mit hineinstrukturiertem EDS (ELN) sein; insofern dürfte ähnliches gelten wie bei CLN.369 Bei ECO gilt dasselbe hinsichtlich der von der Zweckgesellschaft emittierten und dann gehandelten synthetischen Anleihen.370
3. Auswirkungen auf das Gesamtrisiko
Die Auswirkungen des Geschäfts mit EDS-Produkten auf das Gesamtrisiko im Markt dürften gering sein. Bei EDS steht das Absicherungsinteresse des Sicherungsnehmers – anders als bei den handelbaren CDS – im Vordergrund. Zwar können einzelne Gegenparteien beim Abschluss von EDS-Kontrakten theoretisch auch spekulative Zwecke verfolgen. Allerdings sind die Produkte wegen ihrer atypischen Risikostruktur praktisch kaum verbreitet. Hinsichtlich ELN und ECO dürfte, soweit diese Instrumente heutzutage überhaupt vorkommen, Entsprechendes wie bei CLN und SCDO gelten.
354 Equity-Swaps sind eine Variante herkömmlicher Swapverträge, bei der die Gegenparteien zwei gegenläufige Zahlungsströme vereinbaren, wodurch der „Käufer“ des Swaps sich die Kurssteigerungsgewinne einer Aktie oder eines Aktienindizes ohne die zugehörigen Stimmrechte sichern kann (= Finanzanlage); dazu z.B. Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 111ff., 117ff. Beim debt-equity swap wird die Forderung eines Gläubigers gegenüber dem Schuldnerunternehmen in eine Beteiligung an diesem umgewandelt, es handelt sich also um kein Finanzinstrument; siehe Gramlich u.a., Gabler Bank-Lexikon (Fn. 7), Eintrag: Debt-Equity-Swap. 355 Der wirtschaftliche Erfolg wird als „gemischt“ bezeichnet; dazu siehe Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 649; Skorecki, Equity default swaps shunned, Financial Times vom 25. November 2004. 356 Pastari/Untenberger, Neue Strukturen und weiteres Wachstum von Kreditderivaten im genossenschaftlichen Sektor, 1. Aufl. 2008, S. 21; Kothari, Credit Derivatives and Structured Credit Trading, 1. Aufl. 2009, S. 151ff.; Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 649f. 357 Die vereinbarte Option ist im Wesentlichen eine amerikanische digitale Putoption, bei der der Ausübungspreis erheblich über dem Marktpreis liegt (deep out-of-the-money); Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 504. Zu exotischen Optionen siehe näher sogleich Abschn. K.I.2 (S. 119). 358 Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018. 359 Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018. 360 Siehe jeweils Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018. 361 So Kosowski/Neftci (Fn. 274), S. 650; abweichend Pastari/Untenberger (Fn. 356), S. 21 (Verfall bis auf 30 % des Kurses bei Abschluss). 362 Kothari (Fn. 356), S. 152. 363 Siehe Chance/Brooks (Fn. 189), S. 504; Chisholm (Fn. 195), S. 193ff. 364 Dazu siehe oben Abschn. F.V.2 (S. 103). 365 Siehe oben Abschn. F.II.3.a) (S. 90). 366 Anders Wikipedia, Eintrag: Subordinated Risk Swap, Bearbeitungsstand: 12. Mai 2018 (nicht überzeugend). 367 Cluley, The Rise of Equity Default Swaps, 4. April 2004; abrufbar: https://www.globalcapital.com/article/k65j30fh8fxs/the-rise-of-equity-default-swaps.