Sichelland. Christine Boy. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christine Boy
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844241334
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auffällig. Aber wir könnten dafür sorgen, dass sie... für eine Weile.. aus dem Verkehr gezogen wird. Dass sie handlungsunfähig ist, bis wir unsere Angelegenheiten geregelt haben.“

      „Aber.... wie?“

      „Nun, das lass meine Sorge sein. Wie du weißt, bin ich Spezialist, wenn es um kleinere und größere Unfälle geht. Unfälle, die niemand mit mir oder dir in Verbindung bringen wird....“

      Als der zweite Besucher bald darauf die finstere Kammer verließ, schlug ihm sein Herz bis zum Hals. Der Mutigste war er nie gewesen. Und er war froh, dass sein Gesprächspartner ihn nicht so genau in seine Pläne einweihte.

      Sara hatte sich tief über den Stapel Briefe gebeugt, der bislang nur grob sortiert worden war und sie hatte Mühe, im flackernden Schein des Kaminfeuers die zum Teil recht unleserliche Schrift zu entziffern. Dennoch genoss sie den Moment. Hier direkt vor dem Kamin war es herrlich warm, sie kam mit ihrer Arbeit gut voran und neben dem Prasseln der Flammen war Lennys' gleichmäßiger Atem das einzige Geräusch.

      Die Shaj war auf ihrem Lehnstuhl eingeschlafen, obwohl die Nacht nicht einmal zur Hälfte vorüber war. Es mochte an den zwei Flaschen Sijak liegen, die sie seit dem Mittag geleert hatte oder auch an den Anstrengungen der letzten Tage und Wochen, dass sie jetzt nicht, wie sonst, mehrere Nächte durchwachte. Sara hatte beschlossen, die Sendschreiben auf jeden Fall noch vollständig durchzuarbeiten, bevor sie sich selbst ein wenig Ruhe gönnte, zumal sie inzwischen einen Blick dafür entwickelt hatte, welchen Briefen und Passagen sie besondere Bedeutung beimessen musste. Lennys hatte ihr genau eingeschärft, was in den Zusammenfassungen berücksichtigt werden sollte, doch Sara hatte sich heimlich noch weitere Notizen gemacht. Zuerst nur Randbemerkungen, später sogar kurze Abschriften und Kommentare auf einem eigenen Bogen. Vielleicht irrte sie sich und ihre Beobachtungen waren bedeutungslos. Dann konnte sie diese Blätter schnell verschwinden lassen. Und wenn nicht... Daran mochte sie gar nicht denken. Doch es war jetzt wichtig, nicht überstürzt zu handeln oder leichtsinnig zu werden. Sorgfältig las sie auch noch die restlichen Schreiben durch, notierte hier und da die relevantesten Stellen, sortierte die Bögen dann auf die richtigen Stapel. Bis zum Morgengrauen würde es noch eine Weile dauern... Zeit genug, um doch noch ein wenig Schlaf nachzuholen. Sie stand auf und betrachtete unschlüssig ihre Herrin. Sollte sie sie wecken? Oder einfach gehen, ohne etwas zu sagen? Beides erschien ihr nicht gerade höflich. Sie sah sich um. Hinten in der Ecke mit den Sitzpolstern lag eine zusammengelegte Wolldecke.

      'Ich kann ebenso gut hier vor dem Kamin schlafen.' dachte sie. Doch gerade, als sie die Decke auseinanderfalten wollte, ließ Lennys' Stimme sie zusammenzucken.

      „Warum hast du mich nicht geweckt?“

      „Weil... weil ich es für wichtig halte, dass ihr schlaft. Und weil ich gut vorangekommen bin.“

      „Hast du noch etwas herausgefunden?“ Ihre Worte klangen ein wenig schwer.

      „Vieles und doch nichts. Ich habe euch alles zusammengeschrieben und auch noch eigene Notizen gemacht. Vielleicht sind sie irgendwann einmal wichtig.“

      Lennys dachte nicht weiter darüber nach.

      „Du kannst in dein Zimmer gehen. Hattest du vor, hier zu schlafen?“

      „Ich hielt es für das Beste. Ich wollte euch weder wecken noch wollte ich ohne eure Erlaubnis gehen.“

      „Dann merke dir, dass du jederzeit gehen kannst, wenn du müde bist. Ich werde es dich wissen lassen, wenn ich diese Erlaubnis zurückziehe.“

      „Danke...“

      Lennys stand auf, hielt sich aber gleich darauf an der Lehne ihres Stuhls fest. Die Wirkung des Sijaks war noch längst nicht verflogen. Sie rieb sich den Nacken.

      „Ich könnte euch massieren.“ bot Sara an.

      „Wie bitte?“

      „Ihr ward die halbe Nacht nahezu unbeweglich auf diesem Stuhl gesessen. Ihr seid sicher völlig verspannt. Selbst wenn ihr jetzt bis zum Morgengrauen schlaft, werdet ihr euch so nicht ausgeruht fühlen.“

      „Das könnte auch andere Gründe haben.“ meinte Lennys sarkastisch und nickte zu den beiden leeren Flaschen. Sara konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es kam selten vor, dass Lennys so etwas wie einen Anflug von Humor erkennen ließ.

      „Nun ja, aber dann wüsstet ihr in ein paar Stunden zumindest, dass eure Kopfschmerzen nicht von einer verhärteten Muskulatur kommen.“

      Lennys' Mundwinkel zuckten, als wolle auch sie lächeln. Für eine Sekunde verwandelte sich ihr sonst so ernste und abweisende Miene in einen freundlichen und anziehenden Gesichtsausdruck, doch der Moment war sofort wieder vorüber.

      „Du darfst nicht in die oberen Zimmer. Nachts ist es nicht einmal den Burgdienern erlaubt, dort zu sein.“

      „Ich weiß...“ gab Sara zu. „Aber ihr dürft überall hingehen.“

      Lennys' schwarzes Gewand hing über einer Stuhllehne und ihr silberner Stirnreif lag auf dem Tisch. Ein Strahl Mondlicht, der durchs Fenster fiel, spiegelte sich darin und malte leuchtende Muster auf die weißen Seidenlaken. Auf einem schmalen Sims an der Wand flackerte eine Kerze und der schwache Duft von Rosenöl wehte durch das Zimmer.

      Sara hatte Mühe gehabt, ihren Blick von Lennys abzuwenden, als diese die Kleider abstreifte. Die helle glatte Haut hatte wie Samt im Kerzenschein geschimmert und ihre Aufmerksamkeit weit mehr angezogen als die schwarzglänzende Wäsche, die Lennys unter dem Gewand trug. Besonders aufgefallen war ihr aber die Lederbandage um Lennys' rechten Oberschenkel, an der ein zierlicher Dolch befestigt war. Auch wenn die Shaj ihre Sichel abgelegt hatte, auf diese letzte Waffe wollte sie nicht verzichten.

      Ohne auch nur ein weiteres Wort zu sprechen, hatte Lennys sich auf Saras Bett in dem kleinen Dienstbotenzimmer gelegt und kaum hatte die Novizin mit ihren warmen Händen ihre Schultern berührt, hatte die Kriegerin die Augen geschlossen.

      Mit geschickten Bewegungen begann Sara, die Muskeln ihrer Herrin zu lockern.

      „Von dir könnten einige meiner Diener noch etwas lernen...“ murmelte Lennys schläfrig und mit recht schwerer Zunge.

      „Und ich sicher von ihnen.“ antwortete Sara leise.

      „Du weißt, dass sie das jetzt nicht gern sehen würden.“

      „Es sei denn, sie könnten an meiner Stelle hier sein...“

      „Glaubst du, das würden sie gern...?“

      „Einige sicher. Vielleicht die meisten.“ Saras Hände strichen nun etwas sanfter über die Haut. Hier und da verblassten die letzten Spuren, die die Tage im Verlassenen Land hinterlassen hatten. Peitschenstriemen, Blutergüsse.

      „Darf ich?“ fragte Sara vorsichtig und zog sachte an dem Band, das die Corsage hinten zusammenhielt.

      „Die meisten von ihnen taugen schon kaum zum Küchendienst...“ erwiderte Lennys, ohne zu antworten. Als Sara das Band langsam löste, zuckte sie kurz zusammen, entspannte sich aber gleich darauf wieder.

      „Sie sind vielleicht nur nervös in eurer Nähe...“

      „Das bin ich gewöhnt. Du warst anfangs nicht anders.“

      „Es hat sich bis jetzt nicht geändert...“

      „Dann hast du gelernt, es gut zu verbergen.“

      „Ich habe vieles gelernt. Aber nicht genug...“

      „Nicht genug für wen?“

      „Für euch. Und für mich....“

      „Deine Erwartungen an dich.... sind vielleicht höher als meine...“

      Sara sagte nichts, sondern versuchte, sich ganz auf die Massage zu konzentrieren. Es fiel ihr nicht leicht. Wie von selbst glitt ihre rechte Hand über Lennys' Hüfte hinab und berührte sachte die Lederbandage. Sofort wirbelte Lennys herum und packte Saras Handgelenk.

      „Nein.“ zischte sie schlicht.

      „Verzeihung...