H. Fondsderivate
I. Merkmale und Arten
Die hier so genannten Fondsderivate sind auf einzelne oder mehrere wenig liquide Fonds bezogen (z.B. Private Equity- oder Hedgefonds). Es handelt sich um eine Form von Derivaten mit Eigenkapital als Referenzwert (equity derivative), die die Risiken von relativ komplexen Eigenkapitalinstrumenten (Fondsanteilen) handelbar machen und die hier wegen einiger Besonderheiten etwas ausführlicher beschrieben werden sollen. Am häufigsten werden auf Fonds bezogene TRS, Calloptionen und strukturierte Anleihen (structured notes) angeboten.
Bei einem fondsbezogenen (fund-linked) TRS schließt der Anleger mit einem Händler einen Vertrag, wonach er Zahlungen in Höhe der Wertsteigerung eines bezogenen Fonds oder Index erhält und Zahlungen in Höhe des Wertverlusts sowie eine Finanzierungsgebühr leistet. Die Zahlungspflichten bemessen sich dabei nach den Veränderungen des Nettoinventarwerts (NIV; Net Asset Value – NAV) des Referenzwerts. Diese werden täglich bestimmt und abgesichert, während die wertbezogenen Zahlungen üblicherweise quartalsweise zu leisten sind. Diese Zahlungspflichten werden ebenfalls periodisch angepasst. Der Händler kann den Swap bei bestimmten Ereignissen beenden (z.B. wenn die Verschuldungsquote des Fonds bestimmte Schwellen überschreitet, er keine laufenden NIV-Informationen erhält oder der Fondsverwalter wechselt). Ansonsten endet der TRS mit dem Laufzeitende.371
Der Erwerb einer Calloption ermöglicht es, bei Steigerungen des NIV auf die Zinsgewinne eines Fonds zuzugreifen. Die Option kann europäisch oder amerikanisch ausgestaltet sein, ist typischerweise bar auszugleichen (cash settled) und hat eine mehrjährige Laufzeit.372 Eine Variante ist die Accreting Strike Calloption (ASCO), deren Prämie mindestens zum Teil händlerfinanziert ist und sich nach dem Ausübungspreis (strike price) bemisst. Der Ausübungspreis steigt (accretion) und orientiert sich dabei an einem Referenzzins (z.B. Libor) zuzüglich einer Spanne. Der Händler kann die Option kündigen, wenn der Fondswert im Verhältnis zum Ausübungspreis unter bestimmte Schwellenwerte sinkt. ASCO-Optionen geben Anlegern die Möglichkeit, gehebelt an der Fondsentwicklung teilzuhaben.373 Strukturierte Anleihen, die auf Fonds bezogen sind, werden mit Schutz des Anlagekapitals (principal-protected) oder ohne einen solchen Schutz (principal-at-risk) vertrieben. Eine Anleihe mit Schutz des Anlagekapitals ist eine festverzinsliche/unverzinste Anleihe mit eingebetteter, bar auszugleichender Calloption, die auf einen Fonds oder Index bezogen ist. Die Anleihe kann zusätzlich gehebelt sein.374 Bei Fälligkeit der Anleihe erhält der Anleger das eingezahlte Kapital und, wenn die Option werthaltig (in-the-money) ist, eine Verzinsung auf Basis der Zuwächse des NIV des Fonds oder des Index-Äquivalents. Die Optionsprämie wird über einen reduzierten Anleihen-Zinskupon finanziert. Bei einer Anleihe ohne Schutz des Anlagekapitals kann der Anleger je nach der Entwicklung des Referenzwerts die Optionsprämien und das eingezahlte Kapital vollständig oder teilweise verlieren, erhält im Gegenzug aber eine höhere Verzinsung.375 Eine Alternative sind Anleihen mit Portfoliowertabsicherung (Constant Proportion Portfolio Insurance; sog. CPPI Notes). Derartige Anleihen sind auf ein Referenzportfolio bezogen, das sich aus „risikoreichen“ (z.B. eines Fonds) und „risikofreien“ Vermögenswerten (z.B. Barsumme/unverzinsliche Anleihe) zusammensetzt. Dieses wird laufend angepasst, so dass der Anteil des Fondselements sich bei Steigerungen des bezogenen Fondswerts erhöht und bei Fondswertverlusten reduziert. Wenn ein bestimmter Fondswert unterschritten wird, kann vorgesehen sein, dass das Kapital ganz auf den „risikofreien“ Vermögenswert bezogen wird.376
Schließlich gibt es so genannte Collateralized Fund Obligations (CFO), bei denen wenig liquide Fonds oder Derivate, die auf solche Fonds als Referenzwerte bezogen sind, als Basis für Tranchierungsverbriefungen verwendet werden. Derartige Produkte waren allerdings bereits vor der Finanzkrise 2008–2012 selten und etablieren sich erst allmählich wieder.377
II. Wirtschaftliche Funktionen
Die beschriebenen Fondsderivate ermöglichen es, im Rahmen von Finanzanlagen an den Risiken einzelner oder mehrerer wenig liquider Fonds zu partizipieren. Sie versprechen aufgrund der Hebelung auch in einem Niedrigzinsumfeld erhöhte Erträge, und zwar bei Anleihen mit Schutz des Anlagekapitals, ohne dass der Anleger ein Verlustrisiko des eingesetzten Kapitals tragen muss.378 Anlegern, die regulatorisch an Direktanlagen in die betreffenden Fonds gehindert sind, eröffnen sie eine vergleichbare und, je nach Gestaltung, dennoch relativ risikoarme Investition.379 Den Fondsemittenten verschaffen sie, wenn diese die Finanzinstrumente selbst anbieten, Zugang zu zusätzlicher Liquidität.
III. Risiken beim Einsatz
In Bezug auf die mit den Derivaten und den strukturierten Anleihen verbundenen Risiken gilt zunächst Ähnliches, wie zuvor zu anderen Produkten beschrieben wurde.380 Die Nutzung wenig liquider Fonds als Referenzwerte weist vor allem das Problem auf, dass zu diesen Fonds nur wenige von außen her überprüfbare Informationen zur Verfügung stehen (Informationsasymmetrie). Damit kann es zu Fehlbewertungen kommen, die sich über das derivative Produkt zulasten der Anleger auswirken können. Die Anleger dürften eine solche Möglichkeit von Fehlbewertungen allerdings einpreisen.
Die Anbieter der betreffenden Produkte werden hierdurch veranlasst, bestimmte Risiken zu übernehmen, um überhaupt verkäufliche Anlageprodukte generieren zu können. Bei strukturierten Anleihen erfolgt eine solche Risikoübernahme z.B. durch den vereinbarten Schutz des Anlagekapitals und speziell bei CPPI Notes über die CPPI-Struktur. Davon abgesehen sind die Anbieter Gegenparteien aus den eingebetteten Derivatgeschäften und insofern Ausfallrisiken ausgesetzt.381 Des Weiteren müssen sie den Fonds oder Index, der als Referenzwert dient, kaufen bzw. nachbilden. Damit übernehmen sie das Liquiditätsrisiko, das für Direktanleger in den Fonds bzw. die dem Index zugrunde liegenden Vermögenswerte besteht.382
Die Anbieter können sich gegen die von ihnen selbst zu tragenden Risiken ihrerseits absichern. Dazu schließen sie in der Regel Derivatkontrakte ab, die gegenläufig zu den Risiken aus den Einzeltransaktionen, aus dem gehaltenen Portfolio und aus den Wertschwankungen der Anlageprodukte und der Referenzwerte sind.383 Diese Absicherung ist allerdings sehr komplex, zum einen wegen des unter Umständen ungewöhnlichen Geschäfts des Referenzfonds und zum anderen nicht zuletzt da die abzusichernden Risiken untereinander korreliert sind. Sie geht also mit einem Risiko von Fehlbewertungen einher.
371 Kerfoot, Structuring Fund-linked Notes & Dervatives Products, 23. Dezember 2004; abrufbar: https://www.globalcapital.com/article/k65cdp0x9mj6/structuring-fund-linked-notes-derivatives-products; Andrews (Scotia Capital), Evolution of the structured fund derivatives landscape (nicht mehr abrufbar). 372 Kerfoot (Fn. 371). 373 Kerfoot (Fn. 371); Andrews (Fn. 371). 374 Siehe z.B. Zembrowski, How fund-linked structured products work, Fund Selector Asia, 6. März 2017, mit dem Beispiel einer 1,5-fach gehebelten Anleihe. 375 Kerfoot (Fn. 371); Andrews (Fn. 371). 376 Andrews (Fn. 371). 377 Siehe z.B. Forrester (Mayer Brown), Collateralized Fund Obligations: A Primer, 2017; abrufbar: https://www.mayerbrown.com/files/Publication/5e21c4e7-3ac1-4c99-bf56-56b39926f2dd/Presentation/PublicationAttachment/d62bd45a-b947-4273-957f-575cb3344551/130724-NEWSLETTER-Fund-Finance-Coll-Fund-Oblig.pdf; Aboul-Enein,