Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844241334
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Erstaunen ließ sie sich wieder zurück sinken und drehte sich erneut auf den Bauch.

      „Mach weiter...“

      Immer noch etwas verlegen begann Sara wieder die Schultern zu massieren, doch als sie merkte, dass Lennys' Atem wieder gleichmäßig und ruhig wurde, verminderte sie erneut den Druck.

      „Eigentlich solltest du schlafen...“ murmelte Lennys.

      „Und eigentlich solltet ihr euch deshalb keine Gedanken machen...“

      „Es kann gefährlich sein, wenn man gedankenlos wird...“

      Sara erschauerte. Plötzlich sah sie sich selbst wieder, wie sie mit Lennys in der Nacht des Erntefestes allein auf der Waldlichtung stand. Dachte an Tibanai, die morgens am Rand von Fangmor gewartet hatte. Es wäre so leicht, die Vernunft einfach auszuschalten und das Risiko einer Verbannung in Kauf zu nehmen. So leicht.

      'Gefährlich, wenn man gedankenlos wird...'

      Wie gefährlich? Sie spürte, dass es in diesem Moment nicht Lennys war, die das Geschehen kontrollierte. Sie selbst, Sara, hielt alles weitere in ihren Händen. In den Händen, die jetzt nur noch sanft und bebend über Lennys Rücken strichen, hinunter bis zur Taille....

      Die Morgenluft war eisigkalt und kristallklar. Man konnte den Winter förmlich riechen, auch wenn die aufgehende Sonne einen herrlichen Tag versprach. Sara füllte im Brunnenhof den Steinkrug aus ihrem Zimmer mit frischem Wasser und gönnte sich einige stille Minuten am Brunnenrand. Das Krächzen der Raben und der vereinzelte Gesang kleinerer Vögel vermittelten ihr das Gefühl von stiller Harmonie, die so gar nicht zur Shajburg inmitten des sichellländischen Reiches passen mochte.

      „So früh schon auf?“

      Erschrocken zuckte Sara zusammen.

      „Guten Morgen, Rahor....“

      „Ich wollte dich nicht erschrecken. Aber ich bin froh, dich allein zu treffen. Ich muss dringend mit dir sprechen.“

      Beunruhigt sah Sara auf. „Ist etwas passiert?“

      „Nein. Noch nicht jedenfalls. Aber nicht hier. Auch in der Festung gibt es zu viele neugierige Ohren. Könnten wir vielleicht auf ein paar Worte in dein Zimmer gehen?“

      Sara konnte ihre Nervosität kaum verbergen.

      „Nein, ...das.. das geht nicht. Tut mir leid. Ich … ich meine, könnten wir nicht woanders hingehen?“

      „Oh...“ lächelte Rahor. „Ich verstehe. Du musst dich nicht verstellen, Sara, es ist völlig in Ordnung, wenn du hier auch ein paar Bekanntschaften schließt. Leider bleibt uns Cas dieses Privileg versagt, zumindest innerhalb der Burgmauern.“

      „Es ist nicht so...“

      Doch Rahor wehrte ab.

      „Nein, bitte, es ist wirklich in Ordnung. Ich wollte auch nicht neugierig sein.“ Dann wurde er schlagartig wieder ernst. „Sara, ich muss dich unter vier Augen sprechen, irgendwo, wo uns niemand belauscht. Es ist wirklich wichtig.“

      Sara nickte. „Ich bringe nur schnell den Krug in mein Zimmer, ich bin sofort zurück.“

      „Danke...“ Nachdenklich sah Rahor ihr nach. Er glaubte nicht so recht an einen Liebhaber im Zimmer der Novizin, doch er konnte sich auch nicht vorstellen, was sie sonst verbarg. Natürlich ging es ihn nichts an, aber er hatte Lennys versprochen, das Mädchen im Auge zu behalten. Selbst in einer Stadt wie Semon-Sey und sogar in einem Anwesen wie der Burg Vas-Zarac gab es immer wieder Taugenichtse und Grobiane. Was war wichtiger? Sich Saras Vertrauen als würdig zu erweisen? Oder Lennys' Befehle zu befolgen, die letztendlich ja auch nur Saras Sicherheit dienten?

      'Ich werde mit niemandem darüber sprechen.' dachte er, während er den Pfad zum Dienstboteneingang einschlug. 'Aber ich muss jede Gefahr im Keim ersticken, auch wenn ich dadurch meine Nase in Saras Angelegenheiten stecken muss...'

      Lennys knurrte nur ungehalten, als Sara vorsichtig an ihrer Schulter rüttelte. Für einen Augenblick überlegte die Novizin, ob sie nicht einfach eine Nachricht hinterlassen sollte. Doch gerade in diesem Moment setzte sich die Cycala abrupt auf. Gleich darauf riebsie sich die Schläfe.

      „Wie spät ist es?“ fragte sie, während sie sich mit sichtlichem Unbehagen an die Wand lehnte.

      „Kurz nach Sonnenaufgang. Es tut mir leid, ich hätte euch nicht wecken sollen...“

      Erstaunt sah sich Lennys in dem kleinen Raum um.

      „Ich dürfte gar nicht hier sein...“

      Verlegen füllte Sara einen Becher mit Wasser und reichte ihn Lennys. „Möchtet ihr Bashra-Pulver? Es ist gut gegen Kopfschmerzen...“

      „Nein. Oder vielleicht...“ Nur langsam schien sich die Shaj zu orientieren. „Was mache ich hier überhaupt?“

      „Nun ja....“ Doch bevor Sara antworten konnte, scharrte etwas an der Tür. Es klang wie Metall. Schnell wie ein Blitzschlag stürzte Lennys aus dem Bett und obwohl Sara noch versuchte, ihr in den Arm zu fallen, konnte sie nicht verhindern, dass die Shaj die Tür aufriss.

      Rahor stand kreidebleich auf dem Flur und ließ gerade die Sichel unter dem Umhang verschwinden, die eben noch ungewollt am Holz gekratzt hatte. Der Cas starrte betreten zu Boden und bemühte sich, seinen Blick auf keinen Fall zu seiner Shaj hinaufwandern zu lassen, die zwar noch Corsage und Nachtwäsche trug, aber so auch um einiges leichter bekleidet war, als er es von seiner Herrin gewohnt war. Das schien Lennys gerade in diesem Moment auch klar zu werden, doch es war zu spät, sich daran zu stören.

      „Was machst du hier?“ fauchte sie Rahor an.

      'Das wollte ich auch gerade fragen...' dachte der Cas, doch er hütete sich davor es auszusprechen. Stattdessen sagte er:

      „Du wolltest, dass ich auf Sara achtgebe. Ich hätte nicht lauschen dürfen, aber ich wollte verhindern, dass sie auf einen Mann hereinfällt, der ihrer nicht würdig... also... ich wollte...“

      „Es ist mir egal, was du wolltest!“ Wütend machte Lennys einen Schritt auf Rahor zu, der unwillkürlich zurückwich. „Wenn auch nur eine Menschenseele davon erfährt, dann werde ich dich an deinen Eingeweiden am höchsten Turm aufhängen, das schwöre ich!“

      Rahor war immer noch so perplex, dass er nur stumm nickte. Schließlich fing er sich aber und wagte einen für Saras Begriffe recht mutigen Vorstoß.

      „Es ist recht schwer, dich zu beschützen, wenn wir nicht wissen, wo du bist...“

      „Verlangst du von mir Rechenschaft? Verschwinde, bevor du dazu keine Gelegenheit mehr hast!“

      Bevor Rahor dem Befehl seiner Herrin nachkam, wandte er sich jedoch noch an Sara.

      „Es tut mir sehr leid, ich wollte dich nicht ausspionieren. Und was ich vorhin gesagt habe, hat immer noch Gültigkeit. Ich warte in der Bibliothek.“

      „Was will er von dir?“ fragte Lennys einige Minuten später. Sie saß wieder in ihr Ritualgewand gekleidet am Tisch und spülte das bittere Bashra-Pulver mit dem Brunnenwasser hinunter. Den Kopf hatte sie auf ihre Hände gestützt und insgesamt machte sie nicht gerade den Eindruck, als wäre sie voller Tatendrang.

      „Er wollte mich sprechen.“

      „Weshalb?“

      „Das weiß ich nicht. Er sagte nur, es wäre dringend und wir sollten keine Zuhörer haben.“

      Ein wütendes Schnauben ertönte. „Keine Zuhörer. Das sagt gerade er. Jeder andere hätte dieses Handeln mit seinem Leben bezahlt.“

      „Er hat es sicher nicht böse gemeint...“ versuchte Sara Rahor in Schutz zu nehmen, doch Lennys fuhr sofort dazwischen.

      „Nicht böse? Dir ist doch hoffentlich klar, dass es nicht üblich ist, dass die Shaj ihre Nächte im Dienstbodenflügel verbringt?“

      Doch kaum hatte sie zu Ende gesprochen, versteinerte ihre Miene.

      „Ich