Das 4. Buch George. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844283785
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Gestalt. Auch hatte sie keine Ahnung von Barbiels Flügel, und Silent Blobb war ihr auch noch nicht bewusst begegnet. Leider durfte ich ihr nichts über meinen Job und die Kollegen erzählen. Sie ignorierte ohnehin die seltsamen Vorkommnisse. Sie hielt selbst Karl-Heinz für ein weißes Pferd, das gelegentlich aus dem Reitstall ausbüxte. Schließlich war sie keine Jungfrau mehr.

      »Woher weißt du, dass es Dracon war?«, fragte ich verblüfft.

      »Dein netter Kollege Barbiel, sagte, du seist mit Dracon höchstwahrscheinlich außer Haus gegangen, weil er euch nirgendwo im Gebäude finden konnte. Übrigens, er mag ja wirklich ein hübscher Bengel sein, aber ich befürchte, er hat eine Schraube locker, weiß Mara das? Er redete mit einem Regenmantel, oder vielleicht sprach er auch mit seinem seltsamen Tier, bei dem ich mir nicht sicher sein kann, ob es überhaupt ein Tier ist. Diese Mischung aus Reptil und Hund. Aber ich kenne Hunde, und auch wenn Ernestine bellt, so kaufe ich ihr den Hund nicht ab! Ach, was weiß ich... Ich bin ja nur eine alte, törichte Frau... Trotzdem glaube ich nicht, dass Barbiel mit Ernestine so laut Tischfußball spielen kann. Und die vierte Dose Bier war sicherlich auch nicht ihre«, zwinkerte sie mir zu, obwohl sie den Braten längst gewittert zu haben schien. Annie ist eine hochintelligente Frau und ihrem Verstand bringe ich den vollsten Respekt entgegen. Soll sie von allein herausfinden, worin sie sich befindet: Im Epizentrum der Abnormalität, in Freakhausen.

      »Wollen wir nur hoffen, dass du den armen Kerl nicht verprügelt hast. Er ist immer so höflich und zuvorkommend. So, jetzt komm mal wieder auf die Beine, mein tapferer Ritter, der Rasen ist recht feucht. Aufstehen musst du schon alleine, denn ich kann dir dabei nicht helfen, es sei denn, ich darf einen Kran ordern«, lächelte sie mir charmant zu.

      »Nein, ich habe ihn nicht geschlagen, obwohl mir die Hand juckte. Wir gehen morgen gemeinsam zum Psychologen, der kümmert sich um den Sprung in seiner Schüssel«, gab ich Entwarnung. »Nein, Annie, mach dir keine Umstände. So etwas würde ich auch nicht von dir zierlichem Persönchen verlangen. Bisher kam ich immer von allein wieder auf die Beine. Annie, nicht doch! Ein Kran ist viel zu kostspielig, der sprengt unser Familienbudget!«, grinste ich und erhob mich. Schweigend gingen wir zurück zum Haus, wo sich unsere Wege trennten. Unserem Barbiel und Silent Blobb wünschte ich eine gute Nacht, die dieses Signal sehr wohl verstanden und ohne zu fragen das Weite suchten.

      Mann o Mann! War das ein verrückter Tag! Sofort machte ich mir eine geistige Notiz, einen Notfallplan anzulegen. Wenn schon das Ende der Welt nahte, sollte wenigstens meine Rotte gut versorgt sein. Hoffentlich ließ die Apokalypse noch ein wenig auf sich warten. Vielleicht irrte sich Odin und verbreitete umsonst diese ganze Panik. Während ich meine imaginäre Einkaufsliste durchging, hörte ich aus dem Zimmer meines Sohnes ein leises Weinen. Derart alarmiert, betrat ich vorsichtig sein Zimmer.

      »Hey, Stöpsel, was hast du denn? Tut dir etwas weh? Hast du schlecht geträumt?«

      »Bin kein Stöpsel, du sollst mich doch Triple A nennen!«, schniefte er.

      »Okay, was hast du denn, Ag... Triple A?«

      »Die Drachenmutter ist weg! Jetzt ist das Drachenkind ganz traurig!«, jammerte er.

      »Deine Mutter ist doch da! Und seid wann nennst du sie ›Drache‹? Ich hätte vielleicht meine Gründe, so etwas zu sagen, aber du? Doch so schlimm ist sie nun auch nicht, auch wenn sie ziemlich ausflippen kann!«, gab ich zu bedenken.

      »Nein, so etwas würde ich nie zu Mama sagen!«, belehrte er mich.

      »Und was meinst du jetzt damit? Ach, ich sehe es schon an deinem glasigen Blick, du hast einfach nur schlecht geträumt. So, mein Kleiner, jetzt wird wieder schön geschlafen...«, wollte ich mich aus dem Staub machen. Mir liegt es überhaupt nicht, jemanden zu trösten, auch wenn es mein eigener Sohn ist. Mir fehlt es an der benötigten Empathie, was auf verhängnisvolle Weise zu dem Ergebnis führt, etwas völlig Unpassendes zu sagen, was andere ziemlich irritiert, oder gar für herzlos halten.

      Agnir hielt mich am Hosenbein fest, als ich mich erhob. Der kleine Hosenmatz hat einen ziemlich festen Griff, was zur Folge hatte, dass ich ihn aus dem Bett hob.

      »Papa?«, fragte er mich mit einem Blick, der Bambi vor Neid erblassen ließ. »Kann ich heute Nacht bei dir und Mama im Bett schlafen?«

      »Bist du nicht schon etwas zu groß dafür? Ich mache dir auch deine schöne Lampe mit den Sternen an!«, schlug ich ihm begeistert vor. Zugegebenermaßen hatte ich eigentlich ganz andere Pläne, die nur Amanda und mich beinhalteten. Und so egoistisch wie es klingen mag, dabei waren die Kinder definitiv ausgegrenzt.

      »Papa, nur heute Nacht! Bitte! Danach habe ich bestimmt keine Albträume mehr. Großes Wikinger-Ehrenwort!«, krallte sich Agnir noch fester in mein Bein.

      »Niemals solltest du so unbedacht einen Schwur leisten. Eigentlich müsste ich derjenige mit den verdammten Albträumen sein. Denn ich habe welche im Wachzustand. Okay, du hast mich überredet, du kleine Klette, ich kann Kinder einfach nicht weinen sehen! … Das nächste Mal mache ich meine verdammten Augen zu und stopfe mir etwas in die Ohren!«, brummelte ich in meinen Bart. Agnir wurde vom Bein gepflückt und auf den Arm genommen.

      … Aus dem Augenwinkeln meines Lustzentrums sah ich, wie meine Libido mir ziemlich angepisst den Stinkefinger entgegenstreckte. Aber so ist das eben, wenn man die Vaterfreuden genießen will. Leider hat man nur Zeit dafür, bevor die Kinder da sind. Sobald sie erst mal das Licht der Welt erblicken, ist man einfach immer und rund um die Uhr ein Vater...

      Amanda schlief schon, als ich den Quälgeist in unserem Bett verstaute, allerdings kann ein Muttertier noch so tief schlafen, sobald es jedoch den Geruch der eigenen Leibesfrucht wittert, steht es Gewehr bei Fuß. Zwei Dinge bemerkte mein Herzblatt: »Hat Agnir schlecht geträumt? Und seit wann gehst du um diese Uhrzeit noch reiten? Du magst doch gar keine Pferde.«

      Ehe ich bejahen konnte, oder mir zum Thema Pferd eine Ausreden einfallen wollte, öffnete sich unsere Schlafzimmertür und Sascha kam mit ihrem Plüsch-Minion namens Stuart ins Schlafzimmer geschleppelt.

      »Sag nicht, du hattest auch einen Albtraum?«, fragte ich entgeistert, weil wir zwar ein großes Bett haben, aber die Barriere, die die Kinder zwischen mir und Amanda zu bilden drohte, meine Liebste und mich brachial entzweite.

      »Nein, ich nicht, aber Stuart hat schlecht geträumt! Und Agnir darf auch bei euch schlafen«, grinste Sascha und krabbelte ins Bett und kuschelte sich an ihre Mutter.

      »Böser Stuart! Na gut, dann schläfst du ebenfalls heute Nacht in unserem Bett. Bin ich erleichtert, dass wir nicht noch ein Balg haben, sonst müsste ich hier noch anbauen. Es wird aber nicht getobt, oder Blödsinn gemacht! Ihr müsst morgen beide früh aufstehen und in die Schule«, beschwerte ich mich. Während es sich die Kinder in unserem Liebesnest gemütlich machten, eilte ich unter die Dusche und schlüpfte anschließend in Boxershorts und T-Shirt. Obwohl Amanda mich regelrecht mit Schlafanzügen zuschmiss, verweigere ich mich, so ein schreckliches Ding zu tragen. Eigentlich schlafe ich immer nackt. Anders kenne ich das gar nicht, schließlich bin ich ein Nordmann. Es sei denn, ich habe Wache oder nächtige unter freiem Himmel, das sind die einzigen Ausnahmen. Nur einmal habe ich einen Pyjama anprobiert und als ich mich im Spiegel betrachtete, sah ich aus wie ein gottverdammter Sträfling der Teufelsinsel.

      Als ich wieder im Schlafzimmer auftauchte, schliefen die Kinder schon tief und fest. Vorsichtig schlüpfte ich ins Bett, darauf bedacht, kein Erdbeben auf der Matratze zu verursachen. Amanda blickte sehnsuchtsvoll zu mir herüber und seufzte. Auch ich warf ihr einen schmachtenden Blick zu. »Tut mir wirklich leid, so war das nicht geplant. Dem Anschein nach, brauche ich morgen einen Arzttermin bei dir, Frau Doktor Ferguson. Meine Testikel drohen zu explodieren. Denkst du manchmal auch an Postnatale Abtreibung?«, flüsterte ich zu ihr rüber.

      »Das ist schon in Ordnung so, er hat dich sicherlich weichgeklopft. Wie wäre es morgen um zehn Uhr? Da habe ich meine Pause. Wir können uns in einem Zimmer der Krankenstation einschließen«, zwinkerte sie mir lasziv zu, und mein Herz machte einen Freudensprung. »Was meinst du mit ›Postnataler Abtreibung‹, Schatz?«, fragte sie leise, aber im ersten Unterton.

      »Okay, zehn Uhr, ich kann es kaum erwarten! Ach so, Liebes, damit meine ich: Einfach