Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844241334
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und der Blick aus seinen glühenden schwarzen Augen durchbohrte sie förmlich. Dennoch wich sie nicht zurück.

      „Und wenn es doch nur Zufall war? Vielleicht war er einfach nicht in Stimmung....“

      „Nicht in Stimmung? Seit zwölf Jahren ruhte das Echo seines Geistes in Sagun. Ein herrenloses Land, das nun seiner Macht unterstand. Glaubst du, er lässt sich das einfach wieder nehmen? Glaubst du, er würde nicht darum kämpfen, wenn es ihm möglich wäre? Glaubst du, er unterwirft sich freiwillig dem Willen eines Menschen?“

      „Aber genau das hat er doch getan, oder? Er ist zurückgewichen.“

      „Ja, aber … freiwillig? Oder weil er dazu gezwungen wurde?“

      „Lennys hat...“ Doch Mondor unterbrach sie.

      „Lennys hat sicher alles getan, was in ihren Kräften stand. Sag mir eines Sara, hattest du den Eindruck, dass sie ihm überlegen war?“

      Sara schwieg. Nur allzu deutlich hatte sie die Bilder von damals wieder vor Augen. Sie sah Lennys vor sich, die wie von unsichtbarer Hand zu Boden geworfen wurde. Die sich vor Schmerzen wand und die für den mächtigen schwarzen Schatten, der um sie herum tobte, nur ein unwichtiges Spielzeug zu sein schien.

      „Ich weiß nicht....“ log Sara dann.

      „Oh doch, du weißt es. Kein Mensch kann den Dämon bezwingen. Er hat seine eigenen Spielregeln. Ertrage den Schmerz oder stirb. Es ist nichts weiter als ein Zugeständnis. Er quält und foltert bis Körper und Geist zwischen seinen Klauen zerbersten. Seine Kraft ist unerschöpflich. Und es ist allein sein Wille, der darüber entscheidet, wer stirbt. Ich habe Lennys nicht fragen müssen, was genau sie gefühlt hat, als er sie seine Macht spüren ließ. Ich habe es an ihren Augen gesehen. Und es war nicht das erste Mal. Schon einmal hat er sie davon kommen lassen, damals in Sagun. Vor mehr als zwölf Jahren. Und bei einer früheren Begegnung...nein, das gehört nicht hierher. Sie wird es ihr Leben lang nicht vergessen. Und du, Sara, du hast es gesehen. Vielleicht wäre in diesem Moment der Tod für sie eine Gnade gewesen. Ist das der Grund? Wollte er ihr einfach diese Gnade verwehren? Aber warum hat er sich dann auch noch aus Sagun vertreiben lassen?“

      „Warum fragt ihr nicht ihn, sondern mich?“ antwortete Sara aufbrausend. „Ich habe keine Ahnung von eurem Gott und eurem Glauben!“ Zu ihrer Verwunderung verzog Mondor seinen zahnlosen Mund zu einem Grinsen.

      „Leider ist Ash-Zaharr kein Gesprächspartner, mit dem man sich bei einer Tasse Tee zusammensetzen kann. Und ganz nebenbei bemerkt, gibt es offiziell nur einen einzigen Mann, dem es zusteht, den Dämon direkt anzurufen.“

      „Talmir?“

      „Richtig. Nur dem Shaj des Himmels gebührt dieses Recht. Ausgenommen sind Ereignisse wie Bannrituale oder sonstige Vorsichtsmaßnahmen. Und bitte denke nicht, dass Talmir nur entspannt in einem Tempel sitzt und Ash-Zaharr mal eben bittet, auf ein Wort vorbei zu schauen. Die Anrufungen kosten Kraft und werden nur in sehr begründeten Fällen durchgeführt. Ich beneide ihn nicht darum.“

      „Aber dann müsste doch auch Talmir hier sitzen und mich nach all diesen Dingen fragen....“

      „Da hast du recht. Nur leider gehört Talmir nicht zum Stamm der Batí. Ganz im Gegenteil. Er vertritt – wie es im übrigen die meisten Cycala tun – die Ansicht, dass die Batí sich selbst mit ihrem Schicksal als Verfluchte herumschlagen müssen. Sie achten und sie fürchten uns. Aber sie würden sich nie für uns mit Ash-Zaharr anlegen. Talmirs Hauptaufgabe ist es, die Zeremonien und Rituale durchzuführen, die Lehren weiterzugeben und zu überwachen und über die Einhaltung all der anderen Pflichten zu herrschen, die zu seinem Aufgabengebiet gehören. Ich hingegen bin ein Batí-Priester. Wir widmen unser Leben ganz der Unterwerfung durch Ash-Zaharr. Wir versuchen, ihn zu besänftigen und einen Weg zu finden, seinen Zorn auf uns und die Schuld unserer Väter zu bändigen. Mit Talmirs Dienern des Himmels hat das aber nichts zu tun. Wir dulden uns und gehen uns aus dem Weg. Ich mische mich nicht in seine Angelegenheiten und er sich nicht in meine. Ich will ganz ehrlich sein. Sein leichtfertiger Umgang mit dem Sagun-Ritual hat mich mehr als nur erzürnt, aber auch das gehört zu seinen Vorrechten. Von Chaz-Nar will ich gar nicht erst reden. Und natürlich weiß er nicht, dass ich hier mit dir spreche. Wenn er es wüsste, würde er toben, so dass man es bis Askaryan hört. Glücklicherweise ist Lennys ebenso wie ich der Ansicht, dass diese Angelegenheit in meinen Händen recht gut aufgehoben ist.“

      „Und wie kann ich euch dabei weiterhelfen? Ich bin nur eine Fremdländerin und dass ich in Sagun dabei war, war reiner Zufall.“

      „Ich habe in meinem Leben zwei Dinge gelernt, Sara. Zum einen, dass man immer eine Antwort findet, wenn man nach ihr sucht. Auch wenn sie unbefriedigend ist. Und zum zweiten, dass ich meinem Gefühl vertrauen kann. Es irrt sich nur äußerst selten. Und jetzt sagt es mir, dass manche Dinge, die in jener Nacht geschehen sind, eben kein Zufall waren. Deshalb bitte ich dich jetzt darum, mir noch einige Fragen zu beantworten.“

      „Dann müsst ihr mir auch solche stellen, die ich beantworten kann.“

      „Ich freue mich, dass du so direkt bist. Gut, ich werde mir Mühe geben. Ich werde mit etwas Einfachem anfangen. Du warst nicht von Anfang an bei den Altären, oder? Du kamst später dazu als Lennys schon dort war?“

      „Ja.“

      „Hast du versucht, zu ihr zu gehen?“

      „Ja. Aber es ging nicht. Es war, als wäre eine unsichtbare Wand zwischen uns.“

      Mondor nickte. „Aber du konntest alles sehen... und hören?“

      „Ja.“

      „Hattest du Angst? Um dich selbst, meine ich?“

      „Nein.“

      „Warum nicht?“

      Sara versuchte, sich ihre Gedanken und Gefühle von damals genau ins Gedächtnis zurück zu rufen.

      „Ich wusste, dass er mir nichts tun kann.“

      „Du sprichst vom Herrn des Todes. Wie kommst du darauf, dass er dir nichts tun kann?“

      „Weil... weil er nicht mein Gott war. Ich war eine Novizin des Nebeltempels. Eine Dienerin der Großen Mächte. Er kann mich nicht beherrschen, ebenso wenig wie die Großen Götter euch beherrschen können. Und er hat nicht das Recht, mich in seiner Gestalt zu bestrafen oder anzugreifen, auch wenn mein Leben genauso den Gesetzen von Tod und Zerfall untersteht.“

      Mondor konnte sein Staunen nicht verbergen. „Hast du ihm das gesagt?“

      „Ich glaube, ja. Nicht mit diesen Worten, aber im Grunde...Ja.“

      „Wieso denkst du, dass er dich nicht angreifen kann? Er ist ein Gott, ein Dämon...“

      „Wir alle sind an die Gesetze der Mächte gebunden. An Leben und Tod, Hunger und Durst, Tag und Nacht. Aber es ging nicht um seine Gesetze. Er hat eine Gestalt angenommen, um euch zu erscheinen. Euch, den Sichelländern. Nicht mir. Er hat sich an euer Volk gebunden, nicht an meines. Er ist wie der König eines fremden Landes, dem es nicht zusteht, Menschen zu richten, die in einem anderen Reich leben. Denn dann müsste er die Rache meines eigenen Königs fürchten. Und in diesem Fall die der Großen Mächte.“

      „Dir ist hoffentlich klar, dass du dich damit auf sehr dünnes Eis begeben hast?“

      „Jetzt ja. In dem Moment aber war ich mir sicher, das Richtige zu tun.“

      Mondor stieß einen leisen Pfiff aus. „Mir scheint, du kannst deinem Instinkt ebenso vertrauen wie ich dem meinigen. Aber ich gebe zu, dass ich recht überrascht bin. Ich kann einfach nicht glauben, dass man Ash-Zaharr so einfach in seine Schranken weisen kann.“

      „Hier sicher nicht.“

      „Was meinst du damit?“

      „Wir waren in Sagun. In einem herrenlosen Land. Er war nur ein Schatten seiner selbst und die einzige Macht, die er dort ausüben konnte, war die über die Sichelländer.“

      „Ich verstehe eines nicht, Sara. Wieso muss