Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844241334
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die Lennys dank der Schriftrollen aus dem Lebenstempel gewonnen hatte und von ihrem Aufenthalt im Haus des Vogelmenschen. Und schließlich berichtete sie auch von ihrem gefährlichen Abenteuer im Verlassenen Land und von der überstürzten Rückkehr ins Sichelland, nachdem sie von Makk-Uras Tod erfahren hatten.

      Imra und Menrir schwiegen betroffen. Sie hatten bereits von dem Unfall des Shajs gehört und sowohl Akosh als auch Oras hatten ihnen von Iandals Verrat berichtet, doch all das waren nur vage Umschreibungen gewesen. Diese ganzen Details jetzt von Sara zu hören und den Ernst der Lage viel deutlicher zu erkennen, erschütterte sie.

      „Ich habe Iandal gekannt...“ sagte Menrir. „Nicht gut natürlich, nur flüchtig. Hätte man mir damals gesagt, dass er ein Verräter ist und sogar für den Mord an Saton verantwortlich ist... meine Güte, ich hätte es nie geglaubt. Du etwa, Imra?“

      Der Weber schüttelte den Kopf. „Nein, sicher nicht. Er muss vollkommen verrückt sein, wenn er sich jetzt auf die Seite der Hantua stellt. Weiß er denn nicht, dass Cycalas seinen Kämpfern weit überlegen ist?“

      „Wenn ich es recht verstanden habe, ist er davon überzeugt, dass er Ash-Zaharrs Macht für sich gewinnen konnte.“ wandte Sara ein. „Er glaubt, der Dämon würde sich jetzt gegen das Sichelland stellen und ihn im Kampf unterstützen.“

      „Das ist doch lächerlich!“ wetterte Menrir.

      „Ich weiß nicht recht...“ sagte Imra nachdenklich. „Unsere Religion ist alt und vielschichtig. Ash-Zaharr ist kein berechenbarer Gott, der seinem Volk immer wieder vergibt. Du kannst das nicht wissen, Menrir, aber es gibt viele Beispiele dafür, dass er leichter straft als hilft. Jedenfalls bin ich froh, dass wir jetzt hier sind. Ich glaube, im ganzen Mittelland gibt es keinen sicheren Ort mehr für uns.“

      „Was ist denn mit der Gemeinschaft in Fangmor? Durftest du sie so einfach verlassen? Und wie seid ihr überhaupt so schnell hierher gekommen und warum?“ Sara konnte es kaum erwarten, zu hören, wie es den beiden Freunden denn ergangen war.

      Menrir zuckte die Achseln.

      „Ach weißt du, viel gibt es da nicht zu erzählen. Nachdem ihr aus Fangmor abgereist seid, haben zahlreiche Sichelländer aus dem ganzen Südreich Imra einen Besuch abgestattet. Sie wollten von ihm wissen, was sie tun sollten. Aber dann gab es weitere Morde. Zwei im Mongegrund und einen weiteren in Goriol. Das hat den meisten Cycala dann gereicht und sie haben ihre Sachen gepackt und sind in ihre Heimat zurückgekehrt. Nur in Goriol selbst blieben noch ein paar. Ich bin nach dem Mord an Paccos in Qorell zurück nach Fangmor gegangen. Imra und ich haben ständig auf Nachricht von euch gewartet, aber es dauerte recht lange, bis wir wieder von euch hörten. Erst als ihr schon in Gahl angekommen wart und Lennys die Archive des Lebenstempels durchsucht hatte, hat sie uns wieder einen Boten geschickt. Wir beschlossen, zu meinem Haus nach Elmenfall zu gehen, damit wir euch im Notfall zur Verfügung stehen konnten. Doch als wir dort ankamen, erhielten wir einen Brief von Haya. Sie machte sich Sorgen, weil ihr zusammen mit Oras schon seit Tagen im Verlassenen Land unterwegs wart. Also ließen wir alles stehen und liegen und machten uns auf den Weg nach Gahl, um uns mit Haya zu treffen. Kurz vor unserem Ziel trafen wir sie dann, zusammen mit Oras. Sie erzählten uns von Makk-Uras Tod und dass sie auf dem Weg nach Osten seien, um dort unterzutauchen. Und sie sagten uns, dass ihr über den Westbogen nach Cycalas gegangen seid. Also sind wir euch gefolgt. Wir trafen einen Händler der Shangu, der uns in seinem Pferdewagen von Valahir bis nach Askaryan mitnahm. Tag und Nacht sind wir gefahren, es war eine Tortur! Aber wir kamen schnell voran und in Askaryan hatten wir euch schon fast eingeholt. Talmir schickte gerade einen berittenen Boten nach Semon-Sey und wir gaben ihn einen Brief an Lennys mit, der unser Kommen ankündigte. Und jetzt sind wir hier. Dank einer Ausnahmegenehmigung von Talmir, die es uns erlaubte, für die Reise durch das Sichelland auf Eseln zu reiten. Er meinte, es wäre wichtig, dass wir rechtzeitig zur Ratsversammlung in Vas-Zarac ankommen, für den Fall, dass man noch Fragen an uns hätte.“

      „Aber... dann waren wir die ganze Zeit nicht einmal eine Tagesreise von euch entfernt?“ fragte Sara erstaunt.

      „Zumindest ab dem Westbogen. Wir hätten euch wohl noch vor dem Hof der Pferdebrüder eingeholt, doch der Händler, der uns mitnahm, hat einen Umweg über Shanguin gemacht. Hättet ihr den Mondhengst nicht gehabt, hätten wir uns wohl spätestens in Askaryan getroffen.“

      „Die Leute dort werden froh sein, wenn wieder Ruhe einkehrt.“ meinte Imra. „Normalerweise ist an der Grenze nicht viel los. Aber in den letzten Tagen … erst der Mord an Makk-Ura. Dann Akoshs plötzliche Rückkehr, gefolgt von Lennys in Begleitung einer Mittelländerin. Uns beide hat man da schon kaum mehr beachtet.“

      „Du wusstest es auch, oder?“ sagte Sara plötzlich zu Menrir. „Dass Lennys die Shaj ist?“

      Menrirs verlegene Miene war an sich schon Antwort genug. Trotzdem antwortete er in erklärendem Ton.

      „Sie hat mir mit einigen abscheulichen Dingen gedroht, wenn ich es dir sage. Und ich konnte es ja auch verstehen, obwohl es mir sehr leid tat, dir diese nicht unwesentliche Information vorzuenthalten. Ich kann verstehen, wenn du mir böse bist.“

      „Das bin ich nicht. Es lässt sich ohnehin nicht mehr ändern.“

      Sie unterhielten sich noch eine Weile, nur kurz von einem Burgdiener unterbrochen, der das Essen abtrug und ihnen wortlos einen Krug Wein hinstellte. Lustlos schlug er die Tür wieder hinter sich zu, ohne einen guten Abend zu wünschen.

      „So sind sie eben. Die Cas behandeln uns freundlich, aber die einfachen Bediensteten können mit Fremdländern eben nichts anfangen.“ meinte Menrir achselzuckend.

      Etwas später erhielten sie erneut Besuch. Es war Rahor.

      „Meine Güte, ihr sitzt hier zusammengedrängt wie die Ziegen im Stall.“ lachte er. „Dabei steht euch die halbe Festung zur Verfügung. Menrir, Imra, es ist mir eine Freude euch zu sehen.“

      „Die Freude ist ganz meinerseits, Rahor.“ lächelte Menrir und begrüßte den Cas mit einem kräftigen Handschlag. Imra neigte nur still den Kopf.

      „Ich bin nur gekommen, um euch mitzuteilen, dass sowohl Talmir als auch Mondor angekommen sind. Lennys erwartet noch heute eine erste Zusammenkunft.“

      „Mondor ist auch hier?“ fragte Menrir erstaunt. „Ich war immer der Meinung, er wäre nur eine Legende. Hieß es nicht, dass er die Wälder nie verlässt?“

      „Wenn es die Umstände verlangen...“ sagte Rahor ausweichend. „Aber ich fürchte, ich bin nicht befugt, es euch näher zu erklären. Heute werden nur die Cas, Talmir, Lennys und Mondor eine Besprechung abhalten. Ihr könnt euch also anderweitig vergnügen. Wahrscheinlich wird es morgen noch einmal eine größere Versammlung geben, an der dann auch ihr teilnehmen dürft. Lennys möchte, dass ihr eure Berichte über die südlichen Gemeinschaften und über die Ansichten König Logs noch einmal vor dem Rat wiederholt.“

      Menrir hob ergeben die Hände.

      „Ganz wie sie wünscht. Darf Sara auch an dem Treffen teilnehmen?“

      „Ich fürchte, nein. Du weißt, wie streng sich Lennys an das Protokoll hält. Dass ihr beide zugelassen werdet, ist ohnehin schon eine Ausnahme. Aber eure Aussagen sind sehr wichtig in unserer momentanen Lage. Haltet euch also morgen bereit und bleibt in Vas-Zarac.“

      Rahor verabschiedete sich mit einer knappen Geste und eilte wieder davon. Es war kurz vor Sonnenuntergang und gleich würde das erste Treffen des Hohen Rates beginnen.

      „Wer ist Mondor?“ fragte Sara, nachdem Rahor gegangen war.

      „Ein Priester.“ antwortete Imra. „Der Oberste Batí-Priester um genau zu sein. Er lebt in Yto Te Vel und ist Vorsteher des Batí-Tempels im Norden und wenn es nach ihm ginge, würde er ihn nie verlassen. Er hält nicht viel von den anderen Stämmen und hat jeden Augenblick seines Lebens dem Tempeldienst verschrieben.“

      „Und trotzdem ist er jetzt in Semon-Sey?“

      „Er hat wohl keine andere Wahl. Nicht einmal Mondor wagt es, einen Befehl der Shaj zu verweigern. Nun ja, sagen wir, einen